15. Kapitel

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Um 20:36 schrieb Florian in den Klassenchat:

Hey, ihr Loser! Die Leiche vom Schmidt wurde am See gefunden und sein Mörder war offensichtlich auch da. Ach, und Jona wird vermisst. Schlaft schön!

Miriam lief es kalt den Rücken runter als sie das las.
Sofort rief sie Samira an.
„Melanie, was ist?", meldete sich ihre beste Freundin sogleich.
„Hast du es gelesen?", fragte Miriam ohne grosse Einleitung.
„Ja, ich hab erst gedacht ich spinne."
Miriam konnte sich vorstellen, wie ihre Freundin gerade auf ihrem Bett lag, ihren Computer vor sich und ungläubig den Kopf schüttelte
„Samira es ist schrecklich! Ich mach mir solche Vorwürfe", Miriam lief aufgeregt in ihrem Zimmer herum.
„Warum das?" Samira verstand nicht.
„Ich hab dir doch erzählt, dass Jona mir gestern gestanden hat, dass er in mich verliebt ist und jetzt ist er plötzlich verschwunden..."
„Jetzt mach mal langsam, Miri. Wir wissen doch noch gar nicht, ob das alles stimmt. Ich meine es war  immerhin Flo der das geschrieben hat.", Samira zweifelte zurecht. Doch für Miriam war die Sache klar.
„Doch Samira ich bin mir sicher, dass es stimmt. Flo muss es von seinem Vater wissen, der wird als Schulleiter doch sofort informiert."
„Meinetwegen. Aber deswegen ist es noch lange nicht deine Schuld."
„Aber was, wenn er doch nicht nach Hause gegangen ist, weil er enttäuscht und wütend war und dann..."
Miriams hastiges Gestammel wurde von Samira's fester Stimme unterbrochen:" Es ist Jona, der wird nicht wütend."
„Ist doch egal, was war. Jona wird vermisst, Sam. Wir müssen etwas tun...wir müssen ihn suchen!", Miriam war sich bewusst, dass sie völlig verzweifelt klang. Erschöpft setzte sie sich auf ihre Fensterbank und sah hinaus auf die Wiesen und Wälder.
„Miri, vergiss es! Wir können nichts tun. Die Polizei wird sich darum kümmern", belehrte sie Samira.
„Nein, das geht nicht! Ich kann nicht einfach nur untätig rumsitzen. Wir sind alle verantwortlich dafür, dass er weg ist. Er war schliesslich total betrunken als wir ihn das letzte Mal gesehen haben!"
„Beruhige dich, Miri. Ich bin mir sicher..."
„Ich werde ihn suchen gehen!", fiel Miriam ihrer Freundin ins Wort. Sie war nun vollkommen entschlossen.
„Wann? Heute?", fragte Samira spöttisch.
„Nein, morgen früh", berichtigte Miriam. Hoffnungsvoll fragte sie:" Kommst du mit?"
Samira seufzte laut:" Muss ich ja wohl."
Miriam lachte glücklich. Auf ihre beste Freundin war nun mal Verlass.

Rico war vom Training heimgekommen und gleich unter die Dusche gesprungen.
Als er jetzt in sein Zimmer kam und das Licht anzündete bekam er einen riesigen Schreck, als unvermutet ein grosser, lockenhaariger Junge vor ihm stand und ihn blöd angrinste.
Er zuckte heftig zusammen und verlor dabei beinahe das Handtuch, dass er sich um die Hüften geschlungen hatte.
„Verdammt nochmal, Flo. Kannst du nicht die Tür benutzen, wie normale Leute das machen?"
„Wenn du nicht möchtest, dass ich durchs Fenster komme, solltest du es nicht immer offen stehen lassen", Florian liess sich ungerührt aufs Bett fallen.
„Ach, halt die Klappe", Rico lief zu seinem Schrank um sich anzuziehen.
Sie wussten beide, dass Rico das Fenster offen lassen würde. Es stand offen seit ihre Freundschaft bestand. Im Winter war es immer nur angelehnt, sodass man problemlos hinein und hinaus gelangen konnte. Seit jeher war Florian dadurch zu ihm ins Zimmer gekommen. Sie hatten geredet, Filme angesehen und gemeinsam die Nächte durchgemacht. Wenn dann Rico's Eltern gekommen waren, weil sie etwas gehört hatten, hatte sich Florian schnell im Schrank, oder unter dem Bett versteckt. Einmal im Spätherbst hatte er sich draussen vor dem Fenster in Sicherheit gebracht. Dummerweise hatte Rico's Mutter ihm genau an diesem Abend ein längeres Gespräch aufdrücken wollen. Als sie dann endlich ging, war Florian schon ganz durchgefroren.
„Wie war das Training?", fragte Flo während er zu einem von Rico's vielen Fußballpostern sah. Es war ein Bild von Rico's Lieblingsverein, des FC Bayern-München. Florian hatte das Bild in einem unbeobachteten Moment mit Filzstift verschönert, indem er den Spielern Schnurrbärte gemalt hatte.
„Ging so, ich war noch etwas fertig von gestern", Rico griff sich eine Unterhose und ein T-Shirt und begann sich anzuziehen.
„Du hast meine Nachricht noch nicht gelesen, oder?", fragte Florian. Der spöttische Unterton war für einmal verschwunden, was Rico aufhorchen liess.
„Welche Nachricht?"
„Schau mal im Klassenchat", wies Florian ihn an.
Rico lief skeptisch zu seinem Nachttisch und griff nach seinem Handy, dass dort am Laden war.
Seine Blick verdunkelte sich, als er Florians Mitteilung las.
„Ist das dein Ernst?", fragte er seinen Freund misstrauisch. Er kannte Flo's Scherze.
„Mein voller Ernst, Mann", seufzte Florian. Dann fing er an zu grinsen:" Schätze ich hatte Recht, was den Schmidt angeht."
„Darüber macht man keine Witze, Alter", aufgewühlt las Rico seine Sporttasche vom Boden auf und begann sie auszupacken.
„Mach ich auch nicht. Die Situation ist bitter. Du weisst ja, was das heisst?"
„Nein, weiss ich nicht", selbst Rico fiel es oft schwer auszumachen, was in Florian's Hirn ablief. Manchmal hatte er das Gefühl, dass die Synapsen seines Freundes irgendwie falsch verbunden waren.
Florian richtete sich auf:" Es bedeutet, dass hier irgendwo ein mordlustiger Psychopath herumläuft, der auf der Suche nach seinem nächsten Opfer ist."
„Toll, danke dass du das so farbenfroh beschreibst", Rico rollte mit den Augen, während er seine Schmutzwäsche in seinen übervollen Wäschekorb kippte.
„Tja, und es ist unsere Aufgabe ihn zu fangen", Florian grinste.
Rico starrte seinen Freund perplex an. Dieser schien es offensichtlich ernst zu meinen.
„Hörst du dich eigentlich selber reden? Du sagst, dass der Mörder nach weiteren Opfern sucht und wir gleichzeitig versuchen sollen ihn zur Strecke zu bringen? Lauf doch gleich mit einem „Ich sterbe freiwillig" Schild herum."
„Das wäre wirklich eine Überlegung wert. Vielleicht lockt das den Mörder aus seinem Versteck", überlegte Florian.
Rico seufzte.
„Aber du weisst ja noch gar nicht alles. Gefunden hat die Leiche nämlich die Fischer", lenkte Florian ein.
„Die Fischer?"
Florian nickte:" Und jetzt kommt das beste. Sie hat den Mörder gesehen. Offensichtlich irgend ein Typ in unserem Alter, mit dunkelblondem Haar und grauen Augen, der wie aus dem nichts aufgetaucht und auch sofort wieder verschwunden ist."
Rico's Augen wurden gross:" Der Typ ist gleich alt wie wir? Das ist ja krank."
„Tja, früh übt sich", Florian stand auf und griff nach dem Lichtschwert, das ans Bett gelehnt war.
„Also der Plan sieht folgendermassen aus, wir werden morgen früh gleich losgehen und die Gegend absuchen und wenn wir den Typ finden dann...", Florian schwang das Lichtschwert durch die Luft:" Was sagst du dazu?"
„Nein, auf keinen Fall", antwortete Rico entschieden.
„Hey, wieso nicht? Ich meine, das ist nicht bloss ein Spiel sondern es geht um unseren Klassenkameraden. Wir können ihn doch nicht einfach im Stich lassen", warf Florian ein.
Rico schluckte. Er hatte es möglichst vermieden an Jona zu denken:" Meinst du, der Typ hat Jona umgebracht?"
Florian zuckte unsicher mit den Schultern:" Ich will das einfach nicht glauben. Deswegen werde ich morgen auch losziehen und nach ihm suchen. Jojo, darf nicht tot sein."
Rico sah, wie die Hände seines Freundes sich um den Griff des Lichtschwerts verhärteten.
Rico konnte ihn verstehen. Sein Freund schien zwar oft verantwortungslos und unbedacht, doch er hatte ein Herz aus Gold. Florian konnte es nicht ertragen andere Leute traurig zu sehen.
Rico nickte bestimmt:" Dann komm ich mit. Dieser Typ soll lernen, was er bekommt wenn er in unser Revier eindringt und wahllos Leute tötet."
Florian hob grinsend das Lichtschwert in die Höhe:"Er wird es noch bereuen überhaupt hierher gekommen zu sein."
In Wirklichkeit wussten sie beide, dass ihr Vorhaben ziemlich hirnverbrannt war. Doch ihre Hoffnung ihren Freund zu finden, war stärker als die Angst vor einem angeblichen Mörder.

The devil is a dreamer * Episode 2: Vermisst*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt