9 - Max du bist ein Genie!

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Mittwoch29

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Mittwoch
29.3.1916

Draußen ist es noch dunkel. Als ich mich zur Seite drehe, merke ich, dass ich alleine bin. Warum wundert mich sein Hinausschleichen überhaupt? Wie sagt man so schön? Wir sehen uns.

Ich habe totalen Durst und die Träume verfolgen mich so stark, dass ich fast nicht mehr schlafen kann. Ich bin immer noch total aufgewühlt. Den kleinen Aussetzer im Leben meiner makellosen Schwester hatte ich eigentlich längst wieder vergessen, wieso also träume ich genau davon? Vielleicht sehne ich mich ja einfach, nach meiner Schwester, der echten auch fehlerhaften Katharina und nicht derjenigen, die bloß die perfekte Tochter spielt.

Jedenfalls wäre es die einfachste und plausibelste Erklärung.

Auf dem Weg zur Küche höre ich ein Geräusch. Ich bin mir sicher, dass es aus der Bibliothek kommt.

Dort steht Max, ich schaue ihn an und er ist irgendwas an einem Regal am Herumfuchteln. Plötzlich bemerkt er mich und zuckt zusammen.

„Was machst du hier? Es ist noch mitten in der Nacht!"

„Sophie... Ich-ich wollte schonmal mit der Suche beginnen, aber bitte sei mir nicht böse. Es tut mir leid, dass du aufgewacht bist und ich dann weg war."

„Schon in Ordnung. Ich ziehe mir eben was anderes an dann suchen wir gemeinsam.", mit diesen Worten verschwinde ich zurück in mein Zimmer.

Das da eben war schon ein bisschen komisch. Wie kommt er bitte auf die Idee mitten in der Nacht mit der Suche zu beginnen. Aber ich war heute Nacht schon paranoid genug, um mir nun auch noch über Max Beweggründe Gedanken zu machen.

Frisch gekleidet laufe ich nach unten in die Küche, um noch etwas zu trinken, dabei stelle ich fest, dass wir schon 5 Uhr haben. Immerhin.

„Jeder eine Seite?"

„Okay, ich bin mir nur nicht sicher, ob wir was finden. Ich habe ja schon praktisch alles durchsucht.", sage ich, denn in diesem Moment kehrt die Verzweiflung von gestern zurück.

„Sophie-", Max packt mich sachte an den Schultern, „Ich bin mir sicher wir schaffen das."

„Das will ich hoffen." Murmele ich nur noch vor mich hin. Nach etwa einer halben Stunde bin ich wieder mutlos. Auf einmal höre ich ein Rums. Schnell drehe ich mich um und sehe Max auf dem Boden liegen.

„Die Leiter kam ins Wanken.", seinen Hinterkopf streichelnd setzt er sich auf.

„Bist du okay? Hast du dich irgendwie verletzt?"

„Nein, mir geht es gut, wirklich. Ich habe mir nur ein bisschen den Kopf gestoßen"

Vorsichtig nehme ich seinen Kopf in beide Hände und suche nach Verletzungen.

„Zufrieden?", fragt Max schmunzelnd, als er sieht, dass ich keine Verletzung entdecken kann.

Ich schaue in seine Augen und sein Kopf ist nur noch Zentimeter von meinem entfernt.

„Ja", hauche ich, denn viel mehr gibt meine Stimme nicht her.

„Sieh mal", sagt Max und zeigt auf eine lose Diele, welche sich bei seinem Sturz gelockert haben muss.

Ich will die Diele gerade wieder in den Boden drücken, da fällt mein Blick auf etwas darunter. Ich hebe die Diele vorsichtig an und sehe darunter einen Zettel und noch anderen Kram, welcher ziemlich nutzlos scheint. Ich schnappe mir sofort den Zettel. Ziemlich sicher, dass es der zweite Teil des Tagebucheintrags ist. Reine Intuition.

„Ich glaube dein Sturz hat sich gelohnt.", sage ich begeistert zu Max während ich den Zettel auffalte. Mein Gesicht muss förmlich leuchten bis sich vor meinen Augen die Buchstaben ordnen und ich zu lesen beginne. Auf dem Zettel stehen lediglich 6 kleine Abschnitte, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Die Erleichterung und Freude, welche ich ein paar Sekunden zuvor noch verspürt habe, verfliegt schlagartig. Handelt es sich vielleicht doch nicht um die zweite Hälfte des Tagebucheintrags? Im ersten Teil schrieb er doch, ein norwegischer Zeitreisevertreter hätte ihnen Hinweise auf die Orte gegeben, an denen sich die Einzelteile der Uhr befinden. Aber diese Zeilen, haben nichts mit Orten zu tun, sie hängen ja nicht einmal irgendwie zusammen.

„Und? Sophie was steht da? Ist es der Tagebucheintrag?" Max schaut mich erwartungsvoll an, doch ich bin zu verwirrt und enttäuscht, um in ganzen Sätzen zu reden.

„Ich-" „Hä?!" Keine Ahnung"

„Sprich doch nicht in Rätseln Sophie. Ist es jetzt der Richtige oder nicht?"

Rätsel...Das ist es!

„Max du bist ein Genie!" Mit strahlendem Gesicht falle ich ihm um den Hals.

Ich lese mir den ersten Abschnitt noch einmal durch, jetzt wo ich weiß, dass es ein Rätsel ist, doch das bringt mich auch nicht weiter. Wer auch immer sich die ausgedacht hat, wollte, dass diese nicht in falsche Hände geraten.

Nachts bringe ich die Sterne zur Geltung, bedürfen Poeten zu sagen

und abends erhelle ich in wunderschönen Farben.

Doch bin ich nicht der eine, der für alle ist zu sehen,

denn nur der Herr des Hauses bewundert mich vor dem zu Bett gehen.

Ich reiche den Zettel an Max weiter, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was die Lösungen dieser Rätsel sind. Je länger Max genauso verwirrt wie ich auf die Verse starrt, desto verzweifelter werde ich. In Knobelaufgaben war ich noch nie gut, dazu fehlt mir einfach die Fantasie.

„Nachts bringe ich dir Sterne zur Geltung...abends erhelle ich in wunderschönen Farben... Damit muss der Himmel gemeint sein."

„Aber was soll das mit dem nicht für alle zu sehen und dem Herrn des Hauses?". Warum sind die auch so kompliziert? Ich will doch einfach nur nach Hause. Womit habe ich das verdient? Das Karma dachte sich wohl so „okay da hat jemand im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst, katapultieren wir sie doch mal schnell in die Vergangenheit und weils lustig ist bürden wir ihr ein bisschen Poesie auf, damit sie Stück für Stück den Verstand verlieren kann". Wenn die Teile doch an einem vorgesehenen Ort landen, warum kann dieser dann nicht einfach beim Namen genannt werden?

Darauf hat auch der große Mann neben mir keine Antwort.

Max muss niesen, als ein Sonnenstrahl durch die hohen Fenster strahlt und ihn an der Nase kitzelt.

„Mist. Ich habe die Zeit total vergessen, dein Großvater erwartet mich". Und schon eilt er raus, ohne sich nochmal zu mir umzudrehen. Na immerhin hat er mir noch schnell den Zettel in die Hand gedrückt. Trotzdem merke ich, wie eine leichte Enttäuschung sich in mir breit macht. Aber wieso? Wahrscheinlich fühle ich mich in meinem Stolz verletzt.

Im Laufe des Tages lese ich mir die Rätsel immer wieder durch, sodass ich sie womöglich schon auswendig kann, doch je öfter ich sie lese, desto mehr verwirren sie mich. Ich erkenne einfach keinen Sinn hinter ihnen. Die letzte Nacht war ziemlich anstrengend, weshalb ich auch jetzt schon im Bett liege. Ein Blick auf die Uhr hat mir eben verraten, dass es kurz nach neun ist. Ich bin erschöpft, aber nicht müde genug um zu schlafen. Ich starre das Himmelbett über meinem Kopf an.

Immer wieder denke ich an die Rätsel. Welchen Himmel kann denn nicht jeder sehen? Dann schießt es mir plötzlich in den Kopf. Klar, mit dem Rätsel muss ein Himmelbett gemeint sein. Aber welches? In diesem Haus gibt es doch gar keine anderen, außer im Dienstbotentrakt? Dann erinnere ich mich an den zweiten Teil des Gedichts.

Doch bin ich nicht der eine, der für alle ist zu sehen,

denn nur der Herr des Hauses bewundert mich vor dem zu Bett gehen.

Das Bett von Willi und Katharina!

Zufrieden endlich einen Anhaltspunkt zu haben, klopfe ich mir innerlich auf die Schulter. Doch der Schlaf übermannt mich, also beschließe ich gleich morgen früh nachzusehen.

Hundred years back ||✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt