34 - Auf die Zukunft II

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Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie lange wir schon hier liegen. Max liegt mittlerweile irgendwie unter mir und leicht gegen das Kopfteil des Bettes gelehnt, während mein Kopf auf seiner Brust liegt und meine Finger über seine Arme wandern.

„Wir müssen reden Sophie...", dringt es zögerlich an mein Ohr.

„Ja, ich weiß." Aber ich habe nicht den blassesten Schimmer wo ich anfangen soll.

Max nimmt einen Brief vom Nachttisch und reicht ihn mir. Den hatte ich vorhin gar nicht bemerkt. Womöglich weil ich zu beschäftigt damit war, Max anzuschmachten.

Ich ziehe die Augenbrauen hoch, weil ich keine Ahnung habe, was ich damit anfangen soll. Er ist versiegelt.

„Den habe ich geschrieben - an mich selbst. Ich weiß, dass meine Erinnerungen verloren gehen werden, aber ich will trotzdem wissen wer ich bin. Bewahre ihn gut auf. Gib ihn mir zum richtigen Zeitpunkt. Dann wenn du sicher bist, dass ich alles verstehen kann. Ich habe keine Ahnung was alles auf mich zukommt und bin auf deine Hilfe angewiesen. Sorge bitte dafür, dass ich so bleibe wie ich bin."

Das ist genial. Das wäre mir im Leben nicht eingefallen. „Natürlich, ich werde immer für dich da sein. Glaub mir, ich bleib bei dir und ich passe gut auf deinen Brief auf. Versprochen!"

Um mein Versprechen zu besiegeln küsse ich ihn ganz sanft und unschuldig auf den Mund.

„Und jetzt Schlaf gut."

Tatsächlich schläft Max kurz darauf ein, obwohl sein Herz bis gerade eben noch ganz stark und ungleichmäßig gepocht hat, was auch verständlich ist, in Anbetracht dessen, dass er keine Ahnung hat was auf ihn zukommt. Doch leider geht die Rechnung bei mir nicht ganz auf. Denn egal was ich mache, ich kann immer noch nicht einschlafen und während ich noch darüber philosophiere, wie es einem gelingt sich selbst verrückt zu machen, weil man nicht schlafen kann, weil man sich wiederum zu sehr verrückt macht, wird es bereits auch schon wieder hell.

Ich habe keine eine Minute geschlafen und bin todmüde.

Nach einem Blick auf die Uhr beschließe ich ins Bad zu gehen und mir meine optische Menschlichkeit wieder zurück zu holen.

Zum dritten Mal schon schütte ich mir ein Schwall kaltes Wasser ins Gesicht, aber seinen Zweck erfüllt es immer noch nicht. Aus dem Spiegel schauen mir fahle, blasse Haut und tiefdunkle Augenringe entgegen und ich weiß nicht mehr was ich noch machen soll.

Ich beschließe komplett zu baden.

Als ich aus der Wanne steige fühle ich mich ein bisschen besser. Trotzdem sind meine Beine wackelig. Ich weiß, diesmal wird der Zeitsprung klappen und das erfüllt mich gleichzeitig mit Freude und Angst.

In ein Handtuch gewickelt laufe ich zurück nach nebenan in mein Zimmer, um mir mein blaues Kleid von der Hochzeit zu schnappen.

Diese Nacht habe ich beschlossen es wieder zu tragen, damit meine Ich-bin-entführt-worden-Geschichte ein bisschen glaubwürdiger ist.

„Guten Morgen." Kommt es munter aus meinem Bett.

Ruckartig drehe ich mich um.

„Ich dachte du schläfst noch."

„Nein. Und du hast es scheinbar die ganze Nacht nicht."

„Seh ich so schlimm aus?"

„Nein, so bloß im Handtuch siehst du bezaubernd aus. Ich meinte, dass ich keinen tiefen Schlaf habe und deine unruhige Atmung an meiner Brust gespürt habe."

Achso.

„Was hältst du von einem Kaffee?"

Allein das Wort auf seinen Lippen schenkt mir schon neue Energie.

Hundred years back ||✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt