21 - Scheiße ist das kalt

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Der Sonnenuntergang taucht alles in ein sanftes Rot und ein leichter Wind pfeift zwischen den dichten Bäumen hindurch

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Der Sonnenuntergang taucht alles in ein sanftes Rot und ein leichter Wind pfeift zwischen den dichten Bäumen hindurch. Eine solch besinnliche Atmosphäre habe ich vermisst. Früher bin ich mehrmals in der Woche durch den Wald Joggen gegangen. Ich hätte genauso gut außen herumlaufen können, doch ich habe immer absichtlich die Route durch die Bäume gewählt. Nicht nur lässt es sich auf natürlichem Waldboden meiner Meinung nach viel besser laufen, ich liebe auch die Stimmen des Waldes. Während meiner Runden habe ich immer die Kopfhörer aus den Ohren genommen und den vielen Geräuschen gelauscht, dem lauten Zwitschern der Vögel, dem Wind, der durch die Äste weht und dabei ein Orgelspiel hinterlässt. Auch die Tiere die zwischen den Sträuchern hindurchhuschen, haben mich nie gestört. Normalerweise bin ich in der Dunkelheit ja ein ziemlicher Angsthase, aber wenn es angefangen hat zu dämmern, habe ich trotzdem immer wieder aufs Neue die Tour durch die Wälder gewählt. Dort hatte ich keine Angst. Ich liebe fast alles daran; angefangen beim Geruch der Tannen, über das deutlich kühlere Klima, bis zum Matsch der mir an der Hose hochspritzt, einfach alles. Seit der Oberstufe und meinem selten dämlichen Stundenplan habe ich einfach keine Zeit mehr für sowas. Im Winter ist das echt deprimierend. Da gehe ich im Dunkeln in die Schule rein und im Dunkeln wieder raus.

Also genieße ich diesen Spaziergang besonders. Wir gehen über einen schmalen Waldweg, der sich ziemlich oft gabelt. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, welcher Weg wieder zurückführt. Das ist das reinste Labyrinth. Zwar hat sich die Stimmung zwischen Max und mir ein wenig gebessert, aber meine Lüge und die Frage nach seiner Familie hängen immer noch schwer in der Luft.

„Willst du mich etwa gleich kaltblütig ermorden und anschließend meine Leiche an die Tiere verfüttern, um die Spuren zu verwischen?", versuche ich die Stimmung mit einem Witz aufzulockern. Anscheinend kein guter, denn er antwortet nichts. Abrupt bleibe ich stehen. Ich weiß so gut wie gar nichts über ihn. Ständig verhält er sich komisch. Oder ignoriert mich sogar ganz.

Wir sind nicht im 21. Jahrhundert. Ich habe kein Handy. Okay wahrscheinlich auch kein Netz im 21. Jahrhundert, aber das würde meinen dramatischen Gedankengang gerade zerstören. Also ignorieren wir das.

Offensichtlich hat Max mein Fehlen bemerkt, denn auch er bleibt stehen und dreht sich nun fragend zu mir um.

„Ich gehe mit dir durch einen Wald, durch einen Wald, in dem ich mich nicht auskenne, wohl bemerkt und vor allem kenne ich dich nicht!"

Wild gestikulierend und eine Antwort erwartend, sehe ich im tief in die Augen.

Kurz sieht er mir prüfend in die Augen bis er nach einiger Zeit schallend in Gelächter ausbricht. Ernsthaft?! Wagt er es tatsächlich mich auszulachen, wenn ich ihm meine Horrorfilm artigen Befürchtungen offenbare?

„Du hast mich neben dir im Bett schlafen lassen und machst dir Gedanken mit einem Fremden durch den Wald zu laufen", bei dem Wort Fremden malt Max betont Anführungszeichen in die Luft. Und ja, er lacht mich immer noch aus.

Hundred years back ||✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt