Kapitel 11

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Wahrheiten

Das Kleid, das er mir zeigte, war unglaublich. Mit feinen Stickereien waren kleine Edelsteine und Blumen auf den hellblauen Stoff genäht worden, wodurch es bei Lichteinfall zu leuchten schien.

"Du meintest es wohl ernst als du sagtest ich werde alle anderen überstrahlen."

"Natürlich, ich halte mein Wort, auch wenn dieser Zwerg behauptet ich könnte es nicht."

Ich löste meinen Blick von dem Kleid und sah ihn an.
Ich konnte deutlich sehen, dass Thorin damit seinen Stolz verletzt hatte.

"Sei ihm nicht böse, er ist wütend, weil du ihm nicht geholfen hast, das ist alles. Er  kann die einfache Wahrheit nicht akzeptieren, dass ihm niemand hätte helfen können. Zu diesem Zeitpunkt zumindest nicht. Ebenso wie ich es nicht akzeptieren konnte. Doch jetzt kann ich es tun. Jetzt kann ich Smaug schlagen ohne andere in Gefahr zu bringen."
Ich hatte begriffen, dass ich damals nicht eingreifen konnte. Ich war zu schwach, jetzt aber hatte ich die Kraft mich diesem Monster von einem Bruder entgegen zu stellen.

"Was soll das heißen? Du kannst dich ihm doch nicht allein entgegenstellen, das lasse ich nicht zu und das weißt du ganz genau."

"Die Wahrheit ist, ich habe dir noch nicht alles erzählt. Es gibt einiges über mich, dass ich bis vor kurzem selbst noch nicht wusste." Ich atmete schwer ein. Ich wusste, dass ich es ihm irgendwann erzählen musste, auch wenn es mir widerstrebte. Tief in meinem Inneren spürte ich die Angst vor seiner Reaktion. Noch einmal versuchte ich mich zu beruhigen und fing dann an zu erzählen.

"Ich bin nicht die einfache Waldelbe für die ich mich immer gehalten habe.
Ich hatte ein Leben davor. Bevor ich hier her kam lebte ich an vielen anderen Orten. Mit vielen anderen Völkern. Gandalf erzählte es mir in Bruchtal vor einigen Wochen." Erwartend blickte Thranduil mich an. Sein Schweigen machte mich nervös, dennoch sprach die langsam weiter.
"Wie du weißt ist Mithrandir ein Diener Irmos."
Er nickte.
"Nun, Irmo gab mich in Gandalfs Obhut, als ich noch sehr jung war. Er ist mein Vater und Estë meine Mutter."
Er war verwirrt, das sah ich ihm an und ich konnte auch Unglauben in seinem Blick erkennen.

"Wieso gab er dich weg, wenn du doch sein Fleisch und Blut bist?”, stellte er schließlich die Frage, die auch mich noch immer beschäftigte.

"Ich bin anders, meine Unsterblichkeit ist eine andere. Wenn ich sterbe werde ich wiedergeboren. Vielleicht in einem anderen Volk, vielleicht auch im gleichen Volk wie zuvor, doch mein Leben beginnt von neuem und ich kann mich nicht an das Vorherige erinnern. Mein Vater hatte Angst, das hat zumindest Gandalf gesagt. Er wollte mich beschützen und gab mich weg." Ich endete meine Geschichte und sah ihn unsicher an.

"Das ist alles so unglaublich. Ich kenne dich schon so lange und das soll die Wahrheit über deine Herkunft sein?"
Thranduils Worte versetzten meinem Herzen einen Stich. Natürlich konnte ich nicht erwarten, dass er all das einfach so glauben würde, doch hatte ich gehofft, er würde es trotzdem tun. 

"Ich will es dir beweisen. Auch wenn ich noch nicht genau weiß wie es funktioniert. Ich hoffe du kannst mir dann glauben."
Ich hatte es noch nie wirklich kontrolliert getan. Meist geschah es aus einem Gefühl heraus, aber ich versuchte es trotzdem.
Ich nahm die nun wieder lindgrün leuchtende Perle an meiner Kette in die Hand und dachte fest an meinen Wunsch ein Mensch zu werden.

Zunächst geschah gar nichts und ich ließ die Kette enttäuscht sinken. Kein Kribbeln in meiner Brust und auch sonst spürte ich keine Veränderung. Traurig blickte ich zu Thranduil.

"Es scheint nicht zu funktionieren. Es tut mir Leid." Ich wartete, da er mich nur mit weit geöffneten Augen anstarrte.

"Was ist los?” Ich sah an mir herunter und entdeckte die rote Perle an meinem Hals. Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare und entdeckte, dass sie wesentlich kürzer und vor allem blond geworden waren. Ich sah wieder zu Thranduil der sich immer noch nicht wieder gefasst hatte.

Dragon's EndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt