7. Kapitel

42 1 0
                                    

Rico sass zusammen mit Florian im Warteraum. Als die Ärztin auf sie zukam fuhren sie beide hoch.
„Ist mit ihm alles okay?", fragte er aufgeregt.
„Oh bitte sagen sie uns, dass er es überlebt", flehte Florian.
Die Tierärztin lachte.
„Ja, ich glaube Trixie wird es überleben. Aber ihre Wunde muss genäht werden, deshalb werden wir sie jetzt erst mal in Narkose versetzten."
„Trixie? Heisst das sie haben ihren Chip gecheckt?"
„Das war nicht nötig. Trixie kommt öfter zu uns in die Praxis. Allerdings war sie bis jetzt immer in Begleitung ihres Herrchens."
Rico atmete auf. Er war erleichtert, dass der Besitzer des Hundes gefunden worden war und sie sich somit nicht weiter um ihn zu kümmern brauchten. Seine Eltern waren ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen, wenn er nun auch noch den ganzen Tag schwänzte würde sich seine Strafe womöglich noch ausweiten.
„Wer ist denn der Besitzer?", hakte Flo neugierig nach.
„Ein gewisser Matthias Schmidt. Wir werden ihn nachher gleich anrufen."
Florian und er tauschten einen Blick.
„Sie werden ihn jetzt wohl nicht erreichen können. Versuchen sie es besser um die Mittagszeit", riet Rico ihr.
„Ja, er wird gerade damit beschäftigt sein ein paar faule Teenager zu quälen", Florian zuckte bedauernd mit den Schultern.
Die Tierärztin zog die Augenbrauen hoch:" Ach, ihr kennt ihn?"
Rico nickte.
„Er ist unser Lehrer in Sport und Geschichte", klärte Flo sie auf.
Sie lächelte:" Na, wenn das so ist dann könnt ihr ihm ja die Nachricht überbringen, dass er seinen Hund um 16:00 bei uns abholen kann."
„Klar, können wir machen", meinte er.
„Dann wäre das geklärt. Danke euch nochmal Jungs, dass ihr sie gefunden und hergebracht habt. Das war sehr aufmerksam von euch."
„Dafür müssen sie nicht uns danken. Nicht wahr Rocky? Du bist hier der wahre Held", Florian drehte sich zu seinem Hund der die ganze Zeit ruhig bei seinen Füssen gelegen hatte.
Dieser hob den Kopf und bellte bestätigend.

Tarek stand unter der Dusche und liess das warme Wasser über seinen geschundenen Körper laufen. Er war der letzte der noch hier war. Er hatte absichtlich getrödelt, weil er nicht wollte, dass die anderen seine Verletzung sahen. Er mochte Sport ohnehin nicht, doch mit den Striemen auf seiner Brust schien jede Bewegung die reinste Folter. Diese dumme Frau Fischer hatte sofort bemerkt, dass er sich nur mässig betätigt und ihn angewiesen sich mehr anzustrengen. Er hatte mit einer patzigen Antwort gekontert, wodurch er sich fünfzig Liegestütze eingefangen hatte. Gott, wie er diese Frau hasste.
Sein Kopf dröhnte. Er hätte den Wodka heute morgen niemals trinken sollen. Das hatte er nun davon.
Er hörte wie die Tür zur Umkleide krachend aufschwang und dann die aufgeregten Stimmen der Jungen, einer Klasse unter ihm, die sich bereits für ihre Sportstunde fertigmachten.
„Hey, was willst du hier?"
„Die Frauengarderobe ist auf der anderen Seite."
„Oh, macht euch doch nicht gleich nass Jungs. Als ob ich noch nie einen Schwanz gesehen hätte. Falls man euer mickriges Gehänge überhaupt so bezeichnen kann."
Tarek kannte diese eingebildete Stimme nur allzu gut. Er seufzte.
Gleich darauf erschien ihr schwarzer Lockenkopf in seinem Blickfeld.
Sie trug kniehohe Stiefel und lief damit ungerührt durch die Duschkabine auf ihn zu.
„Hallo Schwester", meinte er ohne hochzusehen.
„Wie geht es dir, Bruder?", überraschend schnell war sie bei ihm und fasste ihn mit ihren langen Fingernägeln am Ohr.
„Au, das tut weh."
„Was denkst du wohl, was die Absichten dahinter sind. Es interessiert mich wirklich zu hören wo du die ganze Zeit gesteckt hast."
Sie zog ihn am Ohr aus der Duschkabine, wo sie ihn losliess und ihm ein Tuch zuwarf.
„Hier, trockne dich ab und dann zieh dich an!", wies sie ihn herrisch an.
„Wieso?", fragte er finster.
„Frag nicht so blöd und mach einfach. Na los!", sie verschränkte die Arme und trat ungeduldig mit dem Fuss auf während er sich anzog.
Die Schüler der anderen Klasse hatten inzwischen das Weite gesucht.
Als Tarek fertig war griff sie sich seine Tasche und verliess ohne ein weiteres Wort die Umkleide.
Tarek folgte ihr genervt und musste sich dabei sehr anstrengen direkt geradeaus zu laufen.
„Was soll das? Wo willst du hin?"
„Hast du dich gestern schön amüsiert nachdem du abgehauen bist?"
„Um ehrlich zu sein, ja", er grinste bei dem Gedanken.
Seine Schwester liess sich davon nicht beirren:" Das will ich auch hoffen, denn es wird wohl das letzte mal für dich gewesen sein."
Tarek wurde unruhig, ob ihrer Überheblichkeit.
Draussen zog er sich die Kapuze seines Pullovers hoch, ob des heftig niederprasselnden Regens. Innerhalb  kürzester Zeit war er komplett durchnässt. Seine Schwester stöckelte unbeeindruckt vor ihm her. Er folgte ihr bis auf den Parkplatz. Sein Bauch rumorte und sein gesamter Körper protestierte bei jedem Schritt. Lange würde er das nicht mehr aushalten. Benebelt riss er ihr seine Tasche aus den Händen.
„Was soll das, Aylin? Was willst du von mir?", fragte er gereizt.
„Nach was sieht es denn aus? Ich bringe dich nach Hause."
„Aber ich hab Unterricht", meinte er verständnislos.
Aylin schüttelte den Kopf:" Nicht mehr länger, kleiner Bruder. Mama nimmt dich von der Schule."
„Was?! Warum?"
Aylin rollte mit den den Augen:" Weshalb wohl? Sie hat die Nase voll von deinen Spielchen und nicht nur sie. Es wird Zeit für dich Verantwortung zu übernehmen. Die süsse Schulzeit ist vorbei."
Tarek stand erschüttert da.
„Ach, tu nicht so als würde es dir etwas ausmachen. Du hast dich doch ohnehin nie besonders für die Schule interessiert. Früher oder später wärst du sowieso geflogen."
Tarek ballte die Fäuste:" Das kann sie nicht machen. Was sagt Vater dazu?"
„Doch, kann sie. Entweder das, oder du sollst dich von uns fern halten. Du brauchst erst gar nicht mehr zuhause auftauchen. Falls doch, wird dich Vater so etwas von verkloppen", Aylin grinste.
Tarek fiel nichts ein, was er hätte erwidern können. Seine Vergangenheit sprach gegen ihn. Er hatte letztes Schuljahr ein paar unglückliche Vorfälle mit Drogen und Alkohol gehabt. Die Schulverwaltung hatte ihm noch eine letzte Chance gegeben für diese Jahr. Und obwohl seine Familie ziemlich abgefuckt war, hätte Tarek trotzdem nie geglaubt, dass sie ihn so im Stich lassen würden.
„Schön, dann sag ihnen einen schönen Gruss von mir. Danke, für nichts", meinte er trotzig.
Seine Schwester seufzte:" Komm schon, Tarek. Glaubst du wirklich, dass du dich alleine durchschlagen kannst? Ich meine wo willst du schlafen, etwa unter einer Brücke?"
Tarek sah sie böse an:" Nein, ich geh natürlich zu Freunden."
„Freunden? Ach, bitte seit wann hast du denn Freunde?"
„Du würdest staunen, Schlampe. Ich hab nicht nur jede Menge Freunde sondern auch eine Freundin. Oder wo denkst du war ich letzte Nacht?", warf er ihr wutentbrannt entgegen.
Aylin zog die Augenbrauen hoch und sah ihn mit ihren dunkelbraunen Augen an. Dann fing sie an zu lachen.
Sie hob seine Sporttasche vom Boden auf und warf sie ihm entgegen.
„Wie du willst. Aber komm hinterher nicht zu mir, um dir die Augen auszuheulen."
Hoch erhoben Hauptes ging sie federnden Schrittes zu ihrem Auto. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal zu ihm um:" Viel Glück, Brüderchen", meinte sie bevor sie ins Auto stieg.
Er blieb aufrecht stehen, als sie davonfuhr. Erst danach warf er seine Sporttasche wutentbrannt von sich.

The devil is a dreamer * Episode 2: Vermisst*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt