Während ich koche, höre ich wie Sefer ins Bad geht und duscht. Das mag ich so an ihm, diese Offenheit. Er ist nicht schüchtern, nein ganz im Gegenteil. Er hat sich in meiner Wohnung sofort wie Zuhause gefühlt, was für mich viel angenehmer ist, anstatt die ganze Zeit Gastgeber zu spielen. Die Badtür wird aufgeschlossen und ein paar Minuten später steht ein Oberkörperfreier Sefer mit verwuschelten, nassen Haaren und bösem Blick vor mir. Ich grinse ihn nur an, denn ich weiss, dass er beleidigt ist wegen meiner Aktion vorher. Ich gehe auf ihn zu und fange aus dem Nichts an kaç kere von Hasibe zu singen, es ist irgendwie unser Lied. Er kann nicht ernst bleiben bei meinem deutschen Akzent und fängt an zu lachen. Kurz bevor wir uns hinsetzen und essen stellt er sich hinter mich, schlingt einen Arm um meinen Körper. "Mach das nie wieder" flüstert er in mein Ohr und ich weiss genau, dass er nicht meine Gesangseinlage meint. Er löst sich und wir beide essen. Mit ihm Gespräche zu führen ist das schönste was es für mich gibt, wir sind beide auf einem Niveau und haben den selben Humor. Wir beschließen noch ein bisschen draussen spazieren zu gehen. Ich ziehe mich um während er auf mich wartet. Ich laufe zum Flur und bin schon bereit mir die Schuhe anzuziehen, als Sefer mich am Arm hält. "Ich will nicht, dass du so rausgehst." Ich verstehe sein Problem nicht, denn es ist eine ganz normale Jogginghose und ein engeres Oberteil, das zwar kürzer ist, aber jetzt auch nicht zu kurz. Doch der Hauptpunkt weswegen ich genervt bin ist,dass Sefer anscheinend in den Punkt genauso ist wie alle 0815 "Männer", die denken sie wären besonders reif und männlich, wenn sie Frauen Kleidungsstücke verbieten. "Schatz ich ziehe an was ich will. Komm damit klar.", Sage ich nur knapp und widme mich wieder meinen Schuhen. Aber anscheinend kommt Sefer nicht so gut damit klar. "Nein du ziehst dich um, sofort." Zischt er sauer. "warum sollte ich? Ich mag meine Kleidung, bin kein Kleines Kind dass du befürworten musst. Mit ist vor dir nichts mit meinem Klamottenstil passiert von wegen dummen Kommentaren, also wird mir jetzt auch nichts damit passieren." Gebe ich ihm die Antwort. "Ich will aber nicht, dass du so rumläufst, weil dann alle Bastarde schauen werden. Glaub mir ich weiss wie Jungs ticken." Versucht er mir zu erklären. Ich zucke mit den Schultern. " Es ist mir scheissegal Sefer und das sollte es dir auch sein. Es ist eine normale Jogginghose und ein normales Oberteil nichts schlimmes. Ich werde mit dir nicht weiter über dieses Thema diskutieren, Frauen haben nicht Jahrhunderte für ihre Rechte gekämpft, damit ich mir jetzt von einem Mann sagen lasse, was ich anziehen soll und was nicht, als ob ich ein kleines Kind wäre." Lautet meine letzte Antwort. Doch Sefer gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. "Hör mir Mal zu, ich will dir keine Rechte wegnehmen oder sonst was, ich will dich nur schützen. Und weisst du warum ich dich schützen will? Weil ich dich liebe. Warum machst du es mir so verdammt schwer?". Er ist angespannt, seine Stimme ist lauter geworden. "Sefer ich liebe dich auch und weiss deine Sorge zu schätzen, nur werde ich mir bei dem Thema Kleidung nicht reinreden lassen. Wenn du Modetipps hast okay, aber Verbote gehen gar nicht. Ich sag ja auch nicht zu dir, dass du keine Jogginghose anziehen darfst, weil man da deinen Schwanz durchsieht." Ouh Scheisse. Den letzten Satz wollte ich eigentlich nicht sagen. Sefer schaut mich einfach nur überrascht an. Ich kann nicht mehr ernst bleiben und fange an zu lachen, er stimmt nach ein paar Sekunden mit ein. Nachdem wir fertig sind mit unserer Lachattacke gehen wir, zwar noch mit ein bisschen Protest von Sefer, los. Ich kann es die ganze Zeit nur wiederholen, Köln ist eine unglaubliche Stadt. Wir laufen auf unseren Platz zu, die Bänke am Rhein neben der Hohenzollernbrücke. Sefer setzt sich und ich will mich neben ihn setzen, doch der Idiot hat ander Pläne. Er zieht mich in letzter Sekunde auf seinen Schoss, ich falle fast hin. Vor Schreck habe ich mich an ihn geklammert. Diese köperliche Nähe ist für mich eine Herausforderung, ich hatte ein halbes Jahr fast keine sozialen Kontakte, habe höchstens mit Menschen geredet, aber mehr war einfach nicht drinn. Seine Nähe hat eine große Wirkung auf mich und das macht mir sogar ein bisschen Angst. Ich habe das Gefühl, dass ich eine Sucht nach ihr entwickele. Mir geht es jetzt schon immer richtig dreckig, wenn er Mal nicht da ist. Wir genießen die Zweisamkeit und die Ruhe, es ist eine angenehme Stille. Aufeinmal spüre ich etwas warmes, nasses an meinem Hals. Ich schaue nach unten, mein Blick fällt auf Sefer, der mich mit seinen schönen Augen wie ein Unschuldslamm anblinzelt. Bevor ich etwas sagen kann, fängt er wieder an, meinen Hals abzulecken. "Was ist mit dir schief Junge?", Frage ich lachend und putze meinen Hals an seinem Shirt ab. "Dir gefällt es gibt es zu", sagt er mit verstellter Stimme, dass er sich anhört wie der größte Fuckboy. Ich schüttel einfach nur lachend den Kopf. "Glaub mir, wenn ich dich an einer anderen Stelle lecke, wird es dir sowas von gefallen.", Haucht er gegen meinen Hals. Ich schlucke. Dieser Satz löst in mir eine Menge Gedankengänge aus. Erstens ist es ein ziemlicher 0815 fuckboy Spruch und zweitens hat er mit dem Thema Sex zutun. Beziehungsweise Sex zwischen mir und Sefer. Ich bin so verunsichert mittlerweile, ich weiss gar nicht mehr was ich machen soll, soll ich auf meinen Kopf hören und einfach abwarten, oder soll ich es nach Gefühl tun. "Entschuldigung Prinzessin, der Spruch war Scheisse, ich hab's nur aus Spass gesagt." Seine Stimme holt mich in die Realität zurück. Ich schaue ihn an, diese Augen fesseln mich immer wieder aufs neue. Sie sind so undurchdringlich, sie sehen heute aus wie ein graues Meer. Ich kann es nicht beschreiben, aber seine Augen ändern die Farbe, da bin ich mir sicher. "Ich hab Angst Sefer", platzt es dann aus mir raus. Ich muss mit ihm über meine Gedanken sprechen. Auch auf die Gefahr, dass er sauer und enttäuscht von mir ist. "Vor was Schatz?", fragt er neugierig. Ich spiele mit seinen Fingern, bewege seine vielen Ringe hin und her. " Vor Sex", nuschele ich leise. Er sieht mich erstaunt an, das ist das erste Mal, dass wir so offen über dieses Thema reden. "Ich hab Angst, dass", setze ich an, aber Sefer unterbricht mich. "Prinzessin, ich werde dich zu nichts drängen ich warte so lange mit dir wie du willst, ich schwöre es dir." Ich atme aus, ich bin frustriert. Das wollte ich doch nicht ansprechen. "Wenn wir dabei sind rumzumachen, dann fühlt sich das so gut an, dass ich Lust bekomme weiter zu gehen." Gestehe ich ihm. Er ist ein bisschen überfordert mit den Infos, weiss nicht so Recht, was er dazu sagen soll, also fahre ich weiter fort. "Deine Berührungen machen mich verrückt, es fällt mir schwer mich zu kontrollieren", gestehe ich ihm. " Aber wo ist dann das Problem Schatz?", fragt er mich, sein Gesichtsausdruck ist einfach nur noch komplett verwirrt. So sah er auch aus, als er mit Brownie diskutiert hat, ob man Suppe trinkt oder isst. "Ich habe Angst, dass wir es tun und du mich dann als Schlampe siehst und als billig. Vielleicht verlässt du mich, ich weiss es nicht. Ich weiss nicht was die richtige Entscheidung ist, warten einfach machen, ich weiss es nicht Sefer?". Er atmet ein und aus, ich schliesse meine Augen, ich sehe schon vor mir, wie er total ausrastet, weil ich ihm so etwas unterstelle. "Wieso denkst du so von mir?", fragt er mich traurig. Aber als er meinen hilflosen und verzweifelten Gesichtsausdruck sieht, fängt er wieder an zu reden. "Ich werde doch nicht von dir denken, dass du eine Schlampe bist, nur weil wir relativ schnell Sex haben, falls es denn so ist. Und schon gar nicht werde ich dich dafür verlassen. Schatz, ich könnte dich nie als Schlampe sehen, du bist das einzige Mädchen, dass mir etwas bedeutet. Dieses Jungfrau und Sex Thema wird viel zu überbewertet. Bei so etwas musst du auf dein inneres Gefühl hören. Wenn du Lust hast, weiter zu gehen, dann tu es. Es wird nie ein hundertprozentiges "Sicher" geben, einfach weil auch Ängste damit verbunden sind. Aber wenn du wirklich Lust hast und bereit dazu bist, wirst du es merken. Und wenn du dich unwohl fühlst, dann hörst du einfach auf. Du musst da auch keine Rücksicht auf mich nehmen okay?". Nach seinem Monolog schaut er mich an, er will mein Einverständnis, meine Sichtweise zu dem Thema hören. Aber ich antworte nicht, denn ich schäme mich. Er seufzt, nimmt mein Gesicht in die Hände. "Hör auf immer so schüchtern zu werden", murmelt er und küsst meine Backe. "Okay?", fragt er wieder. "Okay", antworte ich ihm mit einer überraschend festen Stimme. Wir sehen uns einfach nur an. Keiner sagt etwas, es ist ruhig um uns herum. Dieser Mensch löst bei mir viel mehr Gefühle aus, als ich aufzählen kann. Ich lerne sogar neue Gefühle erst durch ihn kennen.
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Hoffnung
RomanceHoffnungen erweisen sich manchmal als bester Freund, manchmal als schlimmster Feind.