Ich schubste die Leute zur Seite als ob es hier um mein Leben gehen würde. Diese Metapher war wohl in meinem Fall keine Metapher. Als ich endlich am Hinterausgang war stand dort Jason mit seiner Maske. Er machte mir die Türe auf und machte eine aufforndernde Handbewegung. In Vermutung, dass wir rennen mussten zog ich mir meine hohen Schuhe aus. Dann rannten wir hinaus in die kühle Herbstluft. Ich war barfuss. Er nahm meine Hand. Sehr wahrscheinlich um sicherzugehen, dass ich noch bei ihm war. Irgendwann verlangsamte er sein Tempo und blieb schliesslich ganz stehen.
"Steig ein.", sagte er schroff.
Er schien von unserem Sprint überhaupt nicht erschöpft zu sein während ich schnaufte wie ein Büffel. Erst als er um das Auto lief und einstieg merkte ich, dass er den Wagen meinte. Ich öffnete die Beifahrertüre des BMW und setzte mich hin. Das Auto sah ziemlich teuer aus. Als er den Motor startete wurde schnell klar, dass es kein billiges Auto war inedem ich sass. Er fuhr aus dem Parkplatz und beschleunigte dann. Seine Schultern sanken und er schien weniger angespannt zu sein.
"Wer bist du?", wollte ich wissen.
"Das hast du schonmal gefragt."
"Dieses Mal sitze ich bei dir im Auto. Hier sind wir nicht irgendwo auf einer Party wo ich jeder Zeit von dir weggehen könnte." Als Antwort zog er seine Maske aus. Er war schön. Ich meine nicht so hübsch, wie man Leute als hübsch oder hässlich einordned, sondern schön. Er hatte ein markantes Gesicht. Es schien alles perfekt zusammenzupassen. Er errinerte mich an jemanden, doch ich konnte es nicht einordnen. Ich nahm meine Maske auch ab. Da er mir schon einen Zettel zugesteckt und mein Skateboard angemalt hatte ging ich davon aus, dass er wusste wie ich aussah. Doch wir kamen wegen einer Ampel zum stehen und er musterte mich. Meiner Meinung nach einige Sekunden zu lange.
"Was ist?", fragte ich ihn.
"Nichts." Er konzentrierte sich wieder auf die Ampel, die wohl zu seinem Erstaunen grün war.
"Ist dir kalt?", fragte er als er merkte, dass ich ein wenig schlotterte.
"Geht schon." Mir war klar, dass er wusste, dass ich fror.
"Hinten ist eine Tasche mit einigen Dingen von dir. Ein Pullover sollte auch drinn sein."
"Woher hast du die Sachen?" Verblüfft musterte ich ihn.
"Von dir zu Hause." Er war in mein Haus eingebrochen?! Was frag ich mich... Der Typ hatte mich wahrscheinlich schon nackt gesehen ohne dass ich es mitbekommen habe. Bei dem Gedanken schauderte es mich und den warmen Hoodie konnte ich doppelt so gut brauchen.
"Danke.", murmelte ich und schaute auf die Rückbank. Zwei Taschen standen dort schön nebeneinander gestellt als hätte man extra darauf geachtet, dass es gut aussah. Ich kramte mir mit grosser Mühe einen Pullover raus. Dann schwiegen wir. Eine Ewigkeit. Wir fuhren auf eine Autobahn. Sie war erstaunlicherweise leer. Er fuhr und ich schaute aus dem Fenster. Die Strassenlampen tauchte die Umgebung in gespenstisches Licht. Ich hätte ihn nun zugern gefragt was mit der ganzen Situation los ist. Doch jedes Mal, wenn ich kurz davor war überlegte ich mir ob ich es überhaupt wissen wollte. Vielleicht war es besser nicht zu wissen was los war.
"Erzähl es mir.", hörte ich mich plötzlich selbst sagen.
"Was meinst du?", fragte er verwundert. Ich setzte mich aufrechter hin um ihm meine ganze Aufmerksamkeit zu zeigen.
"Alles." Er atmete tief ein und langsam wieder aus. Ich tat das Gleiche.
"Würde es dir Angst machen, wenn ich dir zuerst sage, dass ich so etwas wie ein ähm... Typ bin der Leute für Geld killt?" Ich kniff die Augen zusammen und hoffte, dass das ein Witz war. Ich merkte jedoch schnell, dass es kein Joke war.
"Keine Angst. Ich werde dir nichts tun.", wollte er mich beruhigen. Es machte mir jedoch eher Angst, denn er sagte es so als könnte er über das Leben jedes Menschen bestimmen und es Zufall war ob er am ihn am Leben liess oder ihn umbrachte. Ich musste mir auf die Zunge beissen um ihn nicht zu bitten mich aussteigen zu lassen. Diese Informationen über die vergangenen Tage schienen mir wichtiger.
Er fuhr fort: "Niemand von diesen Leuten dort will wahrhaben, dass wir für Geld Leute töten. Sie überspielen alles und reden sich selbst ein, dass es nichts Schlimmes sei. Ich habe es auch versucht. In den ersten Jahren war es schwierig, doch mit der Zeit..." Er machte eine Pause um das richtige Wort zu finden.
"Gewöhnt man sich daran?", versuchte ich ihm auf die Sprünge zu helfen.
"Nein. Es wird nicht zu einer Gewohnheit. Man lernt sich damit abzufinden." Eine kleine Pause folgte, inwelcher ich mich fragte ob das nicht das Gleiche war und er sich wahrscheinlich überlegte, was er mir erzählen sollte und was nicht.
"Ich begann mich mit der Zeit auch damit abzufinden. Aber als ich hörte, dass wir dich... naja..." Mit einem Nicken gab ich ihm das Zeichen, dass er es nicht aussprechen musste.
"Und da hab ich mich entschieden, dass ich aussteige. Sie wissen es jedoch nicht. Niemand ausser Kyle weiss es." "Es tönt so als ob du wegen mir ausgestiegen bist." Ich lächelte unsicher.
"Stimmt auch." Ungläubig schaute ich ihn an.
"Du kennst mich doch gar nicht..." Er zögerte.
"Ich kannte dich genug gut."
"Woher?" Er zögerte wieder. "Du kommst mir irgenwie bekannt vor.", gab ich zu. Er musste lächeln. Seine Mundwinkel bewegten sich zwar nicht, doch in seinen Augen veränderte sich etwas. Offensichtlich wollte er mir keine Antwort darauf geben. Somit beliess ich es dabei.
"Wieso solltet ihr mich umbringen?", fragte ich ungeniert heraus, was ihn wohl ziemlich verwunderte.
"Es gibt Dinge von denen man - nach dem man sie weiss - trotzdem nichts wissen will, weil man geschockt ist zu was die Leute in der Lage sind." Er wollte es mir also nicht sagen. Doch ich wollte es wissen.
"Hab ich deiner Meinung nach kein Recht darauf zu wissen wieso ich ermordet werden sollte?" Ich hätte nie gedacht, dass ich so mutig sein konnte gegenüber einer fast fremden Person. Er atmete tief ein und wieder aus, wie es mein Vater jeweils tat wenn er mich auf mein lockeres Mundwerk aufmerksam machte.
"Tut mir Leid.", murmelte ich.
"Wie geht's weiter? Ich meine... wohin gehen wir?" Er atmete tief ein, als ob er mir seine Antwort dadurch harmloser machen könnte.
"Es ist nicht vorbei. Wir müssen weg von hier." Erst jetzt bemerkte ich, dass ich dachte das ganze Chaos sei damit beendet. Doch vielleicht hatte es erst gerade angefangen.
"Und wann kann ich wieder nach Hause?" Ich hatte zwar eine Vorahnung. Als er mir die Frage mit einem betretenen Schweigen beantwortete wurde mir die Ernsthaftigkeit der Situation erst bewusst.
"Gar nicht mehr.", murmelte ich. Vielleicht weil ich noch einen funken Hoffnung in mir hatte und hoffte er würde mir das Gegenteil sagen. Vielleicht wollte ich mir die Frage auch einfach selbst noch beantworten um es zu realisieren.
"Das heisst ich muss mein ganzes Leben zurücklassen?"
"Jedes Ende ist auch ein Beginn." Vor einigen Stunden dachte ich, dass sich alles wieder zum normalen wenden würde. Was war mit der Schule? Mit der Firma meines Vaters?
"Das wird mir alles zu viel.", murmelte ich und fuhr mir durch die Haare.
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Falls ich sterben sollte
Ficção AdolescenteJason hat keine Familie- er hat seine Gang. Obwohl es vielleicht nicht sein Traumberuf ist, Leuten "Probleme zu machen", wie sein Anführer immer untertreibt, fühlt er sich in der Gang wohl. Doch als er das Mädchen, von dem er jede Nacht träumt, das...