Kapitel 3

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Das ganze Dorf war schon in heller Aufregung.
Am späten Nachmittag sollten die Leute der Academy kommen.
Ich hatte mein morgenliches Training schon hinter mir und stand jetzt auf dem Marktplatz, während ich die Menschen beobachtete, die hektisch umher liefen.
Eigentlich sollte ich zum Bäcker, um da das Brot für meine Tante abzuholen, doch dann hatten die Bewohner mein Interesse geweckt.
Alles wurde geschmückt und eine kleine Bühne wurde aufgebaut.
Ich war mir unsicher, ob eine Willkommensfeier wirklich das Richtige war.
Die Lehrlinge kamen aus Bilgrad und bis nach Amerdan braucht man vier Tage, mit so einer großen Gruppe vielleicht sogar fünf.
An deren Stelle würde ich lieber mein Lager aufschlagen wollen und dann schlafen.

Schließlich machte ich mich dann doch auf den Weg zum Bäcker und kam folglich viel zu spät wieder bei meiner Tante an.
,,Wieso bist du so spät? Auf dem Weg schon wieder getagträumt von deinem so viel besseren Leben als Bändigerin?", fragte Tessa und nahm mir den Korb mit dem Brot ab.
Sie war noch nie wirklich begeistert davon gewesen, dass ich Bändigerin werden wollte. Insgeheim glaubte ich auch, dass sie Angst hatte, dass ich Gaia mit meiner Idee einen Flo ins Ohr setzte.
,,Auf dem großen Marktplatz wird alles für eine Feier für die Ankunft der Academy vorbereitet, ich habe mich ein bisschen ablenken lassen", erklärte ich mich. Und ja vielleicht hatte ich ein bisschen in meiner Fantasy geschwelgt, aber das würde ich ihr sicherlich nicht sagen.
,,Es ist schon so lange her, dass wir ein Fest hatten hier in Amerdan." Gaia hatte Recht. Es war wirklich nicht oft, dass wir im Dorf feierten. Vielleicht weil wir so klein waren oder weil es hier nicht do viel gab was man feiern konnte.
,,Mama, meintest du nicht wir würden auch was beitragen?", fragte meine Cousine.
,,Ja, meinen selbst gebrannt Schnaps. Und jeder von uns hate eine Schicht am Essensstand", war die Antwort.
Also doch kein freier Abend.
,,Aber das Gasthaus öffnet heute nicht?", fragte ich mit der Hoffnung wenigstens diese Freiheit zu haben und es würde bedeuten den Nachmittag frei zu haben.
,,Nein, alle werden auf dem Fest sein, da würde es sich nicht lohnen aufzumachen", antwortete meine Tante.
,,Also kann ich raus in den Wald?", fragte ich weiter.
Genervt nickte Tessa.
Erfreut drehte ich mich zur Hintertür und wollte gerade aus der Tür tretten, als ich von Gaia nochmal kurz aufgehalten wurde. ,,Sei aber pünktlich zu Ankunft wieder da."
,,Ja, Mama."
,,Das war eine ernstzunehmende Bitte. Mit wem soll ich denn sonst die gutaussehenden Männer bestaunen?", erwiderte sie empört. Ihr war es anscheinend wirklich wichtig.
,,Ich wette Maria macht das liebend gern mit dir", antwortete ich ihr.
,,Die ist doch gerade mit ihrem Vater unterwegs, um Erfahrungen als Händler zu sammeln", erklärte sie. Eigentlich machten Gaia und Maria alles zusammen, weswegen es mich auch verwundert hatte, als Gaia nicht mit auf die Reise gekommen ist. Aber meine Tante war anscheinend nicht begeistert ihre Tochter, und Hilfskraft im Gasthaus, zu verlieren. Auf jeden Fall war es meine Aufgabe solange Maria zu ersetzen.
Ich seufzte und sagte:,, Ich werde da sein."

Durch das Dorf schlendernt, beobachtete die Vorbereitungen und die kleinen Kinder, die aufgeregt hin und her liefen und nicht nur einmal die Erwachsenen störten.
Als ich dann endlich das Dorf hinter mir gelassen hatte, lief ich im Sprint zum Wald.
Der Wind fegte mir durchs Gesicht und weckte in mir das Gefühl von Freiheit.
Vor dem Wald blieb ich stehen.
Rauls hatte mir schon oft gesagt, dass ich an meiner Umgebungswahrnehmung arbeiten sollte. Was leichter gesagt als getan war. Durch die Verbindung spürte ich jedes Lebewesen, vom kleinen Gänseblümchen bis zum prachtvollen Hirsch. Ich hatte Jahre gebraucht diese Energie zu unterdrücken und jetzt sollte ich sie wieder reinlassen, aber nur bestimmte.
Also schloss ich meine Augen und ließ es zu das die Natur wieder zu mir sprach. Es war ein überwältigendes Gefühl, eins das ich schon fast vergessen hatte. Doch bald kam auch wieder das altbekannte Gefühl der Überforderung.
Ich hörte das Rascheln des Windes in den Blättern, das Zwitschern der Vögel, das Knacken von Ästen, auf die die Bewohner des Waldes getreten waren.
Langsam ging ich, Schritt für Schritt, in Richtung Wald.
Meine Begabung, die Natur so wahrzunehmen war einzigartig, ein Vorteil den ich nutzen musste und nicht kleinhalten sollte so wie ich es gemacht hatte seit dem meine Eltern verstorben sind. Es war Zeit den Teil von mir wieder zu finden und die Grenzen und Möglichkeiten dieser Verbindung zu der Natur herauszufinden.
Ich horchte in mich rein und konnte die Präsenz der Natur deutlich spüren.
Ich wusste, wo ein Baum stand, wo die Büsche waren und wann ich einem Tier begegnete.

Ohne die Augen aufzumachen ging ich weiter in den Wald und ließ mich von der Natur führen.
Nach einer Weile konnte ich einen kleinen Bach plätschern hören.
Auch konnte ich verschiedene Rehe wahrnehmen, die ganz in der Nähe waren. Ich beschleunigte meinen Schritt und befand mich auf einer Lichtung, als ich die Augen wieder aufmachte.
Vor mir stand eine Rehherde, die es sich auf der, von der Sonne beschienen, Lichtung gemütlich gemacht hatte.
Verwundert von der großen Herde, da Rehe im Sommer eher allein, oder in kleinen Gruppen, gebildet aus der Ricke und ihren Kitzen, unterwegs waren, stand ich da und bickte sie an.
Die Rehe waren sehr entspannt und schienen mich gar nicht zu beachten, da sie einfach friedlich weiter grasten.
Wahrscheinlich merkten sie, dass von mir keine Gefahr ausging.
Bedacht näherte ich mich der Gruppe und lief zwischen den Rehen hindurch. Ich entdeckte vier kleine Rehkitze, die mich alle mit großen Augen beobachteten.

Ich verließ die Herde wieder und lief weiter in den Wald hinein. Es war viel was ich fühlte, ein großes Durcheinander, das ich in mir spürte, aber ich fühlte mich leichter und hatte Zuversicht, dass ich es irgendwann schaffte diese Stimmen und Energie nicht nur zu unterdrücken, sondern auch zu verstehen.

Ich beobachte gerade, wie der Wind durch das Blätterdach strich, als ich ein Stimmengewirr und Hufen hörte.
Schnell versteckte ich mich hinter einem Brombeernbusch und wartete auf die Ursache der lauten Geräusche.
Ich musste nicht lange warten, da konnte ich die ersten Menschen und sogar Pferde sehen.
Ganz vorne konnte ich auch eine Flagge mit Wappen erkennen.
Beim genaueren Hinsehen erkannte ich das Wappen der Academy.
Das war also die Truppe der Lehrlinge.
Ich musste mich beeilen, wenn ich noch rechtzeitig bei meiner Cousine sein wollte.
Ich wartete ich bis alle an mir vorbei gegangen waren, um dann eine Abkürzung durch den Wald zu nehmen.

Wenig später war ich dann auch schon am Gasthaus, wo meine Cousine mich ungeduldig erwartete.
,,Nyla, da bist du ja endlich. Ich habe gehört, dass die ersten Leute die Lehrlinge der Academy schon gesehen haben", wurde ich von Gaia begrüßt.
,,Ich habe sie auch schon gesehen", meinte ich zu ihr und trank einen großen Schluck Wasser, da ich von meinem Sprint durch den halben Wald außer Puste war.
,,Was?! Aber ich wollte sie mir mit dir zusammen angucken", beschwerte sie sich.
,,Keine Sorge, so genau habe ich jetzt auch nicht geguckt", erklärte ich ihr.
,,Na gut, aber zieh dir lieber was anderes an. Dein Kleid ist ganz dreckig vom Wald", meinte meine Cousine und zeigte auf den Saum des Kleides.
Auch ich guckte mir den Saum an und sie hatte Recht. Durch den Lauf war mein Kleid ganz schön in Mitleidenschaft gezogen worden.

Oben zog ich mich um und legte mein Kleid zur Seite, um es später vernünftig zu säubern.
Aus meinem Kleiderschrank holte ich ein dunkelblaues Kleid mit weißen Applikationen.
Eigentlich passte das Kleid nicht zu mir. Es sah aus als würde ich ein Kleid von Gaia tragen, aber es gehörte früher mal meiner Mutter.
Zudem hatte meine Tante mal erwähnt, wie ähnlich ich meiner Mutter in dem Kleid aussehen würde.

,,Nyla, kommst du endlich?!"

Combatant - Lager in AmerdanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt