Kapitel 23

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Jason kniete auf dem Boden und schlug weiter auf ihn ein. Ich musste etwas tun. Es war zu riskant ihn wegzuzehren, doch nichts zu tun, war noch schlimmer. Also erhob ich mich und berührte ihn leicht an der Schulter. Als ob ich wusste, was als nächstes passierte versuchte ich ihm auszuweichen, denn er kehrte sich blitzschnell zu mir. Seine Faust flog unkontrolliert auf mich zu und ich sah schon, wie mir die Schmerzen entgegenlächelten. Ich schloss die Augen nicht und versuchte gar nicht erst meine Hand vor mein Gesicht zu halten. Ich wusste, dass nichts mehr half. Doch die Schmerzen kamen nicht. Zumindest nicht körperlich. Sein Blick zerschmetterte mein Gehrin, sodass ich nur noch teilweise wahrnahm, wie kurz er vor meinem Gesicht gestoppt hatte und er seine Hand gesenkt hatte. Sein Gesicht war verkrampft und seine Augen drückten Wut, Erstauntheit und etwas drittes aus, was ich nicht herausfiltern konnte. Meine Wunde am Hals pochte, mein Hirn brannte. Ich wendete meinen Blick von Jason ab und konzentrierte mich - so gut es ging - auf den am Boden liegenden Typ, der wohl mehr Schmerzen hatte als ich... Sofern er wieder aufwachen würde. Ich rutschte neben Jason und lehnte mich über den Schwarzgekleideten.

"Er war es nicht", flüsterte ich und probierte meine weinerliche Stimme zu unterdrücken, denn die ganze Situation überforderte mich.

Jason blieb still. Ich sah in die Ecke des Raumes, da dort der bierbäuchige Mann lag und hoffte Jason würde meinem Blick folgen. Und er schien es zu tun, denn sein lautes Atmen stoppte für einen kurzen Moment. Mittlerweile hatte ich ihn durchschaut, zumindest einen kleinen Teil von ihm. Was mir unklar war, war, weshalb er so aggressiv wurde, als er sah, dass mir etwas zugestossen war. Natürlich war es ihm nicht egal, doch diesen Menschen gleich so extrem anzugreifen. Wenn ich ihn nicht gestoppt hätte... Nur schon den Gedanken zu vervollständigen, liess mich Hühnerhaut bekommen.

"Verflucht...", flüsterte er und schaute mich mit grossen Augen an. Ich wich seinem Blick jedoch bewusst aus, weil ich nicht wieder wollte, dass mein Kopf ein weiteresmal zerschmettert wird.

"Lebt er noch?", fragte ich direkt heraus. Ich hatte anderes im Kopf, als schlimme Dinge schön zu umschreiben.

"Ja, er sollte ja nicht umgebracht werden." Und wieder bekam ich Angst vor ihm. Wie schon einmal, als ich zum ersten Mal in seinem Auto sass. Er sprach so, als hätte er die Macht über Leben und Tod des anderen zu entscheiden.

"Er sollte nur seine Lektion bekommen.", fügte er hinzu. Ich warf ihm meinen vorwurfsvollsten Blick an den Kopf, den ich hatte. Es schien mir, dass dieses Adrenalin - oder was auch immer mit ihm geschehen war - ihn zu einem anderen Menschen machte. Dieses Unbekannte war wahrscheinlich auch dieser Audruck in seinen Augen. Etwas, was ich nicht über ihn wusste... oder selbst verdrängte. Während meine Gedanken rannten, um für jedes Problem eine Lösung zu suchen, schienen seine einfach nur still zu stehen und sich umzuschauen, es sich überlegen und dann erst handeln. Als ob er die Situation gar nicht so ernst nehmen würde.

"Du hast dem falschen eine Lektion erteilt.", errinerte ich ihn. Seine Kiefer spannten sich an und er schaute an die Wand, an der ein kleiner Bluttropfen hing. Ich wusste nicht von wem. Ein gequältes Stöhnen kam von der Person vor uns. Ich beugte mich über ihn.

"Wie heisst du?", fragte ich ihn als erstes. Erstens intressierte es mich und zweitens hatte ich irgendwo gelesen, dass man verletzte Leute mit dem Namen ansprechen sollte.

"Reezy.", hörte man ihn ihn mit gequetschter Stimme sagen. Ich hatte den Namen noch nie gehört.

"Wo hast du Schmerzen, Reezy?"

