Einundachtzig

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Chloé

Mason wusste es. Er hatte es herausgefunden. Natürlich konnte ich es nicht ewig vor ihm verheimlichen, irgendwann musste er davon wissen. Das war mir auch klar. Doch ich wünschte er hätte es nicht so erfahren, nicht über Secrets. Ich wünschte, ich hätte es ihm selber gesagt. Doch jetzt konnte ich es nicht mehr rückgängig machen, es besser machen. Was hatte ich erwartet? Das ich noch Zeit hätte das ganze zu klären? Ich wusste ja selbst noch nicht mal wie ich damit umgehen sollte. Inzwischen sind einige Stunden seitdem wir in dem Diner saßen vergangen. Stunden zuvor nahm das Drama seinen Lauf. Der Morgen endete definitiv nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Und ich konnte noch nicht mal jemanden anderen dafür verantwortlich machen- außer vielleicht NY Secrets.
"Hey." begrüßte meine beste Freundin mich lächelnd nachdem sie mir die Tür aufgemacht hatte. "Hi, Sarah." schon zog sie mich in eine Umarmung. Ich war gar nicht erst bei mir zuhause gewesen und zu Sarah gelaufen. Ich hatte extra einen Umweg genommen, um vielleicht so meinen Kopf frei zu kriegen. Frei von den elenden Gedanken. Und zum Teil half es auch. Hoffentlich konnte sie mich ablenken, ich wollte einfach nicht darüber nachdenken.  Schließlich wollte ich wissen wie es gestern gelaufen war. "Komm doch rein." lud sie mich ein, machte die Tür weiter auf um gleichzeitig einen Schritt zur Seite zu machen. "Ich hoffe, ich stör nicht?" meinte ich fragend zu ihr während ich reinkam und im Flur stehen blieb um mir die Schuhe auszuziehen. Ihr Kopfschütteln entnahm ich als ein Nein. "ich wollte nach dir gucken, wir hatten ja nicht wirklich Zeit zu quatschen." fuhr ich fort und folgte Sarah in die Küche. "Chloé, hey schön dich zu sehen." Anne stand an der Arbeitsplatte, mit dem Gesicht zur Tür gerichtet. Sobald sie mich sah, winkte sie mit dem Messer in der Hand. In der einen Hand hielt sie ein großes Messer und war gerade dabei Tomaten zu schneiden. Um ihren Hals und Taille hatte sie eine Schürze gebunden, darunter trug sie eine Bluse und einige braunen Haare schauten unordentlich aus dem Pferdeschwanz raus. Sie lächelte mich an. Sarahs Mutter war einfach eine wunderschöne Frau, die immer noch ziemlich jung aussah. Ich erwiderte das Lächeln. "Hey Anne." Bevor noch jemand etwas erwidern konnte, stolperte Nate in den Raum rein. "Mum, wann gibt es endlich essen?" er klang nörgelig. Als er mich entdeckte, stockte Nate für einen kurzen Moment. "Hi, Chloé" "Nate." begrüßte ich ihn belustigt. Und ich könnte meinen, dass er sogar rot anlief. Doch er drehte sich mit dem Rücken zu mir, indem er zum Kühlschrank ging und diesen öffnete. "Wenn du mir helfen würdest, würde es schneller gehen. Und lass den Kühlschrank zu, Nate!" dabei konnte Anne sich ein Lachen nicht verkneifen. Nate hörte auf seine Mutter, machte den Kühlschrank wieder zu und ging auf sie zu. "Ich stehe dir zu diensten." bot er sich ironisch an. Dann richtete Anne ihren Blick wieder auf mich. "Isst du gleich mit, Liebes?" Die Versuchung war groß, denn hier roch es echt himmlisch. "Sorry, ich muss leider passen. Ich war grad noch mit Mason brunchen." antwortete ich ihr. "Ach komm, du musst was essen. Ihr Kinder esst sowieso zu wenig. Es gibt Lasagne." ließ ich mich von ihr überreden. Auch Sarah und ich halfen bei der Zubereitung. Es war nicht nur die Ablenkung die ich brauchte, es machte mir auch ziemlich Spaß. Gemeinsam zu kochen. Bei den Youngs war alles immer so harmonisch. Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal alle zusammen als Familie gemacht haben. Wann wir das letzte Mal einfach mal Zeit zusammen verbracht haben, unsere Mum sich Zeit für uns genommen hat. Auch wenn es nur die alltäglichen Dinge waren. Dafür beneidete ich Sarah ziemlich. Das Verhältnis zu ihrer Mutter, die immer liebevoll zu ihr war und nicht immer was zu kritisieren hatte. Ich sah es daran wie Anne mit ihren Kindern umging, wie sie mit ihnen sprach und sie voller Stolz anschaute. Doch ich konnte es ja nicht anders, meine Mum war halt nicht so wie Anne. Das habe ich schon lange akzeptiert doch nun wurde mir mal wieder bewusst, was mir vorenthalten wurde. In solchen Momenten vermisste ich meinen Dad, der so oft er konnte einfach Zeit mit uns verbracht hat. Ja, ich war neidisch, freute mich aber auch für meine beste Freundin. Das sie so ein Glück mit ihrer Familie hatte.
"Komm Chloé, wir gehen in mein Zimmer." schlug Sarah vor, nachdem wir das Essen beendet hatten. Ich hatte schon fast ganz vergessen warum ich eigentlich hier war. Die ganze Zeit über haben wir uns unterhalten, zusammen am Tisch gesessen und viel gelacht. "Macht das Mädels, dein Bruder hilft mir beim Abräumen." Anne schaute zu Nate. Ich musste unwillkürlich grinsen, denn dieser sah nicht gerade begeistert aus. Wir ergriffen die Chance und standen auf. "Danke, Nate." verabschiedete ich mich noch bevor wir in der Tür verschwanden und die Treppe nach oben in Sarahs Zimmer gingen. Dort setzten wir uns gegenüber auf das große Bett, lehnte ich mich ans Kopfende an und zog meine Beine zusammen. "Also wie war es gestern?" schoss es sofort aus mir raus sobald wir saßen. Ich konnte es kaum noch erwarten zu hören wie es zwischen Brad und ihr lief. Aus Sarahs Verhalten wurde ich auch nicht wirklich schlau. Sie wirkte zwar happy, aber ich wusste nicht was das bedeuten würde. Vielleich hatte sie mit der Sache abgeschlossen, vielleicht aber eben auch nicht. "Wir haben gestern ziemlich viel geredet und konnten einiges klären. Ohne das einer zu verletzt oder sauer war." war ihre schlichte Antwort, mehr sagte meine beste Freundin nicht. Erwartungsvoll schaute ich sie an und hob eine Augenbraue. "Und?" hakte ich nach. "Brad tut es unheimlich leid wie das gelaufen ist. Er bereut es getan zu haben. Ich glaube, dass er ein ziemlich schlechtes Gewissen hat." "Zurecht." unterbrach ich Sarah grinsend bevor sie fortfahren konnte. "Natürlich tat ihm die Trennung auch weh, nicht nur ich habe diesen Schmerz empfunden. Und ich glaube ihm seine Worte, sie klangen ehrlich und gestern Abend war er noch ziemlich emotional. Brad hatte aber auch ziemlich viel Alkohol getrunken. Und ich bin bereit ihm nochmal eine Chance zu geben. Es war ein einmaliger Fehler. Natürlich war seine Tat unter aller Sau und eigentlich unverzeihlich. Aber wir machen alle mal Fehler, keiner ist perfekt. Und ich liebe deinen Bruder nun mal. Und von Brad getrennt zu sein, schmerzt mir mehr als das was er gemacht hat. Er zeigt Reue, Chloé. Und es war ein Ausrutscher, er ist nicht so. Brad liebt mich auch. Wir haben eine Vergangenheit zusammen, er hat mir durch so schwere Zeiten geholfen- mit der Vergewaltigung. Brad war immer an meiner Seite, hat mich auf Händen getragen und auf ihn war immer Verlass. Er war derjenige, der mich zu den Therapiestunden überredet und immer wenn er Zeit hatte, mich begleitete. Ich konnte ihn immer anrufen, wenn die Erinnerungen zurückkamen. Wenn ich dachte dieser Albtraum wird wahr. Egal ob Tag oder Nacht, egal ob er in der Klausurenphase steckte oder nicht. Nenn mich naiv, Chloé.  Aber ich kann das was wir haben nicht einfach so wegwerfen nur weil wir nicht perfekt sind. Weil Brad einen einzigen Fehler gemacht hat. Das was wir haben, kann man nicht beschreiben. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen würde." während Sarah sprach, hörte ich ihr zu. Ich fokussierte mich auf das was sie sagte. Sie war einfach ein zu guter Mensch. Sarah hatte das Herz am rechten Fleck und sie sah immer das Gute in den Menschen- vor allem in denen die sie liebt. Egal wir weh sie ihr getan haben. Vielleicht war es eine Schwäche von ihr, aber ich fand es unglaublich stark. Sie hat die Kraft nach allem was vorgefallen war, Brad zu verzeihen. Über ihren Schatten zuspringen. Den Schmerz zu ignorieren. Aber meine beste Freundin hatte Recht, man konnte nicht eine ganze Beziehung zerbrechen lassen nur weil einer der beiden einen verdammten Fehler gemacht hatte. Vor allem nachdem was die beiden durchgemacht haben. Als Sarah von Brad und ihrer Beziehung sprach, hörte ich wie viel er ihr bedeutete. Wie sehr sie ihn liebte. Das sie so verbunden waren wie Mason und ich. Einfach bedingungslose Liebe. Wenn nicht sogar noch mehr. So viel Scheiß haben sie erlebt, sind aber wieder aufgestanden und haben weitergekämpft. Ich merkte wie viel Kraft Brad ihr gegeben hatte. Aber auch wie sie ihn erdete. "Du bist nicht naiv, Süße." fing ich an zu sprechen, dabei griff ich nach ihren Händen. "Du liebst Brad nun mal und dieses Gefühl kann man nicht einfach so abstellen. Und du siehst das gute in den Menschen. Seitdem er mit dir zusammen ist hat mein Bruder sich so positiv verändert. Du hast ihm gutgetan. Auch wenn ich anfangs gegen eure Beziehung war. Weil ich genau davor Angst hatte, Angst das Brad es verkacken und ich die Scherben zusammenkratzen würde. Denn immer wenn alles gut in seinem Leben läuft sabotiert er sich selbst. Baut er irgendeinen Mist. Ich bin ehrlich zu dir Sarah, ich weiß nicht ob er es nicht nochmal machen würde. Ich hoffe es nicht. Doch ich bin froh, dass Brad dir letztendlich die Wahrheit gesagt hat. Das er sein Missgeschick bereut, daraus lernt. Er ist einfach nicht mehr der alte, so wie ich ihn kannte. Nicht mehr der Fuckboy, der jedes Wochenende eine Neue hat oder seine Freundinnen wie Dreck behandelte. Du tust ihm wirklich gut Sarah, machst ihm zu einen besseren Menschen. Er ist ruhiger und glücklicher, als würde sein Herz endlich erfüllt werden. Ihr habt so viel miteinander durchlebt, das verstehe ich." ich schaute Sarah in die Augen. Ich freute mich für sie, für beide. Trotzdem wollte ich ehrlich sein, ihr das sagen was ich denke. Das mein Bruder nicht unfehlbar war, ich nicht versprechen konnte, dass er nicht wieder schwach wurde. Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr ich nach einer kurzen Pause fort. "Letztendlich ist es deine Entscheidung, Sarah. Und ich stehe hinter dir egal was kommt. Aber ich kann dir sagen, dass mein Bruder auch wegen eurer Trennung  gelitten hat. Du glaubst nicht wie Brad sich gehen gelassen hat, wie zerstreut er war. Nachts habe ich ihn sogar weinen gehört und ich habe ihn das letzte Mal als kleines Kind heulen gesehen. Er bereut seinen Fehler, ja. Er liebt dich auch und ihr passt zueinander. Ihr harmoniert als Paar, tut euch gegenseitig gut und wisst einfach wie ihr miteinander umzugehen habt." war noch alles was mir im Kopf rumschwirrte. Das Glück der beiden war mir ziemlich wichtig. Ich liebte meinen Bruder und Sarah auch. Deswegen musste ich ehrlich zu ihr sein. Ich musste sie nochmal warnen oder einen Denkanstoß geben. Damit Sarah weiß worauf sie sich einlässt. "Danke, Chloé. Wir werden es langsam angehen. Brad hat noch einiges zu tun bis ich ihm endgültig verzeihen kann. Und unser Vertrauen müssen wir neu miteinander aufbauen. Die Zeit wird denke ich zeigen ob es uns gelingt. Ob wir nochmal ein Paar sein können. Aber ich werde es definitiv versuchen. Ich werde Brad noch eine Chance geben. Es liegt jetzt in seiner Hand was er draus macht. Ich glaube wir müssen einfach ehrlich zueinander sein und mehr miteinander reden." An dem letzten Satz war was wahres dran. Sarah hatte Recht, Kommunikation war wichtig in einer Beziehung. Und auch mir fehlte es dabei. Aufmunternd lächelte ich sie an. Kurzerhand ließ ich ihre Hand los und strich Sarah über das Gesicht. Doch eine Frage blieb für mich noch offen. "Hat er dir eigentlich gesagt mit wem er geschlafen hat?" als ich die Worte aussprach, schluckte Sarah schwer. Ich sah ihr deutlich an, dass sie nicht wirklich darüber hinweg war. Schließlich waren ja auch erst einige Wochen vergangen. Sie schüttelte mit dem Kopf. "Nein, ich hab aber auch nicht wirklich nachgefragt." war ihre Antwort. Auch wenn ich wissen wollen würde, wer die andere war, war es nicht meine Entscheidung. "okay." erwiderte ich nur. Ich sah wie zufrieden und glücklich Sarah in diesem Moment aussah. Glücklich es nochmal zu versuchen, ich wollte ihr Blase nicht zerstören. "Mach's ihm aber nicht zu leicht, Brad soll schön kämpfen." fügte ich noch lachend hinzu. "Keine Sorge, das kriege ich hin." erwiderte Sarah auch lachend.

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