26. Moos und Stein

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Genervt fuhr Jack sich durch die Haare. Sie suchten nun schon seit gut zwei Tagen nach Informationen über die Trolle. Selbst über das so kleinste Fitzelchen wäre Jack froh. Doch bis jetzt war es erfolglos. Dass er nicht lesen konnte und nur Sophya durch die Regale streifen konnte, machte die Suche auch nicht effektiver. Er war nur dazu da, die Bücher, an die sie nicht herankam für sie herunterzuholen.

Gerade winkte sie ihm aufgeregt zu. Mit einem resignierten Seufzen lief er zu ihr. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und deutete auf ein dickes grün eingebundenes Buch, das ganz oben im Regal steckte. «Du möchtest dieses Buch?», vergewisserte sich Jack. Eifrig nickte Sophya. ^Ich habe ein Zeichen auf dem Buchrücken erkennen können. Es ähnelt einer Zeichnung auf einem Buch im Schloss von Elsas Eltern. Vielleicht ist es ein ähnliches.^ Fragend sah Jack sie an. «Und... was wäre daran so gut?» Genervt sah Sophya ihn ^Was suchen wir hier? Na?^ Jacks Augen weiteten sich. «Du meinst... in diesem Buch... könnten die Antworten sein, die wir brauchen?» Ungeduldig nickte Sophya.

Mit neuer Hoffnung schwebte er nach oben und zog an dem Buch. Erst klemmte es, doch als er etwas fester zog, konnte er es aus dem Regal befreien. Langsam schwebte er hinunter zu Sophya. Diese nahm das Buch in Empfang und blätterte rasch durch die Seiten. Schliesslich grinste sie triumphierend und deutete auf eine Karte, die das Königreich Arendelle und die Umgebung zeigte. Sie umkreiste eine Stelle, die, so wie es aussah, mit Steinzeichnungen umgeben war. «Sie leben dort?» Sophya nickte. ^Aber sei vorsichtig, dort gibt es Geysire.^

Jack lächelte. «Geysire sind kein Problem für mich.» Er nickte mit dem Kopf. «Danke» Sophya erwiderte die Geste und machte eine scheuchende Handbewegung. «Ist ja schon gut, bin schon weg», lachte Jack und flitzte davon.

Kaum draussen vor den Schlosstoren, erhob er sich in die Lüfte. Er hatte sich die Karte genau eingeprägt und flog nun anhand der Umgebung. Darauf hoffend, dass sich die Landschaft seit der Anfertigung der Karte nicht zu sehr verändert hatte, achtete er auf jedes noch so kleine Detail. Bei einem grossen Findling schwebte er etwas hinunter. Er stand etwas abseits, beinahe schien es, als ob er jeden Moment den Hang hinunterkullern könnte, auf dem er sich befand. Überhaupt hatte die Gegend, in die die Karte ihn geführt hatte, eher Ähnlichkeit wie eine blubbernde Suppe als die steilen glatten Hänge beim Palast seiner Herrin. Überall erhoben sich kleine und grössere Hügel und machten es schier unmöglich weit über die Gegend zu blicken.

Jack sah sich um. Wo war der Steinkreis, der dicht bewachsen war mit Efeu und Farnen? Denn so hatte seine Mutter ihm diesen Ort beschrieben. Angeblich war sie selbst als kleines Kind einmal hier gewesen, als sie sich verlaufen hatte. Allerdings konnte sie sich nicht mehr an den Weg erinnern, weshalb Jack auf Sophya angewiesen gewesen war. Da er eher weiter oben den Blick schweifen liess, achtete er nicht auf seine Füsse und stolperte über einen kniehohen runden Stein. Jack stolperte und konnte sich gerade noch auffangen. Der Stein indessen fing an zu zittern und ein empörtes «HEY!», war zu hören. Jack schaute verwirrt um sich. Wer sprach da?

Gerade als er sich dachte, dass es vermutlich nur der Wind gewesen war, der durch die Steine pfiff, erhob sich der kugelrunde Stein. Auch die anderen Steine, die er erst jetzt bemerkte und in denen er stand, begannen zu zittern und richteten sich auf. Die Steintrolle. Er hatte sie gefunden.

«Entschuldige», murmelte Jack und schaute zu dem Troll, der mit verärgerter Miene vor ihm stand. «Du schreist ja gar nicht und jammerst, dass du deinen Verstand verloren hast», bemerkte der Troll und betrachtete Jack von oben bis unten. «Ich... ich war auf der Suche nach euch», murmelte Jack schüchtern. «Du... du wusstest, dass es uns gibt?», fragte der Troll überrascht. Jack nickte. «Meine Mutter hat es mir erzählt. Sie hatte sich als kleines Mädchen verlaufen und ihr habt ihr den Weg zurückgezeigt.»

«Das muss Ragnhild gewesen sein, nicht wahr?», fragte ein etwas grösserer Troll, der einen grasähnlichen Umhang trug und nun langsam näherkam. «Ja», antwortete Jack schlicht. «Aber wie ist das möglich? Ragnhild war vor über hundert Jahren hier. Wie kannst du ihr Sohn sein?» Jack seufzte. «Ich starb vor ungefähr hundert Jahren und wachte als... naja, so wie ich jetzt bin wieder auf.» Die Augen des Trolls weiteten sich. «Du bist der Junge, den die Menschen Jack Frost, den Wintergeist nennen, ist es nicht so?» Jack zuckte die Schultern. «Ich weiss nicht, wie die Menschen mich nennen. Ich weiss nur, dass die Sneedronningen mir den Namen 'Frost' gab.»

Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen herob sich ein unruhiges Murmeln unter den Steintrollen. Die kleinen huschten ängstlich hinter die älteren und schauten schüchtern zu ihm. Die Miene des Steintrolles verfinsterte sich. «Wenn du mit der Sneednonningen etwas zu tun hast, weshalb bist du dann hier?» Jack sah zu Boden.

«Ich... ich habe einen riesigen Fehler gemacht...», er brach ab. «Was für einen Fehler?», fragte der Troll ruhig nach. Es schien, als hätte Jacks Reue ihn beruhigt, als wäre er deswegen keine Gefahr. «Meine Herrin... sie gab mir die Fähigkeit wie sie den Winter zu beeinflussen oder besser gesagt den Schnee und das Eis.» Jack zögerte kurz, dann erzählte er weiter. «Sie wollte, dass ich Scherben einer Schneeflocke zu Kindern bringe. Sie versicherte mir, dass es nicht gefährlich sei.» Der Troll schnaubte nur. «Natürlich hat sie das. Sie ist gerissen, sie wusste, dass du ihr ansonsten nicht helfen würdest. Du hast ein reines Herz Jack.»

«Woher willst du das wissen?», fragte Jack. «Du zeigst Reue», antwortete der Troll schlicht. Jack holte tief Luft. «Deswegen bin ich gekommen. Ich habe ein Mädchen mit dieser Scherbe in Kontakt gebracht und... sie scheinbar verflucht.» Jack schaute beschämt zu Boden und nickte. «Sie wird immer mehr wie meine Herrin. Kalt und gefühllos. Sie hatte Angst, so zu werden. Ich möchte... ich möchte ihr helfen. Ich weiss nur nicht wie, was ich tun kann. Meine Mutter hatte mir damals, als ich ein kleiner Junge war, erzählt, dass die Steintrolle helfen können, wenn man keinen Rat mehr weiss.» Der Troll nickte. «Das stimmt. Da wir sehr alt werden und unser Wissen weitergeben, kennen wir Dinge und Geschichten, die euch Menschen verloren gingen. Erzähl mir mehr über das Mädchen», forderte er Jack auf.

«Elsa ist sanftmütig, hat ein freundliches Wesen und...» Jack brach ab und schaute in den Himmel. «... und sie ist dir wichtig, nicht wahr?», fragte der Troll leise. «Ja», murmelte Jack.

«Nun Jack, ich verrate dir etwas. Die Magie der Sneedronningen basiert auf ihrer Vergangenheit. Sie wurde, was sie heute ist, weil ihr Dorf und ihr Vater sie den Wintergeistern übergaben, um sie zu besänftigen. Dies erfüllte sie mit Wut, Hass und Trauer. Deswegen Jack, deswegen ist ihre Magie so gefährlich. Sie verändert die Menschen, sofern sie lebendig sind, sobald sie damit in Berührung kommen.» «Was nutzt mir dieses Wissen?», fragte Jack. Der Troll schaute ihn tadelnd an.

«Dazu komme ich jetzt. Deine Herrin hatte das Gefühl, dass sie von ihrem Dorf, ihrer Familie und der ganzen Welt verstossen wurde. Sie kennt ein Gefühl nicht mehr und das ist Zuneigung. Deswegen gibt es nur einen Weg, den Fluch zu brechen. Für die Sneedronningen mag es zu spät sein, denn für sie hegt niemand mehr positive Gefühle. Dazu hat sie zu vielen Menschen mit ihrer Magie geschadet. Doch bei Elsa liegt der Fall anders.»

«Weshalb?», fragte Jack und schaute den Troll an. Seine Miene wurde weich. «Sie hat dich, Jack. Du magst sie... nicht wahr?» «Ja, mehr als alles andere, seit meine Familie tot ist.» Der Troll lächelte. «Du liebst sie ist es nicht so?» Jack schlug die Augen nieder, nickte aber. «Nun Jack... dann weisst du, wie du Elsa von dem Fluch befreien kannst.» «Die Antwort ist... Liebe?», fragte Jack ungläubig. «Ja Liebe Jack, reine unverfälschte Liebe.» Mit diesem Satz rollten sich die Trolle wieder zusammen und verschwanden im aufziehenden Nebel.

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