Die Tage waren schnell vergangen und heute war schon Freitagabend, dabei saß ich gelangweilt an meiner Fensterecke und blickte nach draußen. Meine Augen wanderten mal wieder zu Liam's Fenster und ich fragte mich, ob es sein Zimmer war, denn er war sehr oft in diesem Raum. Aber auch interessierte es mich, ob er alleine in diesem Haus lebte, denn ich hatte noch nie jemand anderen aus der Tür rausgehen sehen.
Plötzlich konnte ich Liam am Fenster erblicken wie er sich anlehnte und mich nach wenigen Sekunden entdeckte. Er ging nicht weg, sondern blieb einfach an derselben Stelle stehen und beobachtete mich, weshalb ich ebenfalls nicht wegschauen konnte. Gedankenverloren lehnte er auch nun seinen Kopf gegen die Wand und starrte mich einfach nur an. Für jemand anderen wäre das jetzt extrem komisch, aber irgendwie wollte ich nicht das es aufhörte. Ich wünschte nur ich könnte aus seinen Augen etwas ablesen, aber sie ließen mich nicht hindurchschauen, als ob er eine Mauer aufgebaut hätte und jeden somit von sich schütze.
Es war eine Maske.
Alles was er den Menschen ausstrahlte und sich nicht kümmerte wie sie von ihm dachten oder wie sie hinter seinem Rücken von ihm redeten, dass alles interessierte ihn nicht, aber innerlich verletzte es ihn vielleicht doch. Ich war mir sicher das die Menschen nichts gutes über ihn erzählten und vor Angst von ihm schon wegliefen, aber er machte auch nichts dagegen und ich verstand nicht wieso. Irgendwie wollte ich nicht daran glauben, dass er ein schlechter Mensch war, aber er ließ mich auch nicht an sich ran.
Es vergingen Stunden und die Uhr zeigte genau auf 00:00 Uhr, wobei ich kurz meine Augen schloss und meine Tränen zurück hielt, denn heute war ein Tag, der eine große Bedeutung für mich hatte. Als ich meine Augen wieder aufmachte, verließ ich mein Zimmer und ging leise die Treppen nach unten, da alle am schlafen waren. In der Küche war ein Balkon, der in den Garten führte, weshalb ich leise die Tür öffnete und Barfuß nach draußen ging. Alleine setzte ich mich einfach in die Wiese und starrte hoch in den Himmel, wobei ich lächeln musste, doch dann verlor ich einzelne Tränen bis ich leise zum weinen begann und mein Gesicht in den Händen vergrub.
Ich merkte wie sich jemand neben mich setzte, weshalb ich verwirrt den Kopf hob und noch verwirrter wurde als ich Liam neben mir sitzen sah. Für ein paar Sekunden blickte er in mein verheultes Gesicht, doch drehte sich wieder weg und senkte seinen Kopf. Da er nichts sagte, blieb ich auch einfach still und wischte mir die Tränen weg, dabei blickte ich wieder zu den Sternen und alte Erinnerungen kamen zurück. Erneut legte sich ein trauriges Lächeln an meine Lippen und ich begann einfach zu reden, auch wenn ich ihn nicht kannte, vertraute ich ihm in dem Moment.
"Heute hätte mein Vater Geburtstag", sprach ich und lächelte weiterhin, dabei nahm ich meine Augen nicht vom Himmel.
"Er liebte es Nachts die Sterne zu beobachten und darum liebe ich es auch so sehr. An jedem seinem Geburtstag hatten wir uns in die Wiese gelegt und die Sterne am Himmel beobachtet. Auch wenn wir in dem Moment nicht geredet hatten, war es einfach so schön mit ihm zu sein. Ich vermisse ihn so unglaublich sehr", erzählte ich und das letzte hatte ich so leise gesagt, dass es nur ich hörte.
Langsam bemerkte ich wie sich Liam neben mir bewegte, weswegen ich mich zu ihm umdrehte und zuerst nicht glauben konnte, was er da gerade machte. Er hatte sich einfach auf den Rücken gelegt und starrte zum Himmel hoch, wobei ich eine Träne verlor, aber mich ebenfalls lächelnd neben ihm legte. Zusammen lagen wir still in der Wiese und beobachteten die Sterne. Es war gerade ein so schönes Gefühl, was ich nicht in Worte beschreiben könnte, denn noch nie hatte jemand für mich sowas gemacht und von ihm hätte ich es niemals erwartet, doch das blendete ich aus und schloss meine Augen, um den Moment zu leben.
Vorsichtig machte ich die Augen wieder auf und blinzelte einige male bis ich sie ganz auf bekam. Verwirrt sah ich mich um und richtete mich auf, denn ich lag in meinem Bett, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich auf mein Zimmer gegangen war. Ich konnte mich nicht einmal erinnern, dass ich mich von Liam verabschiedet hatte oder so. Das einzige, was ich noch wusste, war, dass wir uns in die Wiese gelegt hatten und wahrscheinlich war ich da eingeschlafen.
Ich schlug mir mit der Hand an die Stirn und ließ mich wieder ins Bett fallen, dabei vergrub ich meinen Kopf unters Kissen, da es mir leicht peinlich war. Wahrscheinlich hatte er mich ins Haus rein getragen und ich war wirklich froh das die anderen nichts mitbekommen hatten, denn sonst hätten weder ich noch Liam es erklären können.
"Cousinchen!", schrie ein gewisser Lockenkopf, dessen Schritte ich hörte.
"Lass mich", murmelte ich ins Kissen und versteckte mich so gut es ging.
"Komm schon, mir ist langweilig", meinte er und ich merkte wie er sich auf die andere Bettseite legte.
Ich hob kurz mein Kissen und blickte ihn an, wobei er mich genauso ansah und die Augenbraue hob, jedoch drückte ich mein Kissen wieder ans Gesicht und wollte das er ging.
"Aria", sprach er und piekste mir in die Seite, weshalb ich blind seine Hand wegschlug.
"Komm schon", versuchte er und machte es wieder, wobei ich meinen Kissen in sein Gesicht warf.
"Hey!", beschwerte er sich und ich streckte ihm nur die Zunge raus.
"Zicke", beleidigte er mich grinsend und ich sah ihn ungläubig an.
"Arsch", murmelte ich und stand vom Bett auf, dabei stellte ich mich vors Fenster und blickte zum Nachbarhaus, wo ich kein Liam entdecken konnte.
Genau als ich vom Fenster weggehen wollte, riss ich die Augen auf als von Liam's Fenster ein Stuhl raus geworfen wurde und es somit in tausend Stücke zerbrach. Noch immer starrte ich zum Fenster, wo sich nun ein wütender Liam hinstellte und seine Hände abstützte, wo die ganzen Glasscherben waren, jedoch interessierte es ihn kein bisschen. Als ob er meinen Blick spüren würde, richtete er seine Augen auf mich, doch dann verschwand er sofort bis er schließlich seine Haustür zuknallte und ich noch sehen konnte, wie er sich vor die Tür setzte.
"Was war das?", fragte Jack, dabei sah ich ihn erschrocken an und als er meinen Blick sah, stand er sofort vom Bett auf und schaute nach draußen.
"Ach du scheiße", hörte ich ihn sagen.
Lange blieb ich nicht mehr stehen und ging eilig ins Badezimmer und suchte in den Schränken nach einen Erste Hilfe Koffer, den ich auch letztendlich fand. Ich machte ihn auf und nahm mir Desinfektionsmittel, Watte und Verbände mit. Als ich alles hatte, was ich brauchte, verließ ich das Haus und ohne zu überlegen, näherte mich zu Liam, der noch immer vor seiner Tür saß und dabei ins Leere sah, sodass er mich gar nicht bemerkte.
Vorsichtig kniete ich mich vor ihn und blickte ihn zuerst stumm an, da ich nicht verstehen konnte, was er hatte, aber irgendwas sagte mir das ich genau jetzt bei ihm sein musste wie er für mich da war. Langsam fasste ich seine Hände an, wobei er erschrocken zusammenzuckte und mir in die Augen starrte. Aus Reflex hatte er seine Hände weg gezogen und sie zu Fäusten geballt, doch mich erschreckte es nicht, weshalb ich weiterhin vor ihm blieb und ihn ruhig ansah.
"Bitte", flüsterte ich und deutete auf seine Hände.
Er schien nachzudenken, doch am Ende ließ er es zu, weswegen ich seine Hände wieder berührte und sie aufmachte, um die Wunde anzusehen. Die ganze Zeit brennte sein intensiver Blick auf mir, jedoch ignorierte ich es so gut es ging und konzentrierte mich nur auf seine Verletzung, wo zum Glück keine Scherben in seiner Haut steckten.
Zuerst säuberte ich es gründlich und eigentlich müsste es zum brennen anfangen, wobei ich kurz den Kopf hob, umzusehen, ob es ihm weh tat, jedoch sah er mich nur ausdruckslos an, weshalb ich den Kopf senkte und mich beeilte. Als auch der Verband, um beiden Händen gewickelt war, stand ich einfach auf und wollte gehen, doch seine Stimme brachte mich zum stehen.
"Danke", kam es von ihm und ein kleines Lächeln legte sich an meine Lippen.
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Die Augen
Mystery / ThrillerAria Evans ist ein Mädchen, die ein normales Leben führt, doch als sie mit ihrer Oma auszieht und in eine neue Schule geht, verändert sich ihr Leben. Aus unerklärlichen Gründen schafft sie es jegliche Gefahr auf sich selbst zuziehen, aber jetzt sorg...