Wenn das Schicksal dir einen Platten schenkt

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Im Gegensatz zu Chin Ho fahre ich immer mit Helm. Schließlich hatte ich mein ganzes Glück mit zwölf verbraucht. Heute morgen waren die Straßen von Hawaii frei, was leider immer seltener wurde. Natürlich ist unsere Insel wunderschön, aber ich verstehe nicht, warum alle hier her kommen! Reisen ist eh viel zu teuer für mich. Normalerweise würde ich einen großen Bogen um den Hafen machen, doch dieses Mal entscheide ich mich dafür, mich meiner Angst zu stellen. Außerdem ist der Weg durch die Docks um zehn Minuten schneller. Obwohl ich weiß, dass die Männer von damals entweder tot oder im Gefängnis sind, schaue ich mich doch stetig um. Dabei vergesse ich total, auf den Boden zu schauen und fahre mitten in einen Müllberg rein. Gerade noch rechtzeitig bremse ich so, dass nur das Motorrad reinfliegt und lande schmerzhaft auf meinem Arm. Schöner Mist. Kann ich nicht einmal mehr alleine fahren? Fluchend rappel ich mich auf und ziehe mein Motorrad aus dem Schrott raus. Hoffentlich hat mich keiner gesehen! Das wäre sonst echt peinlich. Gerade als ich losfahren will, um diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, fällt mir das Stück Metall in meinem Reifen auf. Als ob es mich auslacht, funkelt das Metall freudig in der Sonne vor sich her. Na toll! Um noch einen drauf zusetzen hat mein Handy keinen Empfang, was soviel heißt wie schieben bis ich entweder wieder telefonieren kann oder irgendein Verrückter oder Kleinkriminelle mich erschießt . Ich persönlich hoffe, dass die erste Möglichkeit eintrifft. Mein Arm ist Gott sei dank noch funktionstüchtig, denn soviel Pech kann nicht mal Kima Tah Chen, die tollpatschigste Polizistin des HPDs haben. So schnell es geht schiebe ich das nutzlose Ding auf zwei Rädern durch das Hafenviertel. Paranoid schaue ich mich die ganze Zeit um, ob nicht doch der Mann von damals hinter irgendeiner Ecke lauert und nur darauf warten, seine zweite Chance zu bekommen. Bei dem Anblick der Lagerhalle, die mein Leben verändert hatte, jagt es mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich habe den Tag damals nur durch das schnelle Handeln von Chin überlebt, der als damaliger junger Officer mich rechtzeitig gefunden hatte. Nun bin ich 22 und werde seinen Fußstapfen folgen. Immer noch nervös beschleunige ich mein Schritttempo und bekomme beinahe einen Herzinfarkt, als Halestorm in meiner Hosentasche los singt. Anscheinend habe ich hier wieder Empfang. Schnell nehme ich den Anruf an: „ Hier Kima Tah Chen, wer spricht?" Auf der anderen Seite der Leitung höre ich Chins erleichterte Stimme: „ Hi Kima, wo steckst du? Es ist schon fast neun und normalerweise bist du doch eher überpünktlich!" Laut lache ich los und er stimmt mit ein. Seit dem Fall hat er es sich zur Aufgabe gemacht, immer auf mich aufzupassen, wie ein großer Bruder. „ Alles gut. Ich bin bei den Docks. Hatte einen kleinen Unfall und nun ist der Reifen meines Motorrads platt. Gib mir noch etwas Zeit, dann bin ich da", erkläre ich ihm. Verwundert fragt Chin: „ Bei den Docks? Wirst du etwa übermütig? Du weißt doch, dass Victor Hesse in der Stadt ist!" Seitdem John McGarrett, Chins Ausbilder ermordet wurde, ist der Hawaiianer noch fürsorglicher als sonst. McGarrett war ein guter Mann gewesen. Stets freundlich. Manchmal war er mitgekommen, wenn Chin mich besucht hatte. John hat zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Nach dem Tod seiner Frau hatte er sie weggeschickt, um sie zu schützen. Steve McGarrett soll angeblich ein Seal geworden sein. „ Chin, alles ok. Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Gib mir ein bisschen Zeit, dann bin ich da", probiere ich ihn zu beruhigen. Gerne hätte ich ihn einfach in den Arm genommen. „ Okay. Ich schick dir Naleo vorbei, der hat einen PickUp und kann dein Motorrad gleich in die Werkstatt fahren. Warte einfach an der Hafeneinfahrt", entgegnet der Hawaiianer leicht genervt. Leise kichere ich. Manchmal ähnelt er mehr einem Vater oder großen Bruder als dem Cousin der besten Freundin. „ Mahalo, Brah", bedanke ich mich bei ihm. „ Hey, für die Ohana tut man doch alles!", verabschiedet er sich und legt auf. Ohana. Was ein wunderbares Wort für Familie. Leider existiert meine biologische Familie nicht mehr. Oder zumindest für mich nicht. Ich stecke mein Handy wieder in meine Hosentasche, greife nach meinem Motorrad und mache mich auf den Weg zur Einfahrt. Ich brauche ein paar Minuten bis ich vorne bin und als ich ankomme, winkt mir Naleo schon zu. Kono probiert öfters uns zu verkuppeln. Meine stetige Antwort ist, dass es, bevor ich mit Naleo was anfange, in Hawaii schneit. Obwohl, eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus. „ Hey Sista, alles klar?", ist seine Begrüßung. Ich umarme ihn: „ Hi Naleo, ja mir geht es  gut." Wir laden mein Motorrad auf die Ladefläche des PickUps und ich steige auf der Beifahrerseite ein. Mittlerweile ist es 13 Uhr. Schnell schicke ich Kono eine Nachricht, dass ich später kommen würde. Diese fragt nur, ob es etwas mit einem Jungen zu tun hätte. Mensch Kono! Nach ungefähr einer viertel Stunde liefert Naleo mich an dem Laden ab, bei dem Chin arbeitet. Ich steige aus und bedanke mich bei meinem „Fahrer". Als ich in den Laden reinkomme, sehe ich wie Chin Ho sich gerade mit zwei Howlies unterhält. Der eine ist groß, muskulös, tätowiert und schwarzhaarig, der andere mindestens einen Kopf kleiner, blond und trägt eine Krawatte. Eine Krawatte in Hawaii, der Typ muss vom Festland kommen! Gerade steht Chin auf, anscheinend aufgewühlt und verärgert, da ruft ihm der Schwarzhaarige hinterher: „ Hast du? Chin, hast du Geld genommen?" Waren das schon wieder zwei von diesen Polizisten, die ihre Kollegen niedermachen? Auch der Hawaiianer ist von der Frage bestürzt: „ Natürlich nicht!" Er dreht sich wieder in meine Richtung und hätte ich ihn nicht angesprochen, wäre er an mir vorbei gegangen. Die beiden Männer kommen zu uns und Chin stellt uns einander vor: „ Also Kima, das sind Lieutenant Commander Steve McGarrett und Detective Danny Williams. Steve, Danny, dass ist Kima Tah Chen. Sie geht zusammen mit meiner Cousine auf die Polizeischule." „ McGarrett? So wie John McGarrett?", frage ich überrascht. Doch anstelle des Commanders antwortet der Detective mit wild fuchtelnden Händen, als ob er eine Fliege verscheuchen will: „ Ja, dass ist der durchgeknallte Sohn des großen John McGarrett. Ehrlich Steve, ist dein Vater irgendwie berühmt oder ist die Insel so klein?" Steve ignoriert den Detective einfach: „ Ja, ich bin der Steve McGarrett. Entschuldige bitte wegen der Frage, aber was ist das für eine Narbe an deiner Stirn?" Bevor ich auch nur irgendetwas sagen konnte, spricht Chin für mich: „ Hat dein Vater dir von dem Fall vor zehn Jahren an den Docks erzählt?" Steve nickte bedrückt und gibt mir einen bemitleiden Blick. Jetzt meldet sich Danny wieder zu Wort, wie um zu prüfen, dass wir seine Existenz wahrnehmen: „ Ich möchte ja nicht aufdringlich sein, aber wir haben immer noch einen Mörder frei rumlaufen und mit jeder Sekunde, die wir hier verplempern, ist die Chance höher, dass Victor Hesse über alle Berge ist." Steve und Chin nicken zustimmend und machen sich auf den Weg zu ihren Autos. Kurz bevor Chin einsteigt, ruft er mir zu: „ Willst du etwa hierbleiben? Komm! Diese Knallköpfe werden jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können." Bietet der überfürsorgliche Hawaiianer mir gerade an, bei einem Fall mit zu arbeiten? Breit grinsend komme ich angerannt und setze mich auf den Beifahrersitz. Jetzt kann der Spaß losgehen!

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