Kapitel 1

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Amerdan war ein Dorf in der Nähe der Grenze zu Calene.
Im Osten des Dorfes ragte ein großer Wald in die Höhe und im Westen konnte man in der Ferne das Herasgebirge erahnen, welches die Grenze zwischen Tierra und Calene symbolisierte.
Amerdan war das größte Dorf von den fünf umliegenden, aber dennoch so klein, dass jemand Fremdes auffiel.

Jeden Mittwoch war Markt auf dem großen Platz, wo die Frauen, die selbst nichts mehr erlebten, Klatsch und Tratsch miteinander austauschten.

,,Ich habe gehört Freitag sollen sie kommen."
,,Jaja und sie sollen außerhalb des Dorfes ihr Lager aufschlagen, weil es so viele sind, dass die ganzen Gasthäuser sie nicht aufnehmen können."

,,Ich hoffe, es sind ein paar stattliche junge Männer unter ihnen, meine Tochter wird auch nicht mehr jünger."
,,Vielleicht ist jemand Adliges unter ihnen, dann wäre ausgesorgt."

Belustigt über dieses einseitige Thema schlenderte ich über den Markt.
Dass so ein Theater über die Ankunft der Lehrlinge der Academy gemacht wurde, war mal wieder typisch.
Auch bei uns Zuhause wurde wild über die kommenden Gäste aus Sidara, der Hauptstadt von Tierra, geredet.
Meine Tante Tessa freute sich auf die vielen zahlenden Kunden für ihren Gasthaus und meine Cousine auf die gutaussehenden jungen Männer.
Auch ich freute mich auf die Ankunft, aber aus einem anderen Grund. Ich erhoffte mir einen kurzen Blick auf das Training der Schüler werfen zu können.
Seit dem Vorfall vor vier Jahren, war es mein größter Wunsch am Training der Academy teilzunehmen.
Leider war die Academy sehr anspruchsvoll und somit war es schwer auch nur in die Nähe des Trainings zu kommen. Deswegen hatte ich mir fest vorgenommen meine Chance zu nutzen und mich im Lager der Academy-Lehrlinge ein bisschen umzusehen.

Ich spazierte weiter über den Markt und guckte mir die verschiedenen Waren an.
Von Essen zu Kleidung und Schmuck zu Waffen gab es alles.
Am Liebsten war ich in dem Bereich der Waffenhändler und Schmieden. Und auch wenn dies meine Lieblingsstände waren hatte ich mir erst einmal etwas kaufen können. Einen kleinen Dolch, nicht länger als meine Hand und mit einer zierlichen, aber scharfen Klinge. Der Grif sah aus wie verzweigte Ranken und Blätter. Ich wusste beim ersten Anblick, er musste mir gehören. Es war nicht einfach den Schmied davon zu überzeugen ihn mir zu verkaufen, wahrscheinlich auch ein Grund warum ich nur diesen Dolch dort erworben habe und nicht nur das Geld, dass ich nicht hatte.

Von den meisten Leuten wurde ich schräg angeguckt, da es sich für Frauen ja nicht ziemte Interesse für die Kampfkunst zu haben.
Nur leider wurde vielen Frauen die Möglichkeit gegeben ein Element zu beherrschen, so auch mir, so dass die meisten schon im Kindesalter mit dem Thema in Kontakt kommen.
Zwar wurde uns immer gesagt wir sollen unsere Kräfte für das Dorf und dessen Allgemeinwohl einsetzen, aber wie sollte ich mich hinten anstellen. Ich konnte genauso gut wie ein Mann dem König dienen.

Ich begutachtete gerade eine Tomate, als ich von hinten gepackt wurde und mir ein Dolch an die Kele gesetzt wurde. Obwohl es meiner Tante rechtlich missfiel, war es ein kleines Spiel zwischen uns beiden.
Ich schlug ihm zwei mal auf den Arm, den er um mich geschlungen hatte und signalisierte ihm damit mich loszulassen.
,,Du solltest besser auf deine Umgebung achten und nicht nur auf die Tomaten."
,,Wer rechnet denn hier schon mit einem hinterhältigen Überfall", rechtfertigte ich mich. Raul war der einzige der mich hier in Amerdan wirklich unterstützt. Es könnte daran liegen, dass wir schon seit unserer Kindheit Freunde sind, aber ich glaube lieber daran, dass er an mich glaubt.
,,Ein wahrer Krieger würde auch mit einem hinterhältigen Überfall rechnen. Dafür trainierst du doch so hart", erwiderte Raul und fuhr sich durch sein blondes Haar, das ihm lang ins Gesicht hing. Sie waren langsam so lang, dass er sie hinten zusammenbinden konnte, oder er einen Haarschnitt vertragen konnte.
Aber er hatte recht, ich trainierte viel, doch war ich ihm gegenüber im Nachteil. Er hatte einen der besten Elementbändiger des Dorfes als Mentor und ich musste mir alles selbst beibringen. Keiner wollte mich aufnehmen, um mir zu zeigen, wie ich meine Fähigkeiten richtig einsetzen konnte. Ich hatte mich aber nicht einschüchtern lassen und trainierte jetzt jeden Tag für mich allein.
Manchmal glaubte ich aber, dass es so besser ist, da ich festgestellt hatte, dass ich nicht so normal bin, wie ich immer geglaubt habe. Ich kann nicht nur die Luft bändigen, sondern habe auch noch eine besondere Verbindung zur Natur.
Sie gehorchte mir aufs Wort. Ich konnte Pflanzen wachsen lassen, ihnen Leben geben und auch entziehen, Blumen und Bäume aus dem nichts entstehen lassen und Tiere vertrauten mir.

,,Jaja, nur leider erfahre ich nicht so ein gutes Training wie du", erklärte ich Raul und drehte mich wieder zum Stand, bezahlte die Tomaten, die ich genommen hatte und machte mich mit ihm auf den Weg zum Gasthaus.

,,Weiso hast du mich eigentlich aufgesucht", fragte ich nach einer Weile.
,,Weil ich dir eigentlich etwas erzählen wollte", erklärte Raul.
Ich gab ihm ein Zeichen, dass er weiterreden sollte.
,,Du hast von den Lehrlingen der Academy gehört, die kommen sollen?", fragte er.
Mir entkam ein amüsiertes Lachen.
,,Es gibt seit Tagen kein anderes Thema, natürlich habe ich das mitbekommen", gab ich belustigt von mir.
,,Hast du auch schon von dem Angebot gehört, dass wir mit ihnen trainieren dürfen?", fragte Raul weiter.
Nein, die Informationen war mir neu.
Begeistert guckte ich ihn an.
,,Wirklich?!" Endlich war es auch mir möglich bei einem Training mitzumachen. Und vielleicht würde ich der Academy auffallen und sie würden mich einladen such an die Academy zu kommen. Ich wusste selbst, dass es nur Tagträumerrei war, aber das war die beste Nachricht seit langem.
,,Nyla, es gibt ein kleines Aber", meinte Raul jetzt.
,,Es dürfen nur Jungs teilnehmen."
Was! Wäre es ein Eignungstest gewesen oder eine Altersbeschränkung hätte ich ja noch irgendwas machen können. Aber an meinem Geschlecht? Ich kann ja jetzt schlecht ein Junge werden.

Combatant - Lager in AmerdanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt