Kapitel 54

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Mit Liam war ich in seinem Zimmer, denn wir mussten reden. Katy war auf der Couch eingeschlafen und Levin war bei ihr unten, falls sie aufwachen würde und keine Angst bekommen sollte. Ich stand neben dem Fenster und starrte gedankenverloren nach draußen. Die Sonne schien nur noch schwach und so langsam wurde es Abend. Für einen Moment schloss ich meine Augen, um an nichts zu denken, aber es funktionierte nicht. Alles wurde nur noch komplizierter und mein Kopf war in ein Chaos verfallen.

Seit Jahren war ich auf meine Schwester wütend gewesen. Eigentlich war ich nur verletzt, denn sie war gegangen. Sie hatte uns verlassen und das tat weh, aber diesen Schmerz hatte ich in Hass verändert. Als ich sie aber so vor mir sah, war plötzlich alles verschwunden. Wie konnte man nur eine Frau schlagen? Es machte einen Mann nicht stark, wenn er die Hand gegen einer Frau hob. Wenn mein Vater und ich nur gewusst hätten in was für einer Lage sie steckte, hätten wir sie niemals bei diesem Monster gelassen. Auf einer Weise fühlte ich mich jetzt schuldig und ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte.

"An was denkst du?", riss mich Liam aus meinem Gedankengang.

Für einige Sekunden blieb ich still und überlegte, dabei wanderte mein Blick zu ihm. Er stellte sich neben mich und lehnte sich gegen die Wand. Seine blauen Augen starrten mich förmlich an und strahlten ein Hauch von Neugier aus. Verzweifelt ließ ich meinen Kopf hängen und hielt schwer meine Tränen zurück.

"Ich hätte bei ihr sein müssen", antwortete ich und auf einmal wurde ich in eine Umarmung gezogen.

"Es ist nicht deine Schuld", versuchte er mich zu beruhigen, aber es brachte nichts.

"Warum fühle ich mich dann trotzdem schlecht?", fragte ich und er blieb für einen Moment still.

"Weil es dich innerlich zerfrisst, dass du ihr nicht helfen konntest und dieses Gefühl wandelst du in Schuldgefühle um. Aber du kannst nichts dafür, denn du konntest nicht wissen das es so enden würde wie deine Schwester. Sie hatte ihm nur vertraut, aber am Ende hat sie selbst gesehen, dass es ein Fehler war", meinte er und ich umarmte ihn fester.

"Wie hast du sie überhaupt gefunden?", wechselte ich das Thema und löste mich von ihm.

"Nicht ich, sondern die Jungs", sagte er und ich nickte ganz leicht.

"Bist du Caden begegnet?", war meine nächste Frage und er nickte.

"Als wir sie mit Levin wieder zurückgebracht haben, erschien plötzlich er an der Tür. Wut aufgeladen, zog er sie ins Haus und danach haben wir nur noch ihr Geschrei von drinnen gehört. Levin und ich haben sofort versucht die Haustür einzubrechen, was wir auch rechtzeitig schafften. Er war nämlich kurz davor sie mit einem Messer anzugreifen", erzählte mir Liam und mit ungläubigen Augen schaute ich ihn an.

"Sie hat so sehr Angst vor ihm, dass sie sich zuerst nicht einmal getraut hat mit uns zukommen", sprach er weiter und ich starrte auf den Boden.

"Was soll ich jetzt machen?", fragte ich verzweifelt und eine Träne fiel aus meinem Auge.

"Bei ihr sein", antwortete er und ich sah zu ihm hoch.

Er legte seine Hand an meine Wange, wobei ich bei seiner Wärme, die er mir gab die Augen schloss. Vorsichtig wischte er mir die Tränen wieder weg. Seine Hand platzierte er nun an meinem Rücken, sodass er mich mit Leichtigkeit zu sich zog und mich plötzlich hoch hob. Verwirrt blickte ich in sein Gesicht, jedoch sagte dieser nichts und ließ mich auf dem Bett wieder runter. Er legte sich hin, dabei schaute er mich an und breitete seine Arme aus, sodass ich mich neben ihn legen konnte und mein Kopf nun an seiner Brust lag.

Da es so still im Zimmer war, konnte ich seinen regelmäßigen Herzschlag hören und irgendwie beruhigte es mich. Langsam schloss ich meine Augen und wollte für einige Stunden alles vergessen. Das Einzige, was ich wollte, war es diesen Moment mit Liam zu genießen.

Nach einer langen Zeit war es schon dunkel, aber ich hatte kein Auge zubekommen. Vorsichtig hob ich meinen Kopf und stellte fest, dass Liam schlief. Ich strich ihm die Haare aus der Stirn weg und hinterließ einen kleinen Kuss an seiner Wange. Leise versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien, was ich nur sehr schwer schaffte, denn er wollte mich gar nicht loslassen. Als ich endlich auf den Füßen stand, blieb ich ruckartig stehen, denn Liam bewegte sich plötzlich, jedoch war er nicht aufgewacht. Es war noch nicht sehr spät, weswegen ich noch ein wenig hier blieb und mich in seinem Zimmer umschaute.

Einige Zeichnungen von ihm lagen auch auf seinem Schreibtisch und ich staunte Mal wieder darüber. Meine Augen wanderten weiter im Raum herum bis sie an seinem Nachttisch hängen blieben. Ein Buch. Neugierig, was er gerade las, näherte ich mich zu seinem Bett und schnappte mir das Buch. Der Titel kam mir nicht bekannt, weshalb ich ein bisschen in den Seiten rumblätterte und auf einmal etwas raus fiel. Verwirrt hob ich es vom Boden auf und als ich erkannte, um was es sich handelte, konnte ich einfach nicht anders und begann zu lächeln.

Eine getrocknete Blume.

Flashback

Plötzlich kam ein kleines Mädchen zu uns angerannt und blieb genau vor uns stehen. Sie strahlte übers ganze Gesicht, wobei ich einfach nicht anders konnte und genauso zum lächeln begann. Meine Augen wanderten kurz zu Liam rüber und er blickte das Mädchen genauso an, jedoch hatte sich sein Ausdruck nicht verändert und das konnte ich nicht verstehen. Die Kleine achtete aber anscheinend nicht darauf, denn sie ging einen Schritt auf Liam zu und deutete ihm seine Hand aufzumachen, die noch immer mit dem Verband eingewickelt war. Als er schließlich ihrer Anweisung folgte, legte sie eine kleine Blume in seine Handfläche und kam dann auf mich zu. Das gleiche verlangte sie von mir und ich bekam auch eine schöne Blume. Zum Schluss winkte sie uns glücklich zu und lief wieder zu ihrer Mutter.

Flashback zu Ende

"Ich liebe dein Lächeln", riss mich Liam aus meinen Gedanken und ich blickte zu ihm runter.

"Und ich liebe dich", flüsterte ich und nun legte sich auch ein Lächeln an seine Lippen, was mich wiederum glücklich machte.

Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt