Teil 1

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Ich saß auf dem Holzboden, direkt vor dem großen Spiegel mit dem goldenen Rahmen. Verträumt blickte ich mir selbst in die Augen, während der Kamm durch mein kurzes Haar glitt. Durch das hohe Fenster, mit den blauen Gardinen davor, schien das Licht der Morgenröte hinein. Neben mir brannte ein Öllicht. Ich wusste nicht, wieso mich mein Körper schon so früh wach gemacht hatte. Und ich wusste auch nicht, wieso ich schon aufgestanden war und mich nicht für Stunden in meinem Bett hin und her gewälzt hatte. Ich seufzte und ließ meinen Arm sinken. Mein Spiegelbild sah mich müde an. Schon seit Tagen wurde ich vor der Morgendämmerung wach. Noch bevor die Hausdamen anfingen das Schloss von Staub zu befreien.

Ich stand auf und streckte mich gähnend. Den Kamm legte ich auf den Marmorsims meines Kamins ab. Meine müden Schritte trugen mich zu der Tür, die mich auf den Gang führte. Ich sah nach links und dann nach rechts. Ich bemerkte eine Magd, die gerade einen Wagen mit Essen zum Zimmer meines Bruders fuhr. Mein Bruder, der bald in ein anderes Königreich gehen wird. Er war der Älteste von uns und sollte die Prinzessin aus dem Norden heiraten. Verbündete für den Krieg, wenn der nächste komme sollte. Der letzte war gerade einmal ein Jahr her. Damals hatten wir viele unserer Männer verloren und die schützende Ostmauer unseres Schlosses wurde eingerissen. Lange hatten unsere Knechte daran gearbeitet, sie wieder aufzubauen. Höher und stabiler als vorher.

Ich schloss meine Gemachtür hinter mir und ging den Gang entlang. Dabei sah ich durch die Fenster hinaus. Den Anblick der aufgehenden Sonne genoss ich jeden Morgen. Die Magd, die an mir vorbei ging lächelte ich nur nickend an, während von ihr ein "Einen recht schönen guten Morgen, edler Prinz" kam. Sie waren es alle gewohnt, dass ich nicht viel sprach. Dass ich nicht die Lust hatte jeden zu grüßen. Meine Mutter sagte mir oft, es wirkte abgehoben und eingebildet. Doch das war ich nicht. Ich war schüchtern und faul. Vor allem so früh am Morgen.

Mein Weg führte mich hinunter in den Vordersaal. Dort, wo wir wichtige Gäste empfingen. Gäste, die selten kamen. Oft wünschte ich mir, es wäre mehr los im Schloss. Kein Krieg. Sondern eher Feste. Wo Leute kamen und zusammen lachten und tanzten. Zu schöner Musik von guten Spielleuten. Wo ich vielleicht jemanden kennenlernen könnte, die bereit wäre meine Prinzessin zu werden. Ich seufzte und blickte zu Boden. Mein Vater sagte mir, er hatte mit dem König aus dem Nachbarreich gesprochen. Seine Tochter war nur vier Jahre jünger als ich und passte perfekt in unser Schloss hinein. Sie wäre perfekt für das Regieren unseres Reiches. Ich kannte sie nicht. Ich wusste nichts über sie, außer einen Namen und dass sie blondes Haar hatte. Wallendes blondes Haar, hatte mein Vater mir berichtet mit einem Lächeln auf den Lippen. Doch ich wollte nicht irgendwen heiraten. Sondern die Frau, die mich liebte und die ich liebte. Nur kam das selten vor. Oder besser gesagt, nie.

Der Prinz der Drachen /KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt