Kapitel 47

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Mit aufgerissenen Augen starrte ich vor mich hin und einige Tränen liefen über meine Wange. Mein Kopf war wie stillgestanden und ich konnte nicht fassen, was mir Levin erzählt hatte. Automatisch krallte ich meine Hände in die Bettdecke und schloss die Augen. Nie hatte ich genau gewusst, was in dieser Nacht passiert war. Jetzt lag alles vor mir. Alles. Die ganze Nacht. Leise begann ich zu weinen und das mit dem Wissen, das Levin weiterhin neben mir saß. Ich konnte es einfach nicht länger in mir gefangen halten, weswegen ich es rausließ.

"Es tut mir Leid", hörte ich ihn sagen, jedoch reagierte ich nicht darauf.

Die Wahrheit tat so weh. Es war schmerzhaft und als ob mein Herz in Stücke gerissen wäre, begann es zu bluten und hörte nicht mehr auf. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und schämte mich dafür, was ich Liam gesagt hatte. Er war unschuldig. Vielleicht war er in dieser Nacht dort gewesen und er war auch derjenige, den ich gesehen hatte, jedoch hatte er meinem Vater nichts angetan. Diese Erkenntnis ließ mich schlecht fühlen und ich hasste mich selbst dafür, dass ich ihn als einen Mörder bezeichnet hatte.

Bei diesem Wort verengte ich meine Augen und nahm vorsichtig meine Hände vom Gesicht. Sie wurden automatisch zu Fäusten und eine unangenehme Gänsehaut entstand an meinem Körper. Ace. Er hatte es getan. Dieser herzloser Mensch hatte mir meinen Vater weggenommen. Mein Puls beschleunigte sich und ich entriss alle Kabel von meinem Körper, worauf Levin erschrocken von seinem Stuhl aufstand. Sofort versuchte er mich davon abzuhalten, jedoch schrie ich ihn an, sodass er verzweifelt wurde. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht bei den schnellen Bewegungen, aber trotzdem versuchte ich aufzustehen. Direkt musste ich mich am Bett abstützen, dabei versuchte Levin mich irgendwie zuhalten, aber ich zog immer wieder meinen Arm von ihm weg.

"Aria, was machst du?!", fragte er fassungslos.

"Lass mich!", schrie ich verzweifelt und wollte weitere Schritte auf die Zimmertür gehen, die im selben Moment aufging und ich plötzlich das Gleichgewicht verlor.

"Aria?!", hörte ich die erschrockene Stimme von Daniel und ich spürte zwei starke Arme, die mich aufgefangen hatten.

"Ich hole eine Krankenschwester", sagte Levin und ich konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören.

Auf einmal wurde ich hochgehoben und auf das Bett gelegt. Ich entriss mich von Daniel's Griff und wollte erneut aufstehen, aber er ließ es nicht zu. Am Ende ließ ich mich kraftlos ins Bett fallen und begann zu weinen. Mein ganzer Körper schmerzte und es war unerträglich, doch das schlimmere war in mir, denn ich war in einen Chaos verfallen aus dem ich nicht mehr rauskommen konnte.

"Ahhh", weinte ich laut auf, dabei schrie ich immer wieder, denn ich ertrug es nicht mehr.

"Aria", war Daniel neben mir komplett verzweifelt und wusste nicht, was er machen sollte.

Ich wollte nicht mehr leben.

Liam's Sicht

Als mich plötzlich Levin anrief und mir mitteilte, dass es Aria schlechter ging, wartete ich keine weitere Sekunde und eilte aus dem Haus. Im Krankenhaus angekommen, rannte ich zu ihrem Zimmer, wo ihre ganze Familie und auch mein Bruder vor der Tür stand. Sie weinten und sahen panisch aus, weswegen mein Herz mir die Luft erdrückte und ich mit schmerzverzerrtem Gesicht stehen blieb. Als Levin mich bemerkte, kam er sofort auf mich zu und ich blickte ihn ängstlich an, denn ich brachte kein einziges Wort raus.

"I-Ich...es tut mir Leid", murmelte er und konnte mir nicht in die Augen schauen, aber ich verstand nicht, was er meinte und auch, warum er überhaupt hier war.

"Was tut dir Leid?", fragte ich mit kratziger Stimme, jedoch blieb er still.

"Levin", forderte ich ihn auf, da ich keine Geduld hatte.

"Ich...habs ihr erzählt. Alles", antwortete er und meine Augen wurden größer, als ich verstand, wovon er sprach.

"Sie hatte ein Recht es zu wissen", redete er weiter und am liebsten hätte ich ihm eine reingeschlagen, aber ich hielt mich noch zurück.

"Ist jetzt diese Situation besser?!", fragte ich ihn ein Tick zu laut, da mich die anderen kurz ansahen.

"Das wollte ich nicht", entschuldigte er sich und sah verzweifelter als ich aus.

Es vergingen Minuten und noch immer kam der verdammte Arzt nicht aus ihrem Zimmer raus. Für einen Moment schloss ich meine Augen und versuchte ruhig zu atmen, jedoch brachte es nicht wirklich etwas. Als ich aber einen Blick auf mir spürte, öffnete ich sie wieder und schaute direkt zu Hope, die mich anstarrte. Ich fühlte mich langsam unwohl, weshalb ich auf den Boden sah und ihren Blicken somit ausweichen wollte, jedoch brannten sie wie auf mir. Wenige Sekunden später konnte ich Schritte wahrnehmen, die vor mir zum Stehen kamen.

"Schau mich gefälligst an", verlangte Hope und ich hob langsam den Kopf, um sie anzusehen.

"Wegen dir ist Aria so, nicht wahr?", wollte sie wissen.

Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie blinzelte einige Male bis sie kurz hochschaute. Sie atmete einmal tief ein und aus, dabei konnte ich erkennen wie sie leicht zitterte. Auch, wenn sie stark aussehen wollte, konnte ich sie durchschauen wie sehr sie Angst hatte. Als sie mir diese Frage stellte, wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Die Schuldgefühle kamen wieder hoch und ich hätte mich umbringen können. Vielleicht war ich nicht Schuld an ihrer Krankheit, aber wegen mir ging es ihr schlechter. Sie hätte es niemals erfahren sollen.

"Ich habe sie mit Absicht nicht gefragt, obwohl ich gesehen habe, dass sie etwas bedrückt und jetzt bin ich mir sogar sicher, dass es wegen dir ist. Kannst du nicht endlich aufhören ihr wehzutun?", fragte sie verzweifelt und ich ließ meinen Kopf bei ihren Worten hängen.

"Wenn du sie liebst, dann bleib an ihrer Seite, aber wenn du vorhast zugehen, dann spiel ihr nichts vor", warnte sie mich und entfernte sich wieder von mir.

Eine kurze Zeit später war der Arzt endlich rausgekommen und hatte uns erklärt, dass ihre Lage sehr schlecht war und es sich nicht mehr verbessern würde. Sie machten alles, was sie noch konnten, aber es reichte einfach nicht. Eine Operation war Pflicht und diese brauchte sie schleunigst. Als er das nochmal genauer erläuterte, konnte ich deutlich die Blicke von Mrs Evans auf mir spüren, jedoch traute ich mich nicht zu ihr zusehen. Ich wusste, dass ich ihre letzte Hoffnung war.

"Eigentlich soll sich Ms Evans ausruhen, aber sie hat sehr oft den Namen Liam geflüstert", sagte der Arzt noch leicht lächelnd, womit er die Erlaubnis gab zu ihr reinzugehen, aber wer es von uns genau war, wusste er nicht und verschwand somit.

Fast alle Blicke waren auf mich gerichtet. Sie sagten nichts, weswegen ich mir unsicher war. Ihre Tante setzte sich mit Jack auf einen der Stühle, was Daniel und auch Hope widerwillig taten. Mrs Evans kam auf mich zu und legte ihre Hand kurz an meinen Arm, dabei lächelte sie traurig und nickte mir zu. Ich sagte nichts, weshalb sie sich genauso zu den Anderen setzte und ich zur Zimmertür blickte. Ein Teil von mir wollte sie unbedingt sehen und bei ihr sein, aber die andere Hälfte in mir wollte abhauen und aus ihrem Leben verschwinden. Aber ich wusste, dass das nicht nur mich, sondern auch wahrscheinlich Aria zerstören würde.

Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut und ging in ihr Zimmer rein und schloss leise die Tür hinter mir zu. Sofort wanderten meine Augen zu ihr und ich wurde nervös. Mit langsamen Schritten näherte ich mich zu ihr und beobachtete sie. Ihre Augen, die ich so sehr liebte, waren geschlossen und ihre roten Locken waren auf dem Kissen verteilt. Ein kleines Lächeln legte sich an meine Lippen, dabei wanderte eine einsame Träne meine Wange entlang. Stumm ging ich auf die Hocke und berührte vorsichtig ihre Hand ohne sie zu wecken. Ich hinterließ einen Kuss auf ihre Handrücken, dabei hielt ich es nicht aus und begann leise zu weinen.

"Bitte, verlass mich nicht", flüsterte ich verzweifelt, denn ohne sie könnte ich nicht mehr leben.

Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt