Kapitel 19

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- Joyces Sicht -

"Hat es nicht in jedem Auto einen Verbandskasten?", fragte ich Jason, während ich das Handschuhfach durchsuchte.

Doch ich fand nur einige Dokumente, eine Taschenlampe, einige CDs und ein Portmonnaie. Jason hatte einfach so dieses Auto geklaut. Ohne mit der Wimper zu zucken hat er die Scheibe eingeschlagen. Ohne sich einmal über die Schmerzen zu beklagen fuhr er einfach weiter. Ich glaubte nicht, dass es ihm jemals leidtun würde, dass der Autobesitzer vor sein Haus gehen würde und sein Auto einfach weg sein würde. Doch für Jason musste das Alltag sein. Auf eine Art beeindruckte es mich, auf die andere machte es mir auch Angst. Auch wenn er mich bis jetzt immer korrekt behandelt hatte, war er trotzdem kriminell. Oder kriminell gewesen.

"Ist das nicht obligatorisch?", fragte ich ihn, um wenigstens irgendeine Antwort zu bekommen.

"Es ist nicht schlimm.", brummte er. Ich wusste nicht, ob er beweisen wollte, dass er ein Mann war oder ob er mich damit beeindrucken wollte oder ob ihn meine Fürsorge schlichtweg nervte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ein weiterer Bluttropfen auf seine Hosen tropfte. Schliesslich fand ich den Erste-Hilfe-Kasten unter dem Sitz.

"Kannst du vielleicht bei der nächsten Raststätte rausfahren?", bat ich ihn.

"Warum?" Es war klar, dass er wusste, dass ich seine Wunde ansehen wollte. Er wäre bestimmt nicht rausgefahren.

"Weil ich auf die Toilette muss.", log ich ihm ins Gesicht.

"Es ist nicht schlimm..."

"dass ich auf's Klo muss. Ich weiss.", beendete ich seinen Satz. Mir fiel auf, dass ich langsam begann mit ihm zu reden, als wäre er ein Freund, den ich schon länger kannte. Er fuhr zur nächsten Tankstelle und schaltete den Motor aus.

"Zeig mal.", bat ich ihn, doch erntete nur einen vorwurfsvollen Blick. So griff ich selbst nach seinem Arm und als ich ihn vosichtig zu mir zog, verzog er voller schmerzen sein Gesicht. Doch er beschwerte sich nicht oder sagte, dass ich aufhören sollte. Ich betrachetet seine Hand genauer. Es war schwer durch das ganze Blut zu erkennen, wie schlimm die Wunde war. Obwohl das Blut wohl für sich sprach. Ich erkannt in dem ganzen roten Fleck einen Glassplitter.

"Schliess die Augen und denk an was schönes.", befahl ich ihm. Doch er starrte mich an. Hatte er Angst vor dem Schmerz?

"Weshalb sollte man, wenn man etwas schönes sehen kann ohne sie zu schliessen?", fragte er mich mit ernster Miene. Ich war mir nicht sicher, ob er damit sagen wollte, dass er eine gute Vorstellungskraft hatte oder ob er mich meinte. Ich konnte mir auch nicht eingestehen, weclhen Gedanke ich schöner fand. Ich wandte meinen Blick von ihm ab und mahnte ihn:

"Wie du willst." Dann zog ich den Splitter raus und von ihm kam ein leiser, gepresster Schrei. Mehr ein Gequitsche. Ich fand einen zweiten und zog auch diesen aus seinem Fleisch. Ich kontrollierte, ob ich noch irgendwo einen sah. Mir fiel auf, wie schöne Hände er hatte. Dann desinfizierte ich seine Wunde. Immer wieder kam ein schmerzhaftes Jammern von ihm. Als ich das Blut von seiner Hand abgewischt hatte, fiel mir auf, dass er extrem schöne Hände hatte. Im Erstehilfekasten fand ich einen Verband.

"Streck die Hand aus.", bat ich ihn.

Ich setzte den Verband an seinen Fingern an und band ihn dann langsam nach hinten. Ich fühlte seinen Blick auf mir, was mich plötzlich ein wenig nervös machte. Doch ich den Verband langsamer zu umwickeln, um nochmals von vorne zu beginnen. Obwohl es nur ein Blick war, schien mehr dahinter zu stecken.

"Das muss nicht perfekt sein.", sagte er irgendwann lächelnd, als ich zum fünften Mal von vorne begann. Ich sah ihm peinlich berührt in die Augen, bevor ich mich hastig daran machte den Verband entgültig zu umwickeln.

Falls ich sterben sollteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt