Wie so oft bei Auswahlspielen war das Stadion relativ leer. Die meisten, die hier waren, waren Scouts, Trainer verschiedener Teams, Sportreporter und ein paar interessierte Zuschauer. Dennoch: Die Ränke waren größtenteils leer.
Egal. Besser so vielleicht. Je weniger Leute sie sahen, desto besser.
Pakhet trug einen Anzug, Murphy ebenso. Hazel, die sie als Hackerin mitgenommen hatten, trug eine Bluse und einen knielangen Rock. Sie hatte sich das Haar in einem Knoten zurückgebunden und hätte streng ausgesehen, hätte sie dabei nur einen Hauch Selbstbewusstsein ausgestrahlt.
Hinter ihnen trottete Crash. Er trug einen Trainingsanzug – von Adidas – und wirkte missmutig. „Bist du dir sicher, dass der Plan klappt, Lady?"
Sie schenkte ihm ein steifes, selbstsicheres Lächeln, so wie man es von einer Trainerin erwarten würde. „Sicher, mein Junge. Du bist ein Naturtalent."
Er schenkte ihr einen missmutigen Blick. Wahrscheinlich wäre ihm eine ehrliche Antwort lieber gewesen.
Während die Sitze oben im Stadion leer waren, so war das Spielfeld und der Rest des Arenabodens gefüllt. Sicher achtzig oder neunzig Spieler waren hier, wärmten sich auf, redeten mit Trainern. Einige von ihnen trugen College-Kleidung, doch Pakhet hatte richtig gelegen: Viele gehörten zu Scouts. Sie fielen also nicht auf. Einzig die Tatsache, dass sie bloß einen Spieler bei sich hatten, war ungewöhnlich. Doch mehr vermeintliche Spieler bedeutete mehr Söldner, die bezahlt werden wollten. Sie war nicht geizig, sah aber keinen Grund, das Geld weiter aufzuteilen.
Sie würden es schon hinbekommen. Immerhin mussten sie nicht professionell wirken.
Sie hatte sich für Crash als Spieler entschieden, weil sie wenig über den Sport wusste, bis auf eine Sache: Es war von Vorteil, laufen zu können. Es war von Vorteil genug Masse zu haben, um sich nicht so leicht umwerfen zu lassen. Kraft schadete sicher auch nicht. Crash war groß, bullig und schnell, wenn er lief. Er war schwer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Theoretisch gesehen sollte er wie geschaffen für den Sport sein.
So suchten sie den nächsten Typen, der aussah, als hätte er etwas zu sagen. Natürlich war es ein Typ. Frauen waren hier deutlich in der Minderheit. Sicher, es war auch ein Auswahlspiel für die Herrenmannschaften.
Zwanzig Minuten später waren sie bestätigt und ein missmutiger Crash schloss sich den anderen Spielern beim Aufwärmen an.
Pakhet saß neben Murphy und Hazel in einem der Hartschalensitze in den Rängen und hatte die Arme verschränkt. Sie trug eine Sonnenbrille und bemühte sich heute ihrerseits so selbstgefällig wie möglich auszusehen. Aber verdammt, der Sessel war unbequem.
„Also", murmelte sie aus dem Mundwinkel heraus. „Sobald die eigentlichen Spiele beginnen, geht ihr beiden los."
„Jap." Murphy flüsterte, schaffte es dabei den Mund kaum zu bewegen. Was Charaden anging, war der Junge gut. Er hatte die Gestalt eines etwa dreißigjährigen, weißen Mannes mit braunen Haaren angenommen. Natürlich trug auch er eine Sonnenbrille.
„Gut. Dann seht zu, dass ihr die Daten bekommt."
„Jap." Murphy deutete ein Nicken an.
Das alles baute darauf, dass sie überhaupt an Aktenkoffer und Laptops drankamen. Wenn sie das nicht schafften, mussten sie später in die Büros, der Teammanagements einbrechen. Erst einmal positiv denke, versuchte sie ihren inneren Realisten zu überzeugen. Smith hatte gesagt, diese Veranstaltung wäre ein guter Ansatz und Smith wusste meistens, wovon er redete. Also abwarten.
Vielleicht war der Plan mit der Charade auch zu aufwändig. Vielleicht wäre es besser gewesen, es einfacher anzugehen. Doch jetzt war es zu spät. Sie wartete. Die Spiele begannen.
Anders als bei einem normalen Rugby Spiel, wurde immer nur eine halbe Stunde gespielt, anstatt zwei Mal vierzig Minuten. Lang genug, um jedem Spieler eine Möglichkeit zu geben, sein Können zu zeigen, kurz genug, um möglichst viele Teams in verschiedenen Konstellationen spielen zu lassen. Pakhet verschränkte die Arme und war froh, einen Thermobecher Kaffee dabei zu haben.
Während des ersten Spiels verschwanden Murphy und Hazel unauffällig. Sie gingen in die Bereiche, die für einfache Zuschauer nicht üblich waren. Da unten gab es Umkleiden, Duschen, aber auch Büros und Schließfächer, für all die, die ihre Wertgegenstände gerne sicher verstaut wussten.
Sie blieb hier. Damit zumindest der vermeintliche Trainer da war. Außerdem war das hier Murphys Job.
Crash spielte erst im zweiten Spiel. Sie bemerkte, dass er vor dem Beginn des Spiels zu den Rängen hochschaute, auf der Suche nach ihr. Sie nickte ihm zu und er nickte zurück. So ganz gefiel ihm seine Rolle in diesem Plan nicht.
Am Ende war es egal. Er musste nicht gut spielen, nur akzeptabel genug, um nicht aufzufallen.
Das Spiel wurde angepfiffen. Pakhet nippte an ihrem Kaffee.
Crash spielte im Sturm – bei weitem, die Rolle, für die er wohl am ehesten geeignet war. Er trug ein rotes Trikot, auch wenn es im Moment nicht viel sagte. Es waren Auswahlspiele und jedes Spiel würde auf „Weiß gegen Rot" hinauslaufen.
Der Ball wurde von Weiß angekickt, die roten Spieler liefen drauf zu. Es war klar, dass seine enorme Größe Crash hier zum Vorteil wurde – und tatsächlich bekam er den Ball zu fassen.
Natürlich waren auch die weißen Spieler schon vor ihm, versuchten ihm den Ball zu entreißen.
Pakhet hatte sich Videos online angesehen. Das war der Punkt, wo alles zu einer großen Rauferei verkam – aus der Sicht eines ahnungslosen Außenstehenden. Doch das Spiel unten auf dem Feld entwickelte sich nicht so, wie sie erwartet hatte. Denn Crash schaffte es, sich freizulaufen. Er war schneller als die anderen. Natürlich, verdammt, er war ein Gestaltwandler. Er gewann Abstand zu den anderen Spielern, sah sich um, schien selbst überrascht. Dann erreichte er das Ende des Feldes, immer noch überrascht. Die anderen Spieler rannten zu ihm. Er legte den Ball ab.
Pakhet trank noch einen Schluck, die Augenbrauen angehoben. Das würde interessant werden.
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Mosaik
Fantasy[Urban Fantasy Thriller | Weibliche Protagonistin | LGBTQ Content | Südafrika] Joanne. Pakhet. Vor sieben Jahren gab sie ihren alten Namen, ihr altes Leben auf, zog nach Südafrika, wurde zur Söldnerin. Seither ist ihre Welt verrückter, ihr Leben jed...