Kapitel 20

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Nach einer Weile ertönte der Klingelton von Jasons Smartphone. Er drückte auf Lautsprecher.

"Hi Kyle.", begrüsste Jason ihn.

"Und, wie hat sie es aufgefasst?", fragte Kyle plump heraus.

"Das kannst du sie selbst fragen. Ist auf Lautsprecher." Ich spürte förmlich, wie rot Kyle an der anderen Leitung wurde.

"Oh! Hi Joyce. Mein Beileid." Ich begann zu lachen. Ich lachte tatsächlich über den Tod meines Vaters. Oder über die Tollpatschigkeit von Kyle. Vielleicht auch beides.

"Danke."

"Ich habe gehört, dass ihr auf einen Typen namens Ray gestossen seid. Louis hat es erzählt, in ziemlicher Aufruhr."

"Joyce hat sein Tattoo entdeckt, sonst würden wir jetzt wahrscheinlich nicht mehr durch die Gegend fahren.", lächelte mir Jason zu. Er hatte extrem weisse Zähne.

"Schlaues Mädchen.", gab Kyle seinen Kommentar dazu ab.

"Defintitv." Sie redeten schon so, dass man meinen könnte, sie wüssten nicht, dass ich mithören konnte.

"Fahrt einfach weiter und macht so wenig Pausen wie möglich. Und die Kreditkarte wird morgen wahrscheinlich gesperrt. Also versucht so viel Geld wie möglich abzuheben und auf deine Karte einzahlen zu lassen. Und deine Handynummer solltest du wechseln. Bald kommt der Technikfreak vorbei. Ich werde sie auch wechseln, respektiv ein zweites Telefon beschaffen. Ich geb dir dann die Nummer durch." Ich hätte nicht gedacht, dass man so viele Vorkehrungen treffen müsste, nur um unbemerkt zu fliehen.

"Gut, danke." Jason warf mir einen Blick zu und fuhr dann fort. "Und wie geht's deiner Perle? Wie hiess sie noch mal? Nathalie?" Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich gegelaubt, sie hätten mit ihrem Geschäft genug zu tun. Aber eigentlich war es klar. Sie sahen ja beide nicht schlecht aus.

"Nathalie? Die ist schon lange weg. Aber kennst du Tiffany von den Grotrix? Die ist richtig geil.", sagte Kyle. Ich schloss daraus, dass Grotrix eine andere Gang war. Ob sie mich wirklich vergessen hatten, oder ob das für sie einfach ein normales Gesprächsthema war?

"Jaja, ich weiss wen du meinst. Doch du weisst: Wenn Louis das erfährt... Wenn du Tiffany fickst, wirst du von Louis gefickt." Einen Moment überlegte ich mir ob ich das jetzt wörtlich verstehen sollte. Doch ich verwarf den Gedanken, so schnell ich konnte.

"Mach dir keine Sorgen um mich.", sagte Kyle. Kurz darauf ertönte ein Geräusch, das mich an eine quietschende Tür errinerte.

"Bye Veronika, ich ruf dich heut Abend noch mal an.", sagte Kyle. Wahrscheinlich war ein Gangmitglied in den Raum gekommen.

"Bye bye, Zuckermäusschen. Ich liebe dich.", verabschiedete sich Jason lachend von ihm. Ich fand das ganze Gespräch ziemlich amüsant. Zu meinem erstaunen, fand ich es auch überhaupt nicht unangenehm, dass die Jungs sich über Weiber austauschten.

"Habt ihr überhaupt Zeit für Frauen?", hörte ich mich fragen.

"Für schöne Dinge nimmt man sich Zeit.", lachte er. Ich begann mich zu wundern, ob sie schon feste Freundinben hatten oder einfach Bekanntschaften, die man am nächsten Morgen aus der Wohnung stiess. Ich hätte zu gern gewusst, ob eine Freundin hatte. Doch irgendwie würde das ein wenig tönen, als hätte ich Hintergedanken. Hatte ich aber nicht. Glaubte ich zumindest. Dann fuhren wir weiter. Beide sagten nicht, doch mit kleinen unauffälligen Bewegungen begannen wir zu kommunizieren. Nicht, dass wir so ein Gespräch führten. Doch zum Beispiel kratze er sich am Knie worauf ich mir dann durch die Haare fuhr. Er spielte dasselbe Spiel, doch ich wusste, dass wir nie über dieses Spiel reden würden. Doch es machte Spass.

"Lass und was essen gehen.", schlug er vor, als es begann einzudunkeln. Ich nickte ihm zu und kurz darauf spürte ich, wie mein Bauch knurrte...

"Auf was hast du Lust? Chinesisch? Italienisch?"

"Ist mir egal. Hauptsache irgendetwas.", brummte ich. Solange er nichts vom Essen gesagt hatte, war alles in Ordnung. Doch sobald das Bild von einer Portion Pommes vor mein inneres Auge trat, begann mein Magen verrückt zu spielen. Er fuhr von der Autobahn und wir schienen in einer ziemlich belebten Stadt gelandet zu sein. Er stellte das Auto ab und stieg aus. Ich ebenfalls. Er machte keine Anstalten an den Zahlautomat zu gehen. Und mittlerweile schien mich das gar nicht mehr zu verwundern. Kurz überlegte ich mir, ob ich eine Bemerkung machen sollte, liess es dann aber bleiben. Gegenüber der Strasse entdeckten wir ein kleines Lokal. Und da wir keine Lust hatten etwas anderes zu suchen, beschlossen wir und dort Nahrung zu besorgen. Wortlos gingen wir auf ein kleines Lokal zu. Kurz vor der Türe machte Jason ein paar schnellere Schritte um mir tatsächlich die Tür aufhalten zu können.

"Danke.", murmelte ich und betrat den kleinen Raum. Es roch nach Zigaretten und Alkohol. Durch die Rauchwolke erkannte man eine Bar, an der einige Leute sassen. Neben an einige kleine Tische. Diese Atmosphäre war ich nicht gewohnt, doch auf eine Art fand ich es gar nicht so schlimm im kleinen Lokal. Wir setzten uns in die hinterste Ecke. Der ganze Raum bestand aus altem Holz. Teilweise gab es auch Dinge aus Billigmetall, wie zum Beispiel die Tische. Kaugummikauend stand eine dicke Frau an der Theke und starrte und an.

"Was wollt ihr?", fragte sie uns gelangweilt.

"Habt ihr was zu essen in der Bude?", fragte Jason durch die dröhnende Musik. Ich hatte den Eindruck, dass er sich sofort auf seine neue Umgebung angepasst hatte. Die Frau schaute in das Gefrierfach und rief dann:

"Sind Pommes in Ordnung?" Jason schaute mich an und wartete auf eine Bestätigung von mir. Ich nickte ihm zu.

"Passt.", rief er der kaugummikauenden Frau zu.

Falls ich sterben sollteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt