Am nächsten Tag saß ich wie immer im Unterricht und bevor der Lehrer auftauchte, kam Liam hereinspaziert und setzte sich neben mich. Er würdigte mir keines Blickes und tat regelrecht so als ob ich gar nicht da wäre. Auf einer Weise war sowas schon verletzend, doch so langsam verstand ich das es seine Art war und daran konnte man nichts ändern.
Ich war konzentriert auf die Stunde und blendete Liam komplett aus meinem Gedächtnis, jedoch tat er plötzlich etwas, was mich kurz schockierte. Unauffällig hatte er einen kleinen Zettel auf meinen Block gelegt, worauf er etwas geschrieben hatte. Verwirrt wanderte mein Blick zu ihm, jedoch waren seine Augen nach vorne gerichtet, weshalb ich wieder auf meinen Block sah und mir die kleine Nachricht durchlas.
Es tut mir leid.
Verständnislos las ich mir erneut diese vier Wörter durch und ehrlich gesagt, verstand ich nicht, warum er sich entschuldigte. Ich nahm schließlich meinen Stift in die Hand und schrieb ihm ebenfalls etwas unter seine Nachricht.
Wofür?
Ohne das es jemand sah, legte ich ihm ebenfalls den Zettel auf seinen Block. Unauffällig beobachtete ich ihn dabei und wollte aus seinem Gesichtsausdruck etwas ablesen, doch ich konnte nichts sehen, denn er zeigte kein Hauch von Gefühl. Er las sich die Frage nur durch und begann wieder zu schreiben. Als er damit fertig war, blickte ich nach vorne und tat so als ob ich ihn gar nicht angestarrt hätte. In dem Moment schob er den Zettel wieder zu mir rüber und mein Kopf senkte sich automatisch.
Wegen gestern.
Verwirrt dachte ich nach und konnte noch immer nicht so genau verstehen, was er genau meinte, denn eigentlich war ja nichts schlimmes zwischen uns passiert. Aus diesem Grund nahm ich erneut meinen Stift in die Hand und stellte ihm eine weitere Frage.
Wofür genau ist die Entschuldigung?
Ich hob den Kopf und sah zum Lehrer, doch dieser war vertieft in seiner Erzählung, sodass er uns gar nicht bemerkte, weshalb ich den Zettel wieder zu ihm rüber legte. Dabei blickte ich ihn erneut an und schon wieder konnte man nichts aus seinem Gesichtsausdruck sehen. Ein wenig genervt davon verdrehte ich die Augen und schaute nach vorne, doch in der Sekunde lag auch schon der Zettel wieder vor mir.
Für mein Verhalten und weil ich einfach gegangen bin.
Ein Lächeln bildete sich in meinem Gesicht und ich konnte auch nicht mehr damit aufhören, denn das war einfach zu süß von ihm. Er entschuldigte sich nämlich wirklich von mir, weil er gestern so unfreundlich und ohne etwas zusagen, abgehauen war. Also sowas hatte ich von Liam Black nicht erwartet und daher wurde mein Blick erneut verwirrt.
War er auf den Kopf gefallen?
Ich kannte diesen Jungen noch nicht so gut, aber in diesen wenigen Tagen war mir schon bewusst wie Liam tickte und das er sich ernsthaft bei mir wegen seinem Verhalten entschuldigte, war sehr unnormal, aber wirklich übertrieben unnormal. Länger dachte ich nicht mehr darüber nach und nahm wieder meinen Stift in die Hand, aber diesmal schrieb ich ihm keine Nachricht, sondern malte einen Smiley.
:)
Erneut legte ich den Zettel auf seinen Block und wollte ein letztes mal seine Reaktion darauf sehen, jedoch starrte er für ungefähr zehn Sekunden einfach nur diesen Smiley an. Am Ende steckte er den Zettel in seine Hosentasche und tat so als ob gerade nichts gewesen wäre. Ich verengte die Augen und starrte auf meine Hände, denn so langsam konnte ich nicht verstehen wie er all seine Gefühle in sich versteckte.
In der Pause saß ich mit Hope alleine bei der Cafeteria, da Jack wieder zum Fußballtraining musste und mir netter Weise diesmal Bescheid gegeben hatte. Eigentlich war ich hoch konzentriert zu essen, jedoch schlug mir Hope in die Seite, sodass ich ihr einen bösen Blick zu warf. Amüsiert über meine Reaktion grinste sie mich nur an und begann zum reden, eher stellte sie mir eine Frage, die ich nicht erwartet hätte.
"Was sollte das mit Black gewesen sein?", wollte sie wissen und meine Augen wurden automatisch größer.
Wie hatte sie das mitbekommen?
"Was meinst du?", tat ich auf ahnungslos, weshalb sie die Augen verdrehte.
"Du weißt ganz genau, was ich meine", sagte sie und sah mich erwartungsvoll an.
"Nö, weiß ich nicht", versuchte ich es weiter, woraufhin Hope genervt schnaubte.
"Aria!", rief sie in einem wütenden Ton und ich starrte stumm mein Essen an.
"Was läuft zwischen euch?", fragte sie plötzlich und mein Kopf schoss in die Höhe, wobei ich sie ungläubig ansah.
"Nichts", murmelte ich.
"Aha", entgegnete sie bloß und grinste breit.
Nach der Schule war ich alleine zu Fuß nach Hause gegangen, da Jack's Fußballtraining etwas länger dauerte. Ich hatte kein Problem damit, da der Weg nicht so lange war.
Genau als ich angekommen war, blieb ich vor Liam's Haus stehen. Er war wohl schon Zuhause, da sein Auto an der Einfahrt stand. Ich schüttelte den Kopf und wollte wieder weitergehen, jedoch blieb mein Blick an der Haustür hängen, die leicht offen stand. Verwirrt verengte ich die Augen und automatisch näherte ich mich zum Haus, da ich neugierig war. Als ich schließlich vor der Tür stand, wusste ich nicht so genau, was ich jetzt machen sollte.
Innerlich rief ich zu mir selbst das ich einfach nach Hause gehen sollte, aber ich konnte mich einfach nicht abhalten. Aus diesem Grund drehte ich mich um, da ich sichergehen wollte, dass niemand auf der Straße war und mich dumm anguckte. Als ich mir sicher war, dass niemand hier war, näherte ich mich zur Tür und lauschte, doch ich Vollidiot lehnte mich ausversehen dagegen, dabei ging die Haustür auf und ich flog auf den Boden.
"Aua", murmelte ich.
"Kann ich dir irgendwie helfen?", ertönte plötzlich eine männliche Stimme und ich hob erschrocken den Kopf.
Sofort stand ich vom Boden auf und wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte, weshalb ich den Fremden vor mir einfach nur beschämt ansah und dabei kam mir der Junge irgendwie total bekannt vor. Pechschwarze Haare, die verwuschelt auf seinem Kopf lagen, dabei stachen seine blauen Augen heraus und strahlten mich förmlich an. Außerdem hatte er genauso leichte Muttermale an seinen Wangen wie Liam. Die beiden waren sich völlig ähnlich, doch der Junge vor mir, dessen Namen ich noch nicht kannte, sah etwas älter aus und seine blauen Augen waren unterschiedlich. Von ihm waren sie etwas dunkler und bei Liam war ein grün Stich dabei.
"Ich denke eher weniger das du eine Diebin bist", sprach er amüsiert weiter und riss mich aus meinen Gedanken.
"I-Ich...Ich...also. Oh Gott", flüsterte ich und schlug mir selbst auf die Stirn und starrte auf den Boden, dabei hörte ich ihn lachen und das machte die Situation nicht besser für mich.
"Aria?", fragte nun eine andere Stimme und ich hob sofort den Kopf.
Neben den Jungen stand nun Liam, der mich sichtlich verwirrt anschaute, da er mich wohl nicht erwartet hatte und ehrlich gesagt, hatte ich mich selbst hier genauso wenig erwartet. Als die beiden so vor mir standen, konnte ich nicht wegschauen, denn die Jungs waren sich einfach verdammt ähnlich, wobei es wohl nun deutlich zu erkennen war, dass sie Brüder waren.
"Du kennst sie?", fragte der Bruder und Liam nickte nur stumm.
"Was machst du hier?", wollte er wissen und diese Frage konnte ich ihm leider nicht beantworten.
Was machte ich hier eigentlich?
"Sei nicht so unhöflich", meinte der ältere Black, worauf Liam die Augen rollte und die Arme vor die Brust verschränkte.
"Ich bin Liam's Bruder Levin", stellte er sich vor und kam auf mich zu, um mir die Hand zu geben, die ich freundlich annahm und sogar ein Lächeln auf die Lippen zauberte.
Langsam ließ er meine Hand wieder los und er starrte mich förmlich an, was mich ehrlich gesagt nervös machte. Er sah mich so an, als ob er versuchte herauszufinden, wer ich war. Plötzlich drehte er sich zu Liam um und blickte ihn für ein paar Sekunden nur stumm an bis seine Augen wieder bei mir landeten, dabei wurde ich nur noch verwirrter.
"Du kommst mir bekannt vor", murmelte er leise und dabei verging sein Lächeln.
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Die Augen
Mystery / ThrillerAria Evans ist ein Mädchen, die ein normales Leben führt, doch als sie mit ihrer Oma auszieht und in eine neue Schule geht, verändert sich ihr Leben. Aus unerklärlichen Gründen schafft sie es jegliche Gefahr auf sich selbst zuziehen, aber jetzt sorg...