Kapitel 15

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- Joyce's Sicht -
Er hatte sein Wort gehalten. In der Nacht hatte er mich nicht berührt. Er wusste wahrscheinlich nicht, wie viel mir das bedeutete.

"Hat es in deinem Zucker überhaupt noch Kaffee?", neckte ich ihn, als ich sah, dass er schon über 5 Löffel Zucker in seine Tasse geschüttet hatte.

"Sagte das Mädchen, dass Butter unter ihre Nutella streicht.", witzte er zurück.

"Das ist die normalste Sache der Welt!"

"Nein, Joyce. Nein. Ist es nicht.", erklärte er mir mit seiner ernstesten Stimme, was mich zum Lachen brachte. Dabei machte er eine besserwisserische Handbewegung. Ich sah für einen kurzen Moment seinen Unterarm. Mir stoch das kleine Tattoo ins Auge, das ich zuvor noch nicht bemerkt hatte. Es schien eine Art Y zu sein. Doch die Winkel der drei Striche waren alle gleichgross. Am Ende jedes Striches war eine Kugel. Vielleicht hatte es etwas mit seiner Vergangenheit zu tun. Der grosse Esssaal war gefüllt mit reichaussehenden Leuten. Wir sassen in Jogginghosen mitten im Saal, was uns einige abschätzige Blicke kostete. Eine ältere Dame lief lächelnd an uns vorbei. Zu meinem Erstaunen blieb sie vor uns stehen. Ich machte mich auf einen Vortrag über Manieren bereit. Sie war schätzungsweise 60 Jahre alt. Auf ihrem Arm, der von einem Pelzmantel verdeckt wurde, hielt sie einen kleinen Hund mit langen gepflegten Haaren. Sie selbst hatte schneeweisses Haar, welches zu einem ordentlichen Dutt zusammengebunden war. Ihre Uhr schien mit Diamanten besetzt zu sein und ich las die Zeit: 10:34. Sie lächelte uns an.

"Ihr seid ein hübsches Paar.", dann wandte sich mir zu: "So ein Junge läuft dir nicht jeden Tag über den Weg. Wenn ich jünger wäre hättest du mich als Konkurrenz gehabt. Einen solchen schönen Mann sollte man nicht fallen lassen. Merk dir das." Verblüfft schaute ich ihr in die Augen und erwiderte:

"Oh! Nein, nein, wir sind kein..."

"Danke. Wenn ich ein wenig älter wäre, hätte ich sie wohl auch in Betracht gezogen, Madame.", schnitt mir Jason das Wort ab. Ich sah, wie die Dame unter ihrer Makeupschicht errötete. Dann nickte sie ihm höflich zu und entfernte sich von uns.

"Wieso hast du ihr nicht gesagt, dass wir kein Paar sind?", fragte ich ihn mit vielsagendem Unterton.

"Lass die Leute glauben, was sie wollen. Dann sind sie zufrieden.", schmunzelte er. Ich biss von meinem Brötchen ab und plötzlich schien es mir, als ob es ungewöhnlich war Nutella mit Butter zu essen.

"Was machen wir heute?", fragte ich schliesslich und die Leute neben uns dachten sicherlich, wir würden unsere Ferien planen. Er schielte auch zu dem älteren Päärchen neben uns und sagte dann provozierend mit einem süffisanten Lächeln: "Das Gleiche wie gestern Abend." Ich sah aus dem Augenwinkel, wie das Päärchen neben uns verheissungsvolle Blicke austauschten und ich errötete.

Jason hingegend fand das ganze offensichtlich amüsant: "Was sollen wir sonst tun? Hier gibt es nicht viel zu sehen." Das hiess wohl übersetzt, dass wir den ganzen im Auto sitzen würden. Beeindruckt darüber, dass er das Informieren und das Spiel mit unseren Tischnachbaren gleichzeitig meisterete, bemerkte ich, wie ich den Gedanken gar nicht so abschätzig fand. Vom Fahren, versteht sich.

"Einverstanden.", sagte ich ohne zu überlegen, dass unsere Tischnachbaren immer noch das Falsche dachten. Sie standen - ohne ein Wort zu sagen - auf und verliessen den Saal. Jason musste lachen. Ich bemerkte, dass auf ihren Tellern noch Spiegeleleier und Speck ware, wsa mir bestätigt, dass wir den Grund waren, weswegen sie so schnell gegangen sind Nun musste ich auch lächeln.

"Wie spät ist es?", fragte er mich.

"Als deine Traumfrau vor uns stand, war es genau 10:34."

"Eine natürliche, bescheidene Schönheit...", sagte er sarkastisch. Es war ein komisches Gefühl zu lachen und doch zu wissen, dass meine Lebenssituation überhaupt nicht in Ordnung war. Wir erhoben uns von unseren Stühlen und verliessen den pompösen Saal.

Falls ich sterben sollteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt