27. Noramis Geschichte

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Die nächsten Tage und Wochen gingen sehr schnell herum. Bald war ich schon über 4 Monate auf dieser Akademie. Mann, wie schnell die Zeit rannte. Das war einfach so unnormal schnell. So schnell war die Zeit noch nie vergangen! In meinem ganzen Leben nicht!

Es war eine sehr dunkle Nacht an diesem einen Tag und der Wolf heulte in der Nähe es Schlosses. Norami und ich saßen nach dem Unterricht zusammen in unserem Zimmer und unterhielten uns. Wir sprachen oft über unsere Gefühle oder über den Unterricht. Heute kam mal beides an die Reihe.

"Wir haben heute in Vampirlehre ein spannendes Thema durchgenommen", erklärte Norami mir. Ich konnte an diesem Tag nicht in diesen Unterricht gehen, denn Herr Beißen wollte unbedingt mit mir reden. Es ging um Garlus Modusi, aber es war nichts schlimmes. Er wollte nur ein paar Sachen über diese Sache und ich reden. Alles gut.
"Und...welches Thema?", wollte ich von ihr wissen.
Norami lächelte mich an. "Rate mal! Das war so ein spannendes Thema!"
"Habt ihr endlich Vampirfortpflanzung gelernt?", fragte ich total interessiert. Ich habe nur auf dieses Thema gewartet! Ich fand das so spannend!
Norami nickte schnell. "Ja, genau!" Schon kramte sie einen Zettel aus ihrer Hosentasche hervor und reichte ihn mir. Darauf standen alle wichtigen Informationen. Ich las ihn mir schnell einmal durch.
"Ich habe mir schon gedacht, dass das anders als bei Menschen ist. Vampire beißen einfach nur ihr Opfer. So entsteht ein neuer Vampir. Egal wie jung oder alt er ist. Und man kann entscheiden, ob man ihn in die Familie aufnimmt oder man ihn auf sich selbst stellt. Das ist ja simple."
"Ja viel simpler als bei Menschen", bemerkte Norami.
Ich legte den Zettel neben mich und sah zu Norami.
"Du weißt schon", fuhr sie fort. "Du musst erst einen Partner finden, sich in ihn verlieben, mit ihm..."
„Norami, ich weiß wie es geht", versuchte ich ihr mit einem Lächeln zu erklären. Sofort hörte sie auf zu reden, dafür fing ich wieder an: "Ich war ja auch mal einer. Ich habe alles in Sachkunde und Biologie gelernt. Das reichte mir."
Norami nickte und starrte ins Leere. "Ja...ich doch auch! Und ich habe es selber mal erlebt, als ich noch ein Mensch war."
Ich sah sie ernst an. "Hattes du..."
"Ja, hatte ich", entgegnete sie schnell und seufzte. Sie sah sehr nachdenklich aus. "Ich hatte einen Freund und zusammen bekamen wir ein Kind."
Ich starrte sie an. "Du hast ein Kind? Du bist Mutter?"
"Besser gesagt, ich war es, ja. Ich habe einen Sohn."
Ich konnte es kaum glauben! Norami war Mutter! Sie hatte ein Kind! Oh mein Gott! Das war total komisch auf einmal. Ich sah meine beste Freundin, die kaum älter war als ich, nun mit ganz anderen Augen. Sie hatte mehr in ihrem menschlichen Leben erreicht als ich es je erleben werde.
"Warum hast du mir nie davon erzählt?", wollte ich wissen.
Norami sah immer noch ins Leere. Ihre Hände verknoteten sich immer wieder. Sie schien sehr nervös zu sein, als sie mir dies erzählte.
"Ich weiß auch nicht", murmelte sie vor sich hin. "Ich wusste nicht wie!"
Ich begann mich in ihre Lage zu versetzen. Norami war doch 16 oder 17 Jahre alt, als sie verwandelt wurde. Davor muss es ja passiert sein! Sie hat mit 16 Jahren schon ein Kind geboren! Mir wäre so etwas nie passiert! Das war für mich einfach undenkbar.
"Das stimmt, ich war gerade einmal 17 als ich zum Vampir wurde", erzählte Norami mir dann. "Davor hatte ich einen Freund. John hieß er, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe ihn sehr geliebt und er mich auch. Eines Tages geschieh es dann und ich wurde schwanger. Wir wollten das Kind unbedingt bekommen. Fast direkt nach der Geburt wurde ich verwandelt. Ich hatte keine andere Wahl als meinen Freund und meinen Sohn einfach so verlassen und mich zu einem sicheren Ort begeben. Ich konnte doch nicht bleiben! Das zerbrach mein Herz ein tausend einzelne Stücke!"
Ich sah wie Norami eine Träne kam. Noch heute beschäftigt sie dieses Ereignis, was ich auch total nachvollziehen kann. Ich wüsste nicht was ich in dieser Situation gemacht hätte. Sie tat mir so leid.
"Oh, Norami!", sagte ich ergriffen und berührte ihre Hand, die auf dem Bett lag. "Das habe ich nicht gewusst. Das tut mir so leid." Ich seufzte.
Norami schluchste weiter. "Ich war so traurig, als ich von meinem zu Hause weg musste", sagte sie dann. Sie hatte fast angefangen zu weinen. "Ich liebte es am Strand zu leben und jeden Tag die Wellen, das Wasser, unter meinen Füßen zu spüren. Es war so ein magischer Ort! Malibu beach ist so schön! Warst du jemals dort, Alex?"
Einen Moment lang setzte mein Atem aus. Malibu beach? Da habe ich doch auch gelebt! Einen John kenne ich dort auch! Das kann doch kein Zufall sein?!
"Ich habe auch dort gelebt", erzählte ich Norami dann.
Sie sah mich wie von allen Geistern verlassen an. "Was? Wirklich?"
Wir beide konnten kaum glauben, was hier gerade passierte. Wir haben am selben Ort gelebt bevor wir Vampire wurden?
"Ich kenne auch einen John!", fügte ich hinzu. Sein Sohn ist mein bester Freund dort gewesen. Ich vermisse ihn sehr. Sein Name ist Luca."
Da hatte ich ins schwarze getroffen. Noramis Tränen liefen wie ein Wasserfall ihr Gesicht herunter. Sofort schloss ich sie in meine Arme. "Luca", hörte ich sie leise vor sich hin wimmern. "Mein kleiner Luca..."
Luca, mein bester Freund, war wirklich ihr Sohn. Seine leibliche Mutter war ein Vampir und nun hier mit mir auf der Akademie als meine beste Freundin. Ich konnte das kaum glauben! Ich habe immer gedacht, dass Lucas Mutter auch seine leibliche wäre, aber da lag ich falsch. Norami war seine leichliche Mutter.
"Ich kenne seine ganze Familie", sagte ich dann und versuchte Norami etwas aufzuheitern. "John hat eine neue nette Frau gefunden."
Norami regte sich nicht, also erzählte ich weiter: "Ihr Name ist Mina. Zusammen haben sie Luca wirklich super groß gezogen. 3 Jahre später haben sie noch eine Tochter namens Zoey bekommen. Sie ist wirklich sehr nett. Luca und John geht es richtig gut mit den beiden."
Norami schluchste. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich sie verlassen musste. Was würde ich nur dafür geben um sie wieder zu sehen? Ich vermisse sie so sehr! Ich kann mich gar nicht mehr so genau an John erinnern. Ich kann mir vorstellen, dass er ein toller Vater für seine Kinder ist. Luca habe ich ja nur als Baby in Erinnerung. Ich würde ihn gerne jetzt einmal sehen. Er ist bestimmt zu einem gutaussehenden jungen Mann herangewachsen."
Ich nickte gedankenversunken. "Das ist er. Er ist wirklich ein toller Kerl und ein guter Freund für mich. Wir haben uns auch mal unsere Liebe gestanden, aber wir begriffen, dass das nicht funktionierte. Wir blieben einfach Freunde."
"Wirklich?", fragte Norami und sah mich an. Sie lächelte.
"Ja, Luca und ich sind die besten Freunde überhaupt. Ich hätte heulen können, als ich ihn und meine beste Freundin verlassen musste."
In meinem Kopf lief plötzlich ein Film ab. Ich erinnerte mich an alle schönen Zeiten, die ich mit Luca hatte. Wir kannten uns seid der Grunschule und verstanden uns sofort richtig gut. Wir waren immer in einer Klasse und machten sehr viel zusammen. Man hätte uns auch für ein Paar halten können, doch das waren wir nicht. Wir waren einfach nur beste Freunde.
"Ich bin so froh, dass du ihn kennst", lächelte Norami mich an. Nur noch ein paar Tränchen schmückten ihr Gesicht. Sie hörte fast schon ganz auf. "Ich bin so froh, dass er tolle Freunde hat, die ihn lieben."
Ich nickte. "Ja, das hat er."
Norami fiel mir unerwartet um den Hals. "Ich weiß, dass du das alles nicht wusstest, doch trotzdem möchte ich mich bei dir bedanken. Du warst immer für meinen Sohn da und dafür werde ich dir ewig dankbar sein."
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich kam mir etwas überrumpelt vor. Jedoch war ich froh, dass Norami das so sah und erwiederte ihre Umarmung. Ich war auch froh, dass sie so eine Freundin für mich für die letzten Monate gewesen war.

Das dunkle GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt