Einundfünfzig

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Chloé

Eigentlich wollte ich es nie so weit kommen lassen. Ich wollte Mason nie verlieren. Ihn so vor den Kopf zu stoßen und ihn so verletzen. Immer wieder sah ich sein Gesicht vor meinen Augen als er realisierte, dass ich einen Rückzieher machte bevor wir es überhaupt versuchen konnten. Wie in seinen Augen die Tränen sammelte, er verzweifelt meinen Namen rief, mich versuchte festzuhalten und um zum Bleiben zu bewegen. Obwohl ich Mason nur für einen Bruchteil einer Sekunde angeschaut hatte, brannte sich dieses Bild in meinen Kopf ein. Ich hatte ihn noch nie so aufgelöst, verzweifelt aber vor allem verletzt gesehen. Eigentlich war ich eher diejenige, die sich emotional und verletzlich zeigte. Mason ließ die meisten Sachen nicht an sich ran, doch das schien ihn tief zu treffen- verständlicherweise. Ich zweifelte nicht an der Glaubwürdigkeit seiner Worte, Gefühle oder vertraute Mason nicht. Ihm vertraute ich mehr als allen anderen. Es lag einfach an mir, ich hatte egoistisch gehandelt. Ich habe gedacht mich vor bevorstehenden Wunden, den toxischen Gefühlen und auch Probleme zu schützen. Nicht nur weil ich gedacht habe, ich könne mit der ganzen Geschichte nicht umgehen sondern auch weil ich mir das Leid ersparen wollte. Weil ich in letzter Zeit genug Scheiß erlebt hatte. Doch stattdessen hatte ich uns beide ins Unglück getrieben. Und das aus puren Egoismus da ich ahnte wenn wir erstmal eine Beziehung hätten und dann auseinander gegangen wären, wäre es noch schlimmer. Dabei hatte ich uns noch nicht mal eine Chance gegeben. Der Grund war nicht Mason, ich oder noch nicht mal Jenna das ich so gehandelt hatte. Es waren einfach die Umstände, ich wollte und konnte das einfach nicht. Ich wollte nicht riskieren mit Mason im Streit auseinander zu gehen, dafür war ich nicht bereit. Ich ließ ihn einfach los, in der Hoffnung wir würden irgendwann übereinander hinweg kommen und zum Alten zurückkehren. Wahrscheinlich war es nur Wunschdenken meinerseits. Obwohl wir beide das gleiche wollten, wir beiden wollte eine Beziehung miteinander führen und ich war mir sicher es wäre nahe zu perfekt gewesen- für einen kurzen Moment, bis wir von der siebten Wolke runtergefallen wären und der Alltag uns wieder eingeholt hätte. Ab und zu erwischte ich mich dabei, wie ich mir vorstellte genau das zu erleben, seine Liebe zu spüren und in Masons Armen zu liegen. Dennoch wären wir glücklich gewesen, wenn ich mich im letzten Moment nicht um entschieden hätte. Ich hatte nie geplant uns beide so zu verletzen, doch wurde mir klar das zwischen uns hatte keine Zukunft. Am Ende wären wir beide frustriert gewesen. Auch wenn ich in diesem Augenblick sicher war die richtige Entscheidung getroffen zu haben, kamen mir jetzt Zweifel auf. Obwohl ich mich nur schützen selber schützen wollte, spürte ich diesen Schmerz in mir. Einen Schmerz der kaum auszuhalten war, der durch den ganzen Körper ging. Man sprach immer von Herzschmerz, doch es war mehr als das. Nicht nur das Herz war betroffen, sondern auch die anderen Zellen meines Körpers. Meine Lunge fühlte sich schwer an und ich hatte das Gefühl nicht richtig atmen zu können, sobald ich alleine war. Sobald ich an ihn dachte. Es war als würde mir jemand die Luft abschnüren. Meine Glieder fühlten sich massiv an, ich war träge und ich war ziemlich unbeweglich. Selbst das Schwimmen war in letzter Zeit eine Last für mich geworden, obwohl es mir immer leicht fiel mich im Wasser zu bewegen. Meine sonst so reine Haut brach aus, wahrscheinlich durch den Stress den ich mir zugefügt hatte. Doch was ich am beängstigen fand, war die Leere die ich in mir fühlte. Nichts konnte mein Herz erheitern. Zwar lachte ich, doch es erreichte nie meine Augen oder ich fühlte das Kribbeln nicht in meinem Bauch wenn Travis mal wieder einer seiner Witze erzählte. Ich ließ den Schein wahren, dass alles in Ordnung sei, als würde mich nichts kümmern und das Leben weitergeben, aber das war alles nur vorgetäuscht. Natürlich wusste Sarah und meine engsten Vertrauten das jedoch sprach mich keiner an. Aber auch vor meiner Mum hielt ich es geheim zumal sie in letzter Zeit nicht viel zuhause war und ich wollte nicht mit ihr darüber sprechen. Schließlich wusste ich nie wie sie reagierte, je nachdem würde sie mich unterstützen oder mir Vorwürfe machen.  Nach außen tat ich so als wäre alles normal weil ich damit nicht konfrontiert werden wollte, ich wollte diese Aufmerksamkeit einfach nicht. Es fragte keiner nach und ich schrie auch nicht danach. Doch innen fühlte ich einfach nichts, ich hatte mein Herz wortwörtlich bei Mason verloren. Auch wenn ich die ersten Nächte und immer wenn ich alleine war geheult hatte, kurz davor war ihm doch zu schreiben um diesen Schmerz zu entfliehen, hielt ich es aus. Zunächst dachte ich der Schmerz den mal fühlte wäre das Schlimmste, aber diese Lücke war noch viel bedrückender. Obwohl ich viel unter Menschen war die ich mochte, fühlte ich mich immer einsam. Doch das hatte ich mir selber zu zu schreiben. 
Zehn Tage. Zehn ganze endlose Tage ist es her, seitdem ich was von Mason gehört geschweige denn gesehen hatte. Die letzte komplette Woche ist er nicht zur Schule erschienen, praktisch seitdem ich bei ihm war. Laut seinem Instagram war der die ganze Zeit am Set, er stürzte sich auf seine Arbeit. Auch wenn wir keinen Kontakt mehr zueinander hatten, konnte ich es nicht sein lassen zu verfolgen was er so trieb. Zwar postete Mason nicht so viel wie sonst, dennoch genug für mich. Mal mit Jen, mal ohne. Immer wenn ich sie zusammen sah, augenscheinlich glücklich spürte ich die Eifersucht, den Neid und auch zugleich den Schmerz. Es war das einzige was ich wirklich fühlte, zurzeit meine einzigen richtigen Gefühle neben der Einsamkeit.  Ob von ihm beabsichtigt oder nicht, trotzdem war es ein Stich in die Brust. Außerdem merkte ich wie sehr ich Mason vermisste, es war anders als sonst. Ich wusste auch, das es nie mehr so sein würde wie früher. Natürlich hielt er die Show aufrecht, ließ keinen hinter seine Fassade blicken doch ich wusste, dass es anders war. Ich wusste, das ich sein Herz gebrochen hatte und es nicht so schnell wieder heilen würde. Nicht nur an seinen dunklen traurigen Augen, was er versuchte zu verbergen. Auch nicht nur an dem Lächeln, welches weder seine Augen erreichte noch wirklich den Mund. Denn Mason hatte noch nie eine Frau geliebt und durch meine Abfuhr hatte ich nicht nur ihn verletzt, sondern auch seinen Stolz. Weshalb er sich auch nicht bei mir meldete. Lediglich einmal hatte er auf meine Mailbox gesprochen, ziemlich besoffen.
"Chloé.. Chloé, ich." lallte er ins Handy, dann kam eine längere Pause. Im Hintergrund hört man laute Musik, die durchs Handy schallt. "Warum zur Hölle hast du das gemacht, Chloé? Was zum Teufel habe ich dir angetan? Es war doch alles gut zwischen uns, warum musstest du es zerstören? Fuck, du hast keine scheiß Ahnung was du mit mir machst. Es tut so weh ohne dich. Scheiße, Chloé ich liebe dich und du mich, warum bist du nur gegangen? Und ohne eine richtige Erklärung. Wir hätten das hinbekommen, aber du ziehst den Schwanz ein.. Ich hoffe, nein ich wünsche dir geht es genauso beschissen wie mir, dann weißt du das dieses fucking Problem noch schlimmer ist." nuschelte er halb verständlich in den Hörer. Dann wurde es wieder still, als müsse Mason über irgendwas nachdenken. "Fuck man. Hätte ich dich noch ficken sollen,hm? Ist es das? Wärst du dann geblieben? Wenn wir fucking verdammt geilen Sex gehabt hätten? Meine Hände auf deinen Brüsten, ich in dir drin oder lieber du auf mir. Verdammt jetzt bin ich gei." "Mason!" wurde er von einer Stimme im Hintergrund unterbrochen. Travis. Anscheinend waren die beiden zusammen unterwegs. "Mason, wen belästigst du am Handy?" obwohl Travis' Stimme weiter weg war, verstand man ihn ziemlich gut. Sie klang belustigt. "Was? Nein, ich.. Bro was machst du?" kam von Mason etwas verärgert und man hörte es knistern. "Chloé.. Shit, du solltest sie doch nicht anrufen." Travis' Stimme war das letzte was man hörte bevor aufgelegt wurde. 
Das war das letzte Mal, dass ich Masons Stimme gehört hatte. Wahrscheinlich konnte er sich daran nicht mehr wirklich erinnern, so dicht klang er.  Diese Nachricht hatte ich mir einige Male angehört doch ich schaffte es nicht sie zu löschen. Geantwortet hatte ich aber auch nicht. Ich war immer wieder kurz davor sie zu löschen, doch ich behielt sie. Es zeigte mir, dass er mich wirklich liebte. Natürlich hörte ich die Vorwürfe in Masons Stimme- zurecht. Aber auch der Schmerz war nicht zu hören, genauso wie das Verlangen. Ich spürte diese Sehnsucht auch, immer wenn ich ihn auf meinem Display sah. Doch ich kämpfte dagegen an. Ich wollte ihm nicht schon wieder verfallen und ich wüsste das ich nachgeben würde, wenn dieser Abstand zwischen uns nicht mehr gegeben war. Weshalb ich ganz froh war ihn nur von der Ferne zu betrachten, das er nicht gerade zur Schule ging. Es war nicht ungewöhnlich für Mason, dass er mehrere Wochen fehlte um am Set zu arbeiten. Doch ich wusste irgendwann würde der Zeitpunkt sein an dem wir uns gegenüber treten, davor graute es mich schon. Denn ich wusste nicht wie Mason oder ich reagieren würde. 

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