20. Kapitel

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„Ich bin wirklich froh, dass sie sich so schnell bereiterklärt haben uns auszuhelfen, Herr Bergmann. Der Tod von Matthias Schmidt hat uns alle sehr getroffen und ich möchte, dass der Alltag für die Schüler so normal, wie möglich weiterläuft. Sie sollen in der Schule nicht auch noch die ganze Zeit an einen eventuellen Mörder denken müssen", Ferdinand Weber gab ihm seine Bewerbungsmappe zurück und faltete dann die Hände auf dem Schreibtisch.
Richard lächelte schwach:" Na ja, als ich hörte, dass der Sport und Religionslehrer tot aufgefunden wurde, konnte ich das unmöglich ignorieren. Es schien mir wie ein Zeichen, da ich doch selbst Religion und Sport unterrichte."
„Ja, es ist wirklich ein ungewöhnlicher Zufall, wenn man bedenkt, dass sie erst vor wenigen Tagen hierher zurückgekehrt sind", Herr Weber warf ihm durch seine Hornbrille einen kurzen, intensiven Blick zu.
Ferdinand Weber war ein grosser Mann, dessen lockigen, braunen Haare langsam ergrauten. Er trug ein schwarzes Jackett und ein reines weisses Hemd.
Für Richard gab es keinen Zweifel, dass dies der Vater der zwei Jungen war, deren Bekanntschaft er heute bereits hatte machen dürfen. Er hatte die gleichen unbeugsamen bernsteinfarbenen Augen, wie seine Söhne.
„Ja, hätte ich gewusst was alles schlimmes passieren würde hätte ich das wahrscheinlich gelassen. Sie haben immer noch nichts Neues von dem Jungen erfahren der vermisst wird, oder?", Richard war froh, dass seine Stimme einigermassen normal klang.
Ferdinand Weber schüttelte bedauernd den Kopf:" Die Polizei führt ihre Suchaktion heute weiter. Wir können nicht mehr tun als zu hoffen, dass sie ihn wohlbehalten finden."
Richard nickte. Sein lächeln bröckelte und er war froh, als Ferdinand Weber schliesslich aufstand um ihm die Hand zu schütteln.
„Dann wünsche ich Ihnen morgen einen guten ersten Arbeitstag. Ich werde Sie informieren, wenn ich jemand anderen gefunden habe."
„Danke, Herr Weber. Ich hoffe wir können diese schlimmen Ereignisse bald hinter uns lassen", Richard stellte überrascht fest, dass er es tatsächlich ehrlich meinte.
Trotzdem war er erleichtert, als er endlich aus dem Zimmer draussen war. Ihn hatte fast der Schlag getroffen, als er herausgefunden hatte, dass der Schulleiter den Nachnamen Weber trug. Scheinbar verfolgte ihn diese Familie heute überallhin.
Er hatte beschlossen seinem neuen Vorgesetzten lieber nicht zu erzählen, dass er seinen einen Sohn heute früh erst hatte entführen wollen und dass der andere ihn beinahe hatte auffliegen lassen. Doch konnte es tatsächlich ein Zufall sein, dass er sie alle so kurz aufeinander getroffen hatte?
Alles was Richard wusste war, dass das Buch gewollt hatte, dass er diesen Lehrer umbrachte um danach seine Stelle einzunehmen. Doch wozu?
Richard sah misstrauisch hinab auf seine Aktentasche in der das Buch verwahrt war.
Auf den langen Fluren der Schule war es ungewöhnlich still. Die Jacken und Schuhe waren von den kleinen Garderoben, die mit den verschiedensten Stickern verziert waren, verschwunden. Dafür drang draussen vom Pausenhof lautes Geschrei an Richard's Ohren. Es brachte ihn zum Lächeln. Beim Spielen gab es für Kinder keine Angst und keine Sorgen. Sie waren dann weit entfernt, von Mördern und Entführern.
Richard's Griff um seine Tasche versteifte sich.
Denn jetzt war er hier, ein wahnsinniger Lehrer, in der unmittelbaren Nähe unschuldiger Kinder. Was wenn das Buch ihn dazu zwang, einem von ihnen etwas anzutun?
An den Fensterscheiben hatten die Kinder mit Fingerfarben ihre Handabdrücke hinterlassen. Doch was Richard sah, war Blut das langsam die Scheibe hinab rann.
Er blieb fassungslos stehen. Sein Atem beschleunigte sich. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er konnte das Buch flüstern hören, wie es ihm dunkle Gedanken in den Kopf pflanzte.
Hilflos flüchtete er sich in eines der leeren Klassenzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Er zog das Buch aus seiner Tasche und warf es angewidert von sich.
Es blieb einfach leblos auf dem Boden liegen, wie ein komplett normales Buch. Sein brauner Ledereinband liess nichts davon erahnen, was sich dahinter verbarg.
Richard schloss die Augen und versuchte damit verzweifelt alles Dunkle auszuschliessen.
Erst schien es nicht zu gelingen und die Stimme in seinem Kopf wurde lauter. Doch dann schlich sich plötzlich das Gesicht von Laura Fischer in seine Gedanken. Ihre dunkelblauen Augen sahen ihn aufgeweckt an. Er sah sie, wie ihr Körper vor ihm herumwirbelte und ihre Haare sanft mitschwangen. Sie streckte die Hände nach ihm aus und wollte ihn mit einem schelmischen Grinsen zum tanzen auffordern.
Er merkte, wie sich sein versteifter Körper entspannte. Sein Herzschlag wurde wieder normal und als er die Augen öffnete war die Stimme vollständig verschwunden.
Nur noch das Buch lag unberührt am Boden.
Richard sah voller Hass auf es hinab. Schon zum zweiten Mal hatte er es heute geschafft ihm zu widerstehen. Doch obwohl er anfing zu sich selbst zurückzufinden wusste er, dass das Buch keineswegs an Kraft eingebüsst hatte. Es hatte ihn immer noch in der Hand und konnte ihm befehlen jemandem in seinem Umfeld etwas anzutun.
Richard ballte die Fäuste. Er ahnte auf wen es das Buch abgesehen hatte. Dem Buch gefiel es nicht, dass er in Laura eine solch starke Quelle der Kraft gefunden hatte. Doch er würde es nicht zulassen, dass ihr etwas passierte. Er musste das Buch ein für alle mal loswerden.
Entschlossen hob er es vom Boden auf. Fahrig sah er sich um.
Wenn er das Buch einfach an jemanden weitergab, wäre er vielleicht endlich frei. Dann konnte der Geist des Buches jemand anderen für seine üblen Machenschaften missbrauchen.
Sein Blick viel auf einen Schulrucksack in der vorderen Reihe. Ohne nachzudenken ging er darauf zu und steckte eiligst das Buch zu den anderen Schulbüchern dazu.
Gehetzt verliess er anschliessend das Klassenzimmer.
Eine merkwürdiges Gefühl der Befreiung erfasste ihn, als er die Tür hinter sich Schloss. Die dunkle Hand, die sich seit dem er das Buch gefunden hatte allzeit über ihm geschwebt war, war nun verschwunden.
Beschwingt lief er den Gang entlang.
Er verschwendete keinen Gedanken an das Kind,  dem er gerade sein Buch vermacht hatte. Er hoffte nur das Buch würde es nicht schaffen, sich an einem unschuldigen Kind zu vergreifen.
Doch er hatte nicht gelesen was auf den Heftern stand, die auf dem Pult ebenjenes Kindes lagen. Darauf war es in verschnörkelter Kinderschrift der Name, Lily Weber geschrieben.

The devil is a dreamer * Episode 2: Vermisst*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt