Sieben

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Chloé

Prompt verschluckte ich mich an einem Stück Cheesecake, welches ich mir gerade in den Mund geschoben hatte. Sofort fing ich an zu husten, weil mir das Stück vor Schreck in der Kehle stecken geblieben ist. Ich habe mich verhört. Ich muss mich verhört haben. Trotzdem fragte ich nochmal nach. "Ihr, ihr wollt was?" Ungläubig schaute ich die beiden an, da ich es nicht wirklich glauben konnte. "Mark wird bei uns einziehen. Wir werden alle zusammen wohnen." wiederholte meine Mutter. Ein kleines Lächeln versteckte sich in ihrem Gesicht, obwohl ihre Stimme ernst war. Unsicher lachte ich auf. Ich hielt die ganze Sache für einen Scherz. Das war alles nur ein Prank. Wahrscheinlich um uns noch eine Lehre zuerteilen. Mein Lachen war humorlos. Denn mir war nicht nach Lachen zumute, nicht wirklich. Als ich zu meiner Mutter schielte, sah ich ihren verärgerten Blick auf mir ruhen. "Findet ihr das nicht ein bisschen früh?" Schaltete sich auch mein Bruder ein. Auch er klang ebenso verblüfft. „Es ist alles ein bisschen überstürzt. Ihr kennt doch erst ein paar Monate." An seiner Stimme erkannte ich, das Brad alles andere als erfreut darüber war. Obwohl er im Moment die meiste Zeit am Campus in Cambridge verbrachte, war das hier immer noch sein zuhause. "Nein, wir denken das ist der richtige Zeitpunkt." Erwiderte meine Mutter und sah ihn eindringlich ein. „Wir sind nicht mehr zwanzig Brad. Unser Leben fängt nicht gerade an, wir sind nicht naiv und wissen nicht auf was wir uns einlassen. Außerdem sind Mark und ich in unserem Beruf erfolgreich. Wir haben genug Lebenserfahrung gesammelt um zu wissen, das es zwischen uns funktioniert. Wir haben diesen Plan gut durchdacht. Also warum sollten wir unsere Zeit verschwenden?" Fuhr sie fort. Dabei klang die Stimme meiner Mutter ziemlich nüchtern. Zwar bestimmend aber dennoch reserviert. Es wirkte eher so als wären wir ihre Angestellten als ihre Kinder. Auch ihre Miene war starr. Als hätte sie uns gerade erzählt was es morgen zu Essen geben würde. Nun fiel mein Blick auf Mark, der zustimmend nickte. "Und wann soll er hier bitte einziehen?" Hakte Brad nach. Und ich wusste das er alles andere als damit einverstanden war. Doch er zeigte seine Empörung nicht so offen wie ich, denn ich war immer noch nicht in der Lage etwas dazu zu sagen. Jedoch las ich es in seinem Gesicht. Ich bemerkte wie mein Bruder krampfhaft versuchte die Augenbrauen nicht wütend zusammenzuziehen, er presste seine Lippen auf einander und die blauen Augen wurden schmal. "Wir peilen die nächsten zwei Monate an. Doch am besten so schnell wie möglich. Ich habe für meine Wohnung auch schon einen Nachmieter." Ergriff Mark das Wort, auch er schien genauso euphorisch und sicher zu sein. „What the fuck? Das ist jetzt nicht euer scheiß Ernst?" schoss es wie aus der Pistole aus mir heraus. Mir war das Lachen schon längst vergangen. Inzwischen arbeitete mein Gehirn und ich hatte meine Stimme wiedergefunden. Fassungslos schaute ich alle Beteiligten an. Erst jetzt bemerkte ich, der Platz meiner Schwester war leer. Anscheinend wurde sie auf den Befehl meiner Mutter auf ihr Zimmer geschickt. Dabei hatte ich noch nicht mal mitbekommen das sie weg war. Meine Mum schaute mich tadeln an. Ich konnte mir schon denken warum, doch ich ließ ihr keine Zeit um gegen mich zu schießen. "Was spielt ihr hier für ein Scheiß? Ihr haltet es nicht für nötig uns eure Beziehung nach Monaten mitzuteilen. Dann lasst ihr die Bombe platzen, dass du bei uns einziehst. Obwohl wir dich gerade kennengelernt haben" meinte ich laut an Mark gewandt, dabei zeigte ich mit dem Finger auf ihn. „Du sagst, dass ihr keine zwanzig mehr seid Mum. Aber so verhaltet ihr euch. Ihr vögelt hinter verschlossenen Türen und denkt euer kleines Geheimnis bekommt keiner mit.." „Chloé! Achte auf deinen Ausdruck. Du bist momentan respektlos und unhöflich. "unterbrach meine Mutter. Die Stimme war scharf wie Messerklingen. "Nein Mum, werde ich nicht. Das was du hier abziehst ist respektlos. Uns gegenüber." Ich zeigte zwischen Brad und mir, hin und her. „Wir kennen dich kaum Mark und dann sollst du hier einziehen? Einen Mann, den weder Sophie, Brad oder ich kennen. Dessen Beziehung von unserer Mutter monatelang verheimlicht wurde. Die es ihren eigenen Kindern bei einem lächerlichen Abendessen erzählt als wären wir Fremde? Aber so unbedeutenden sind wir in der ganzen Sache nicht. Wir haben auch ein Recht mit zureden." „Das ist immer noch meine Wohnung und bezahle deinen Lebensunterhalt, mein Fräulein. Also nein, ihr habt da nicht groß mitzureden. Denn in meinem Haus bestimme ich!" Genauso wie ich wurde auch meine Mutter laut. Ihr Tonfall ließ keine Widerworte zu, trotzdem konnte ich nicht anders. „Vielleicht. Aber wir sind auch Teil der Familie, falls du überhaupt weißt was das bedeutet." Warf ich ihr an den Kopf. Denn langsam wandelte such meine Empörung in Wut um. „In dieser Wohnung habt ihr, Dad und du uns großgezogen. Zumindest sind wir hier aufgewachsen, du warst ja immer unterwegs. Aber findest du das nicht ein bisschen geschmacklos, deinen neuen Lover hier einziehen zu lassen?" Es ging mir nicht nur um die Tatsache, dass dies mein Elternhaus war. Sondern viel mehr die Erinnerungen an meine Kindheit. Viele schöne Erinnerungen. Und ich hatte Angst das diese kaputt gemacht werden können, sobald jemand neues in das Leben trat. Hier hatte ich meine ersten Schritte gemacht. Hier haben wir immer zusammen Weihnachten gefeiert. Im Wohnzimmer zusammen Spielabende veranstaltet. In der Küche habe ich erfahren das ich eine Schwester bekomme. Im Esszimmer erzählten unsere Eltern uns von ihrer Trennung. Und jetzt soll ein anderer Mann hier mir uns leben, den wir noch nicht mal kennen? Ja, Mark schien nett zu sein. Wahrscheinlich war er ein guter Mann, der immer für meine Mutter sorgen würde, er wirkte gutherzig. Und sie waren glücklich zusammen. Trotzdem machte es mich so sauer. Sie hielten ihre Beziehung so lange geheim und teilten uns diese ziemlich große Entscheidung mal eben so mit. Natürlich konnten wir unser Mutter nichts verbieten. Aber ich hätte mir gewünscht, wir hätten Mark früher kennengelernt. So hätten wir ihm eine ganz andere Chance geben können. Dann hätten wir so einen Riesen Entschluss gemeinsam besprechen können. Sowas verändert alles. Wer weiß wie lange die beiden das geplant haben. Schließlich ist sowas ja keine Entscheidung,  die man über Nacht trifft. Auf einmal schien mir meine Mutter so fremd. Sie führte sich auf wie ein naiver Teenager, sonst war sie immer so klar und realistisch. Vielleicht war ich auch so wütend, weil sie schon über meinen Dad hinweg war. Das er kein Teil mehr ihres Lebens war. Und ich insgeheim hofft, die beiden würden wieder zusammenfinden. Zumindest ein klitzekleiner Teil von mir. Auch wenn sie sich gegenseitig nicht gut taten. Doch ich war noch nicht fertig. "Hast du eigentlich schon mal an uns gedacht? Vor allem an Sophie?" ich sah meine Mutter an während ich sprach, in ihrem Gesicht sah ich Verwunderung. "Anscheinend ja nicht, denn wie mag es für sie sein, wenn auf einmal ein fremder Mann einzieht? Den sie nicht kennt? Was denkst du was macht das mit ihr? Erst trennen sich ihre Eltern und dann lebt ein fremder Mann in unser Wohnung? Soll er Vater spielen? Vertraust du uns so wenig, dass du uns jetzt erst davon erzählst?" Ich konnte nichts machen, die Worte sprudelten einfach aus mir heraus. Ich musste ihr das alles einfach an den Kopf werfen. Es musste einfach raus. Gleichzeit wollte ich es die anderen nicht spüren lassen. Sie wollten nicht sehen wie sehr es mich verletzte. Es war nicht nur wegen dieser Neuigkeit. Ich hatte noch nie so offen über meine Gefühle seit der Trennung meiner Eltern geredet. Vor allem nicht wie es mir damit ging, das ein Elternteil fehlte. Ich wollte meinen Eltern nie ein schlechtes Gewissen bereiten, doch das war einfach zu viel. Ich redete mich über Kopf und Kragen, vielleicht war mein Problem nicht Mark oder dass er bei uns einziehen würde. Sondern einfach, dass meine Eltern nicht mehr zusammenlebten- nie wieder zusammenleben würden. Auch wenn wir unseren Vater regelmäßig sahen war es nicht das gleiche. Ich hörte wie die drei miteinander diskutierten. Dennoch waren die Stimme so fern von mir, dass sie nur vor mir abperlten. Mein Blick war verschwommen, trotzdem sah ich wie sie wild gestikulierend auf mich einredeten. Doch ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Ich war zu sehr gefangen als das ich was mitbekommen würde. "Sorry, ich kann das einfach nicht." Murmelte ich während die drei noch diskutierten. Ich musste einfach hier raus. Raus aus dem Zimmer, raus aus der Wohnung. Weg von ihnen. Ohne auf die anderen und ihre Worte zu achten stand ich auf und verließ den Raum.

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