9. Kapitel

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Laura Fischer trat entschlossen in die Pedalen ihres Fahrrads, während der Regen unbarmherzig auf sie niederprasselte.
Am Mittag, als sich alle Schüler in die Kantine begeben hatten, waren Laura auf dem Flur ein grosser, schlaksiger Junge mit braunen Locken und ein kleinerer, schwarzhaariger Junge mit olivfarbener Haut in die Arme gelaufen.
„Florian, Ricardo ich hab euch heute in Sport vermisst."
In Wirklichkeit kannte sie die Namen aller Schüler bereits. Tarek fuhr einfach bei jeder Gelegenheit aus der Haut. Vor allem heute schien er besonders reizvoll gewesen zu sein.
„Tut uns leid, Frau Fischer. Aber es gab einen echten Notfall", hatte Florian scheinheilig gemeint.
„Es ist sowieso gut, dass wir sie treffen. Haben sie Herrn Schmidt gesehen? Wir müssen mal mit ihm reden", hatte Ricardo ergänzt.
„Mit Herrn Schmidt?", hatte sie verwundert gefragt.
„Ja, wir haben seinen Hund heute einsam und verlassen im Wald am See gefunden."
„Er war verletzt und wir haben ihn zum Tierarzt gebracht. Herr Schmidt kann ihn um 16:00 dort abholen", hatte Florian geschlossen.
„Ach so, deshalb der Notfall. Hmm...ich werde es Herrn Schmidt mitteilen. Geht ihr nur schon mal in die Kantine etwas essen."
Das hatten sich die zwei Jungen nicht zweimal sagen lassen und waren dankend verschwunden.
Laura war verwirrt zurückgeblieben. Das Ganze war äusserst beunruhigend. Erst erschien Matthias nicht zum unterrichten und jetzt war auch noch sein Hund verletzt aufgefunden worden.
Sie schloss daraus, dass ihrem Kollegen auf seinem täglichen Spaziergang etwas passiert war.
Entschieden hatte sie sich auf den Parkplatz zu dem Unterstand begeben, unter dem die Fahrräder standen.
Als sie vom Platz gefahren war, hatte sie Tarek ausmachen können, der sich gerade in einen der Mülleimer übergab.
Seufzend war sie weiter geradelt. Um ihn würde sie sich später kümmern.
Laura wusste, dass Matthias jeden Morgen mit seinem Hund um den See spazierte bevor er sich zur Arbeit begab.
Bis zum Parkplatz auf dem er immer sein Auto parkte, war es von der Schule ein ganzes Stück Weg. Doch Laura war gut konditioniert und so fuhr sie wenig später auf den Parkplatz, von dem der Weg um den See abzweigte.
Sogleich erspähte sie den blauen Toyota ihres Kollegen.
Eiligst hatte sie sich auf den Waldweg begeben.
Der Boden war vom Regen völlig aufgeweicht und Wasser tropfte von den Bäumen auf sie hinab. Die Oberfläche des Sees wurde durch den heftigen Wind in Bewegung versetzt und leichter Nebel erschwerte die Sicht.
Doch davon liess sich Laura Fischer nicht beeinflussen.
Sie fuhr unbeirrt weiter und suchte aufmerksam nach einem Hinweis auf den Verbleib von Matthias.
Schliesslich fiel ihr unten am Ufer ein junger Mann auf. Er befand sich in der Hocke und war offensichtlich über etwas gebeugt. Dieses Etwas wurde jedoch von seinen breiten Schultern und seinem dunkelblonden Haarschopf verdreckt.
„Hey, Sie da!", rief Laura als sie bremste und rasch von ihrem Rad abstieg.
Der junge Mann drehte abrupt den Kopf zu ihr um.
Laura erstarrte als seine grauen Augen sie fixierten. Sie hätte gerne den Blick abgewendet, doch es war ihr nicht möglich. Sie hatte das Gefühl seine Augen würden tief in ihr inneres eindringen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er sie wieder freigab.
Laura sah atemlos zur Seite und blinzelte perplex. Es war bestimmt nur eine Sekunde gewesen, doch als sie den Blick wieder zurück zu dem Jungen richtete, war dieser verschwunden.
Stattdessen war jetzt der Blick frei auf die erschütternde Wahrheit. Laura erschauderte als sie die Leiche erblickte. Es war noch schlimmer als sie befürchtet hatte. Anders als angenommen war Matthias Schmidt nicht bloss, durch einen Unfall oder einen Herzinfarkt gestorben. Er war ermordet worden. Und sie war gerade seinem Mörder gegenübergestanden, der die Leiche offenbar im See hatte verschwinden lassen wollen.
Sie atmete tief durch. Misstrauisch blickte sie sich um, während sie fahrig ihr Handy aus der Tasche fischte und hastig die Nummer der Polizei eintippte.

The devil is a dreamer * Episode 2: Vermisst*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt