Neununddreißig

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Chloé

"Hey Nate, würde es dir etwas ausmachen wenn ich dir Chloé für einen Tanz entführe?" hörte ich Mason fragen und dabei schaute er meinen Tanzpartner lächelnd an. Auch wenn damit zu rechnen war, dass Mason sich mir schnappen wollte war ich doch ziemlich erstaunt über seine Frage- ich hätte eher mit was anderem gerechnet. Ich konnte es nicht wirklich fassen, denn das passte nicht zu dem Rest seines Verhalten des heutigen Abends. "Ja, klar. Ich gehe mal gucken wo meine Schwester ist." meinte Nate und ließ mich auf einmal los, ich konnte seine Wärme nicht mehr spüren. Irgendwie hatte Nate mir in den letzten paar Minuten ziemlich viel Sicherheit gegeben, die ich jetzt nicht mehr spürte. Und der Partnerwechsel ging so schnell, dass ich mich gerade noch so von ihm verabschieden konnte bevor er komplett aus meiner Bildfläche verschwand. Mason nahm meine linke Hand und legte die andere um meine Hüfte, ich tat es ihm gleich. Es war eine Bewegung über die ich nicht mehr viel nachdenken musste, so oft hatte ich sie schon gemacht. Früher in der Tanzschule als wir von unserer Tanzlehrerin Mrs. Jones immer gescheut wurden erinnerte mich immer noch daran. Denn ich war immer noch ganz verwirrt davon, was Mason hier machte. Anscheinend sprach mein Gesichtsausdruck Bände und Mason fing an sich zu erklären. "Ich habe dir einen Tanz versprochen und das werde ich auch einhalten Chloé." hörte ich ihn ganz dicht an meinem Ohr sagen und dabei verzog er sein Gesicht zu einem Grinsen. Auch wenn ich dieses Grinsen nicht sehen konnte, war ich mir sicher, dass es das war bei dem seine Grübchen so schön zum Vorscheinen kamen. Ich hatte schon wieder vergessen, dass wir vor einigen Wochen ausgemacht haben, dass wir wenigstens einmal miteinander tanzen, bei diesem albernen Pärchentanz. Damals hatten wir uns darüber lustig gemacht und wollten dagegen halten, dass auch Freunde miteinander tanzen können- so wie wir. Doch wir waren nicht mehr die Freunde wie in der Zeit, deswegen hatte ich nicht mehr damit gerechnet. Eher im Gegenteil, hätte ich gerechnet, dass Mason es unter den Tisch fallen lassen würde. Na all dem was passiert ist. Doch das tat er nicht und irgendwie machte es mich glücklich, denn diese Geste- auch wenn es nur eine kleine war- bewies das ich ihm wichtig war und etwas bedeutete. Auch wenn es nur für einen kurzen Moment war, einen kurzen Moment indem ich seine Nähe spüren konnte und alles andere vergessen konnte, genoss ich es. Es zählte nur der Moment, der Tanz, Mason und ich. Ich wollte auch nicht darüber grübeln, wie Mason sich vorher verhielt, er ignorierte mich größtenteils und jetzt war er doch da. Ich durchlebte mal wieder ein Wechselbad der Gefühle, woran ich jetzt gar nicht denken wollte. Also ließ ich alle Gedanken kurzerhand los und tanzte einfach. Zum ersten Mal seitdem ich hier tanzte schaute ich mich mal wieder in dem Raum hier rum, während ich mit Mason über die Tanzfläche wirbelte. Ja es standen ausschließlich Pärchen auf der Tanzfläche, oder die die es mal werden wollten. Unter den tanzenden waren auch Travis und sein Date, ebenso wie Brad und Sarah- wie auch anders zu erwarten. Doch das störte mich nicht das geringste. Außerdem hatte die Musik sich verändert, sie wurde langsamer und romantischer. Das war ja das perfekte hierfür. Auf einmal ließ Mason mich eine Drehung machen, auf die ich nicht wirklich vorbereitet war, weshalb ich anschließend etwas unsanft gegen seine Brust knallte. Unwillkürlich sog ich seinen Duft ein und was sollte ich sagen, er hatte mal wieder sein Lieblingsparfüm drauf, das ich so gerne an ihn mochte. Es erinnerte mich immer an die alten Kinderzeiten, bei denen noch alles gut war. "Das konnten wir aber auch mal besser." sagte ich kichernd. Und das war der erste Satz, den ich heute zum ihm sagte. Auch Mason stimmte in mein Lachen ein und es wirkte in diesen Augenblick so als wäre alles vergessen, was war. Als wären wir nur Mason und Chloé. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein und Mason verhielt sich nur so um mir einen Gefallen zu tun, doch eigentlich war ich mir da ziemlich sicher. Eigentlich rechnete ich damit, dass wir den Abstand zwischen uns wieder herstellten, doch Mason schien nicht daran zu denken. Denn er hielt mich ganz nah bei sich und ließ auch nicht locker. Also lehnte ich mich an seiner Brust an. So verweilten wir tanzend mehrere Lieder lang, wir sahen wirklich aus wie diese Paare. Wenn wir es nicht besser wüssten, konnte man das von uns denken. "Du siehst heute wunderschön aus Chloé." machte er mir das Kompliment und wiedermal waren seine Lippen ganz nah an meinem Ohr. Ich hob meinen Kopf von seiner Brust und drehte ihn zu Mason. Unsere Lippen waren sich so nah, dass sie sich fast berührten. Wir waren uns so nah, wie lange schon nicht mehr und das fehlte mir am meisten. Sein Gesicht war so nah, dass ich ihm einfach in die Augen schauen musste. Seine dunkelbrauen Augen ruhten aufrichtig auf mir und auch er schaute mir in die Augen. Sein Braun traf mein Blau. Und keiner von uns wendete den Blick ab. Als wären wir voneinander hypnotisiert. Irgendwann bekam ich ein "Danke, du auch" heraus. Dabei hatte ich den ganzen Abend nicht wirklich auf sein Outfit geachtet. Ich wusste nur, dass er einen eisblauen Anzug trug, doch auch das stand ihm bestimmt mega. Mittlerweile tanzten wir nicht mehr wirklich, sondern schunkelten nur noch hin und her. Doch uns war das egal, wir waren von uns zu sehr fasziniert.
Auf einmal beugte Mason sich zu mir runter und ich spürte seine Lippen auf meine. Er küsste mich tatsächlich und ich erwiderte es. Es war kein stürmischer Kuss, eher ein zaghafter schüchterner Kuss. Meine Hände umfassten sein Gesicht und ich zog ihn noch näher zu mir heran. Ich ließ mich einfach von meinen Gefühlen tragen und ließ es geschehen. Nichts um mich herum kümmerte mich. Ich fand es einfach nur wundervoll, Masons Lippen zu spüren. Gerade als ich den Kuss intensivieren wollte, beendete Mason ihn. Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht richtig realisieren konnte was eben passiert ist. Ich wusste auch nicht ob ich das gut oder schlecht finden sollte. Ich war einfach zu durcheinander und wenn ich in Masons Gesicht schaute, er anscheinend auch. Er fuhr sich mit dem Daumen über seinen vollen Mund, als würde er überlegen was er tun sollte, als würde er eine Erklärung suchen für das was eben geschehen ist. Und ich hätte sie auch gerne. Was hieß das für uns jetzt? Und schon kamen alle meine Gedanken wieder, doch bevor ich lange Zeit hatte darüber nachzudenken, erhob Mason auch schon die Stimme. "Es, es tut mir leid, dass ich dich einfach so geküsst habe." entschuldigte er sich bei mir und schaute mich schuldig an. "Ist schon okay, alles gut." wank ich ab und tat so als würde mir das ganze nichts ausmachen. Als würde ich nicht darüber nachdenken und wäre nicht am verzweifeln warum er das tat. Dabei schaute ich auf den Boden, was nicht sehr überzeugend war. Mein Gegenüber legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und hob es an, sodass ich ihn anschauen musste. Wieder hatte er diesen aufrichtigen und entschuldigen Blick drauf. Eigentlich wollte ich ihm nicht direkt in die Augen schauen, aber ich hatte keine Wahl denn meine Augen wanderten immer wieder zu seinen. Auch wenn ich in den leeren Raum schauen wollte. "Nein, es ist nicht okay Chloé und das weißt du auch. Ich hätte es nicht tun sollen, weil ich weiß was du für mich empfindest." sagte er bestimmend und machte eine kurze Pause, in der er tief Luft holte- wahrscheinlich um nochmal nachzudenken was er jetzt sagen sollte. "Und ich wünschte ich könnte dir sagen, was ich für dich empfinde. Weil ich gesehen hab, wie sehr du in der letzten Zeit unter diesen Unwissenheit gelitten hast. Ich habe es ja auch. Deine Nähe nicht jeden Tag zu spüren, deinen zu süßen Duft, nicht mehr während der Pausen in meiner Nase zu haben wenn du wieder mal viel zu viel aufgetragen hast. Selbst deine scheiß Haare an meiner Kleidung habe ich vermisst. Und ich weiß da ist etwas bei mir. Ich empfinde etwas für dich, mehr als Freundschaft. Aber ich weiß nicht, ob ich wirklich in dich verliebt bin oder ob es Sehnsucht und Leidenschaft ist. Ob es nur der Sex ist. Oder ob es die Sehnsucht nach dir ist, weil ich dich so sehr vermisse. Aber ich kann es dir leider noch nicht sagen. Auch wenn ich nicht geplant hatte dich zu küssen, wollte ich nochmal deine Nähe spüren, dich bei mir haben so wie früher bevor ich mir entscheiden muss. Bevor wir in die Weihnachtsferien gehen." und ich musste die Worte die Mason sprach erstmal sacken lassen. Warum konnte es nicht einmal alles glatt laufen? Auch wenn es nicht Masons böse Absicht war, hatte der Kuss mich ziemlich verwirrt. Nicht wegen den Gefühlen zu ihm, sondern eher wie er sich entscheiden würde. Und jetzt weiß ich, was ich eben die ganze Zeit gespürt hatte. Hoffnung. In mir kam Hoffnung auf, dass Mason sich endlich entschieden hatte, für mich entschieden hatte. So schnell sie kam, so schnell wurde sie mir genommen. Und das tat verdammt weh. Es war wieder mal ein Stich in mein Herz. Ich konnte nichts darauf erwidern, nicht nur weil mir die Worte fehlten sondern auch weil ich unfähig war zu sprechen. So sehr ich auch wollte, ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte. "Es tut mir so leid." flüsterte er mir leise zu, dann spürte ich meine Lippen auf meiner Stirn, dabei fuhr er mit seinen Händen über meine Arme während ich meine Augen schloss, um diesen Moment vollkommen auszukosten. Und auf einmal war Mason weg. Er verschwand in der Menge und ich schaute ihm starr nach. Auf einmal wurde mir kalt, weil seine Wärme und Nähe verschwand. Und es kullerten einige Tränen meine Wange runter. Ich verstand immer noch nicht wieso er mich geküsste hatte. Wieso nahm er sich eigentlich das Recht heraus, diesen Schritt zu gehen und dann doch zurück zurudern. Der Kuss tat mir mehr weh als die ganzen restlichen Tage. Auch wenn ich verstand, dass er Zeit brauchte um über die Gefühle klar zu werden. Warum küsste er mich dann? Was wollte er damit bezwecken? Ich wurde einfach nicht schlau aus Mason. Ich war einfach nur verwirrt und verletzt. Mir war es in diesem Moment auch egal wer mich so sah, wer die Szene gesehen hatte. Wahrscheinlich hatte noch nicht einmal jemand auf uns geachtet, weil jeder mit sich selber beschäftigt war.
Plötzlich war ich fähig mich zu bewegen und meine Beine trugen mich von der Tanzfläche runter, zu den Menschen mit denen ich hergekommen war. Es war als wäre ein Schalter umgelegt wurden, als wäre es mir egal. Ich konnte auch keine heißen Tränen mehr spüren, die über meine Wange liefen. Doch ich wusste, dass es mir nicht wirklich egal war. Ich konnte es nur für jetzt hinter mir lassen, weil ich genau wusste, wie der Abend enden würde. Und ich musste hier raus, raus aus der scheiß Schule bevor mich noch jemand darauf ansprach- denn dann konnte ich für nichts garantieren. Dann würden die Gefühle über mich kommen.. Außerdem brauchte ich Alkohol, damit ich wieder in Stimmung kam. "Sollen wir verschwinden und in den Club gehen?" sprach ich an die Gruppe gewandt und schaute jeden von ihnen grinsend an. "Von mir aus." zuckte Sarah mit den Schultern, die bei Brad auf dem Schoß saß. Auch er stimmte zu und dann fiel mein Blick wieder zu Nate, ich forderte ihn stumm auf mit uns zukommen. "Ich glaub das ist nichts für mich, ich fahr wieder nach Hause." antwortete er mir schließlich und stand auf. "Nichts da." sagte ich schnell und lachte. "Du kommst mit. Wenns scheiße ist, kannst du ja ganz schnell wieder gehen und dann sag ich nichts. Aber schau es dir wenigstens an. Und du kannst mich mit denen doch nicht alleine lassen." sagte ich um ihn zu überzeugen und setzte meinen Hundeblick auf- ja nicht nur Sarah hatte ihn drauf. Anscheinend war ich überzeugend genug, denn er nickte mit dem Kopf. "Na, gut. Aber die ersten Runden gehen auf euch." "Perfekt." lachte ich und jetzt erhoben die anderen beiden sich auch. "Kommt wir machen vorher noch ein Foto." schlug Sarah vor und wir quetschten uns zu viert in die Fotobox und machten einige Fotos. Doch bevor wir in den Club fuhren, zogen wir uns noch um. Weil der Dresscode ja noch geändert wurde. Ich hatte ein weißes Spitzenkleid mit einem recht tiefen Ausschnitt, welcher goldene Blumen hatte. Vielleicht nicht das beste Outfit für einen Club, aber für diesen Abend auf jedenfall passend.

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