"Halb so wild. Doch dein Freund hat's ganz schön in den Fäusten."

"Er ist nicht mein Freund." Bis jetzt hatte es mir noch nie etwas ausgemacht, dass man Jason und mich für Paar hielt. Doch ich hatte gerade gesehen, wie Jason sein konnte. Oder wie er war? Reezy setzte sich auf und versuchte offensichtlich sein Gesicht nicht zu sehr zu verzerren. Jason räusperte sich.

"Kannst du dich so bewegen, dass du es bis nach Hause schaffst?", kam von ihm. Er wollte ihn jetzt wirklich einfach hier lasssen, nachdem er ihn so zugerichtet hatte? Reezy schaute ein wenig verdutzt zwischen uns beiden hin und her.

"Schaffst du es bis zur Eingangstüre? Dort kann Jason mit dem Wagen vorfahren.", wendete ich ein. Bei Jasons Namen machte Reezy eine kleine Schnaufpause, als ob er etwas realisieren würde. Von der Seite schaute mich Jason warnend an.

"Ich komm' schon allein zurecht. Hab' schon schlimmeres erlebt.", wollte sich Reezy aus der unangenehmen Situation befreien, doch ich würde nicht zulassen, jemanden hierzulassen, der mir und Jason zu verdanken hat, dass er zugerichtet wurde.

"Doch! Wir bringen dich nach Hause!", befahl ich ihm mit möglichst bestimmter Stimme. Ich prüfte mit einem Schulterblick, ob der Bierbäuchige immernoch dort lag.

"Du bist diejenige, die hier kurz davor war, seinen Schwanz in den Mund gesteckt zu bekommen... Du solltest hier bemitleidet werden. Nicht ich."

Reezy's direkte Ausdrucksweise war ziemlich überraschend, doch heute Abend war ich froh, wenn nicht um den heissen Brei herumgeredet wurde.

"Da hat er recht. Wir gehen.", sagte Jason. Heute Abend würde ich mir jedoch nichts von ihm gefallen lassen. Ich hatte eine unglaubliche Wut auf ihn. Obwohl er nichts getan hatte, was mir einen Grund dazu geben würde. Ich war wohl ein wenig verdutzt von seiner noch unbekannten Seite, die ich heute gesehen hatte. Er stand warnend auf.

"Schatz." Er zog das Wort lang. Ich schloss kurz die Augen, um sicherzugehen, dass ich mich unter Kontrolle hatte.

"Wir sind nicht... Steh auf Reezy. Du kommst mit." Ich würde dafür sorgen, dass er heute einen vernünftigen Schlafplatz bekommen würde. Er stand mit einem schmerzverzogenen Gesicht auf.

"Nein, verdammt. Er kommt nicht mit." Erst jetzt bemerkte ich diesen Unterton in seiner Stimme. Und ich bemerkte auch, wie seine Hand in der Nähe seiner Waffe war, die er immer bei sich trug.

"Weshalb?", fragte ich ihn unüberlegt.

"Errinerst du dich noch an unseren letzten Hotelbesuch. Als ich dir die Medikamente holen sollte, für dein kaputtes Handgelenk?" Und alles wurde klar. Ein ganz kleiner Blick auf Reezy's Handgelenk liess mich auch das Zeichen erkennen. Es war zwar nicht das, so wie es Jason trug. Doch Reezy war muskulös, robust und hatte auch ein Tattoo am Unterarm. Jasons eiserner Blick scannte Reezy ab. Sobald Reezy eine unüberlegte Bewegung ausführen würde, ginge das Chaos los. Ich musst die SItuation klären. Doch ich wusste nicht wie, denn von diesen ganzen Gangs, wie man sie nur aus den Filmen kennt, hatte ich keine Ahnung.

"Grotrix. Doch kein Feind.", kam mir Reezy zuvor. Er musste schon lange alles durchschaut haben. Grotrix... War das nicht die Gang von der die Schnitte namens Tiffany. Die ganze Situation kehrte sich zu ener Waage. Feind oder Freund? Diese Frage lag unverkennbar im Raum. Reezy hatte sich zwar als 'kein Feind' vorgestellt, doch in dieser Branche durfte man niemandem trauen, das war wohl sowas wie die goldene Regel.

"Gut.", sagte Jason - noch immer mit warnendem Unterton. Sein Blick lag unverändert eisig auf Reezy.

Falls ich sterben sollteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt