Als Pakhet aus der Dusche kam, fand sie Heidenstein zusammengesunken auf dem Sofa wieder.
Besorgt ging sie zu ihm rüber, stupste ihn an. „Doc?"
Sie hatte seine Kopfwunde, die dankbarerweise nicht mehr als ein Kratzer war, versorgt. Mehr hatte sie nicht tun können, da seine Schulter nur geprellt war. Nun machte er ihr Sorgen. Hatte er eine Gehirnerschütterung?
Er blinzelte sie an. „Was?", nuschelte er.
Sie seufzte. Wahrscheinlich war er nur erschöpft. „Ich bring dich ins Bett, ja?" Damit schob sie seinen Arm über ihre Schulter, half ihm aufzustehen. Er torkelte neben ihr her, schien aber halb zu schlafen. Was sollte es sie stören?
Sie brachte ihn zu seinem Bett und legte ihn darauf ab. Er trug noch immer seine Hose, doch sie würde sie ihm sicher nicht ausziehen. Dankbarerweise hatte er zumindest seine Schuhe zuvor ausgezogen, als er in die Wohnung gekommen war.
Wieder sank er in sich zusammen und sie schob ihn etwas weiter aufs Bett. Kurz nahm sie seine Hand, um seinen Puls zu fühlen. Er war niedrig, aber nicht kritisch.
Mit einem weiteren Seufzen ließ sich auf den Rand des Bettes sinken. „Idiot", flüsterte sie und musterte ihn.
Sie brauchte einige Sekunden, um zu bemerken, was sie da tat. Es blieb eine Frage: Warum? Der Idiot schaffte es immer wieder, sie aus der Fassung zu bringen.
Sie schüttelte den Kopf, ärgerte sich über sich selbst. Dann stand sie auf und verließ das Zimmer.
Sie wusste bereits, dass sie heute Nacht nicht mehr in ihr Haus zurückkehren würde. Das hieß, sie würde am nächsten Morgen packen müssen. Daran konnte man nichts mehr ändern. Sie durfte Heidenstein und Murphy, der im Krankenraum der Straßenklinik lag, nicht allein lassen.
Missmutig löste sie ihre Prothese und brachte sie in das Gästezimmer, wo sie für den Notfall – oder eher Momente wie diesen – mittlerweile ein Ersatzladegerät lagerte. All das sollte ihr eigentlich Gedanken machen.
Warum war sie hier? Warum vertraute sie ihm? Warum sorgte sie sich um ihn? Das alles war dumm, es war schwach, es war nicht sie, und doch ...
Er war ein Freund. Ein Idiot, aber ein Freund. Er war ehrlich, aufrichtig, alles Dinge, die sie zu schätzen wusste.
Und vielleicht brauchte sie einen Freund. Einen Freund, der anders als Robert, wusste, wie ihr Alltag aussah und die Augen nicht davor verschloss. Egal, was Michael sagte. Michael, der sich darüber lustig machen würde, der ihr eventuell wieder drohen würde. Michael ...
Sie verdrängte den Gedanken, kehrte ins Wohnzimmer zurück, setzte sich auf die Couch. Sie trug mittlerweile eine graue Jogginghose und ein schwarzes Tanktop, wie meistens, wenn sie daheim war. Dabei war sie nicht zuhause.
Darüber sollte sie nicht weiter nachdenken. Stattdessen schaltete sie den Fernseher an, zappte durch das Programm und verblieb schließlich bei einer Doku über die Antarktis. Warum auch nicht? Dokus waren meistens ihr liebstes Programm, da es am besten vermochte, sie von Denken über andere Dinge abzuhalten.
Vielleicht sollte sie sich noch einen Kaffee machen. Vielleicht sollte sie etwas essen. Vielleicht sollte sie früh schlafen.
Doch sie blieb sitzen, sah weiter die Doku, entspannte sich. Der Dokukanal kündigte an, mit einer weiteren Dokumentation über seltene Vögel in Neuseeland fortzufahren. Auch okay.
Kurz stand sie auf, ging in die Küche. Im Kühlschrank fand sie Salat. Besser als nichts. Sie bereitete sich eine Schüssel, kehrte damit und mit zwei getoasteten Broten auf das Sofa zurück.
Urlaub war ein wunderbares Gefühl.
Ihre Augen waren auf den Blickschirm fixiert, während die beruhigende Stimme eines britischen Sprechers begann über flugloses Geflügel auf der Südhalbkugel zu berichten.
Dann klingelte ihr Handy.
Sie fluchte leise. Was auch immer es war, sie hatte frei. Sie konnte es ignorieren. Es war ohnehin nur eine Nachricht.
Nicht nur eine. Das Handy klingelte noch einmal. Dann noch einmal. Dann wieder. Wieder. Wieder.
Sie stöhnte genervt und sprang auf, nahm das Handy vom Glastisch und blickte drauf. Die Nachrichten waren von Spider. Was auch immer er von ihr wollte!
Sie sah drauf: „Hilfe", stand in der ersten. „Ich habe Problem." – „Pakhet? Kannst du kommen. Ich bin irgendwo bei Lynnedoch." – Irgendwo? – „Bitte. Ich glaub, die wollen mich in einen Zombie verwandeln?" Zombies? Wirklich? „Bitte, Pakhet. Komm."
Sie konnte einfach sagen, sie hatte sie nicht gesehen. Spider war nicht mehr ihre Verantwortung. Es konnte ihr egal sein. Ja, es konnte ... Und doch war es das nicht.
Was war nur aus ihrem Leben geworden?
Sie sollte Smith die Schuld für all das geben.
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Mosaik
Fantasy[Urban Fantasy Thriller | Weibliche Protagonistin | LGBTQ Content | Südafrika] Joanne. Pakhet. Vor sieben Jahren gab sie ihren alten Namen, ihr altes Leben auf, zog nach Südafrika, wurde zur Söldnerin. Seither ist ihre Welt verrückter, ihr Leben jed...