18. Licht der Bücher

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Am nächsten Morgen wachte Jack mit einem unangenehmen Ziehen im Nacken auf. Er schlug die Augen auf und erinnerte sich. Gestern Nacht hatte er Elsa zurück in ihr Zimmer gebracht. Doch als er sie ablegen wollte, hatte sie sich in seine Kleider geklammert und im Schlaf gewimmert. Also hatte er sich neben sie gesetzt, den Rücken an ihr Bettgestell gelehnt. Offenbar war er dabei eingeschlafen. Vorsichtig richtete er sich auf. Elsa lag zusammengerollt neben ihm, einen Arm über ihn gelegt wie bei einem Teddy. Ihr Atem ging ruhig und ihr sonst so gezähmtes Haar lag nun zerzaust und unordentlich auf dem Kissen. Jack lächelte.

Behutsam berührte er sie an der Schulter, um sie aufzuwecken. Beinahe sofort schreckte sie hoch. Ihre Augen wanderten unruhig durchs Zimmer und ihr Atem ging rasch. «Hey, Els... ich bin es», murmelte Jack und blieb ruhig sitzen, damit sie sich nicht noch mehr erschreckte. Sie drehte den Kopf und sah ihn an. «Jack?», nuschelte sie verschlafen und fixierte ihn. Jack nickte. «Genau. Jack.» Langsam wurde sie etwas wacher und streckte sich. «Warum bist du in meinem Bett?», fragte sie unter gähnen. «Du wolltest mich gestern nicht loslassen. Eigentlich wollte ich nur solange bleiben, bis du tief genug schläfst. Aber dann bin ich wohl selbst eingeschlafen.» Elsa wurde rot. «Ich habe dich... nicht losgelassen?» «Nein.» Verlegen drehte sie den Kopf weg. Jack beschloss, sie nicht in noch grössere Verlegenheit zu stürzen, indem er darauf einging. «Was hältst du von Frühstück?», fragte er. Elsa nickte, eindeutig froh, dass Jack dieses Thema fallen liess. «Geh du bitte vor, ich komme gleich.»

Gemeinsam sassen sie am Tisch im Speisesaal. Wofür er allerdings existierte, wusste Jack selbst nicht. Die Sneedronningen ass immer allein in ihrem Flügel des Schlosses und gesellschaftliche Anlässe wurden ebenfalls nicht veranstaltet. Doch er wollte sich nicht beklagen. Solange die Sneedronningen nicht auftauchte, konnte man beinahe vergessen, wo sie waren. Gedankenverloren nippte er an seinem Kakao. Elsa griff nach dem Krug mit der süssen Leckerei und goss sich selbst ebenfalls einen Becher ein. Sie trank einen Schluck und seufzte glücklich. Jack genoss noch einen Moment die Ruhe des anbrechenden Morgens, bevor er sich räusperte. «Els?» «Hm?» «Was hältst du davon, wenn wir heute Vormittag die Bibliothek besuchen? Vielleicht finden wir etwas, dass uns weiterhilft. Und am Nachmittag könnten wir an deinen Fähigkeiten arbeiten.» Elsa lächelte. «Du hilfst mir wirklich?» Jack erwiderte das Lächeln. «Natürlich. Ich habe es dir doch versprochen.»

Sie wanderten inzwischen eine gefühlte Ewigkeit durch die Reihen auf der Suche nach hilfreicher Lektüre. Da Jack nur wenig lesen konnte, war er keine so grosse Hilfe. Elsa hatte das bald bemerkt, wusste allerdings seinen Versuch zu schätzen. Gerade flog Jack etwas höher, um die vergilbten Papierkärtchen zu entziffern, die an den oberen Regalbrettern befestigt waren. «Hier!», rief er, griff nach einem besonders dicken Buch und flog damit zurück zu Elsa, die, mit einem ganzen Bücherstapel bewaffnet, in einer Fensternische sass und die Inhaltsverzeichnisse überflog. Frustriert strich sie sich durch die Haare. Bis jetzt hatten sie nichts über einen Eiszauber gefunden. Als Jack vor ihr landete, hob sie den Kopf. «Du hast etwas?» «Ich glaube schon aber...» in diesem Moment wurde die Tür aufgestossen und die Sneedronningen rauschte in den Saal.

Erst bemerkte sie die beiden nicht, die erstarrt auf ihren Plätzen verharrten. «Was macht ihr denn hier?», fragte sie, wobei ein eisiger Wind durch ihre Haare fuhr. «Elsa würde gerne etwas lesen und da sie nicht an die oberen Regale heranreicht, bat sie mich mitzukommen», log Jack, ohne mit der Wimper zu zucken. «Und warum ist sie mit ihrer Auswahl noch nicht zurück in ihrem Zimmer?», fragte die Sneedronningen weiter und funkelte das Mädchen böse an. Jack wusste, dass sie nicht damit zufrieden war, wie langsam sich Elsas Fähigkeiten inzwischen entwickelten. Anfangs hatte sie einen enormen Schub erlebt, nun jedoch schien die Entwicklung beinahe still zu stehen. Elsa senkte den Blick. «Mir war nicht klar, dass es nicht erwünscht ist, in diesem Raum zu lesen», murmelte sie und griff nach einigen Büchern. «Ich werde ihn sofort verlassen. Jack, hilfst du mir bitte?» Die Sneedronningen nickte, zufrieden mit der Antwort, und wedelte ungeduldig mit der Hand. «Verschwindet endlich!», befahl sie. Jack hob rasch die übrigen Bücher auf und folgte Elsa aus dem Raum. Er merkte nicht, wie misstrauisch die Sneedronning die beiden beobachtete, als sie langsam verschwanden. Doch plötzlich rief sie die beiden zurück.

«Halt!» Beide blieben stehen. Die Sneedronning rauschte zu ihnen und griff nach dem Band, den Jack erst gerade entdeckt hatte. «Dieses Buch darf Elsa noch nicht lesen. Ausserdem wünsche ich nicht, dass es diesen Raum verlässt.» Jack schloss die Augen. Nun war er sich ganz sicher, dass dieser Band Antworten bereithielte, wenn sie es denn lesen könnten. Ergeben nickte er. «Entschuldigt, dass wusste ich nicht.» Doch die Sneedronning war nur grummelnd davon gegangen, das Buch unter den Arm geklemmt.

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Hallo meine lieben Iceflakes
Mit diesem Kapitel haben wir knapp die Hälfte unserer Geschichte erreicht, wobei mir auffällt, dass wir Jack und Elsa nun seit einem knappen Jahr auf ihrer Reise begleiten🤔. Doch kommen wir zur Frage, die ich euch jedes Mal vor die gefrorenen Gesichter haue:

Was denkt ihr, könnte in dem Buch stehen, das die Sneedronningen wieder mitgenommen hat?

Und wie würdet ihr einen Eissfluch brechen?

Alles liebe, gute Nacht und bleibt frostig
Moon

SchneezauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt