KAPITEL 23 | SYDNEY

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ALS ICH MONTAGMORGEN zum ersten Mal seit drei Tagen wieder in meine Vorlesungen gehe, passiert etwas Merkwürdiges. Meine Mutter stellt mir am Telefon irgendeine belanglose Frage, die ich aber sofort wieder vergesse, weil Kolin am anderen Ende vom Campus mich anstarrt und mir dann mit seinem Zeigefinger zu verstehen gibt, dass ich ihm folgen soll.

Der Montag ist gerade noch schlimmer geworden.

Ich stehe währenddessen wie bestellt und nicht abgeholt mit meinem Handy am Ohr da und überlege, ob es wirklich eine gute Idee ist, meinem komplett verrückten und gestörten Exfreund nachzugehen. Denn die wenigen Male, bei denen wir bisher geredet haben, sind weder geistreich noch lebensbereichernd gewesen.

»Syd, bist du noch dran?«, fragt meine Mutter zum vierten Mal, jedoch wirkt sie immer besorgter.

Ich nicke und starre nach wie vor auf die Stelle, an der Kolin gerade noch stand. »Ja, ich ... ich rufe dich später an, Mom. Hab dich lieb.« Ich lege sofort auf und gehe in dieselbe Richtung, in die Kolin gegangen ist, bevor ich es mir anders überlegen kann.

Nicht wirklich schlau, ich weiß.

Aber die Sache ist die: Wenn ich nicht mit ihm rede, werde ich mich den ganzen restlichen Tag fragen, ob es vielleicht doch wichtig gewesen wäre ihm zuzuhören und darauf habe ich noch weniger Lust, als mit ihm zu sprechen. Außerdem wäre es gut zu erfahren, um Kolin irgendetwas von unserem ultimativen Plan für Dean weiß, denn sonst scheint er ja auch immer alles vor mir zu wissen. Falls er irgendetwas ahnt, können wir jedenfalls noch strategischer vorgehen.

Ich fühle mich wie eine waschechte Agentin, als ich meinem Exfreund bis zum Parkplatz folge, auf dem nicht viele Menschen zu sehen sind.

Das ist schon mal schlecht. Ich glaube zwar nicht, dass Kolin mich hier und jetzt umbringen wird, aber besonders sicher fühle ich mich deswegen nicht. Dabei sollte das eigentlich nicht so sein. Kolin und ich waren fast fünf Jahre befreundet und über ein Jahr zusammen und trotzdem habe ich mich noch nie so unwohl in der Gegenwart von irgendjemandem gefühlt.

»Danke, dass du mir gefolgt bist, Sydney-Britney.«

Ich schließe genervt die Augen, damit ich sie nicht versehentlich verdrehe. »Ich bin so verflucht leichtsinnig«, murmle ich leise.

»Was?«

»Gar nichts«, schiebe ich schnell hinterher und öffne wieder die Augen. »Warum sollte ich kommen?«

»Aus zwei Gründen«, antwortet er. »Erstens ... hast du heute schon etwas vor?«

Einer seiner Gründe ist jetzt nicht wirklich mich zu fragen, ob ich auf ein Date mit ihm gehe. »Wenn du jetzt nicht zum Punkt kommst, gehe ich wieder, Kolin. Ich komme nämlich gerade zu meiner Vorlesung zu spät und die ist viel interessanter als dieses Gespräch, glaub mir.« Wütend funkele ich ihn an, jedoch verwandelt sich die Wut sehr schnell in Ehrfurcht, als drei Personen aus dem Auto neben uns steigen und sich hinter Kolin stellen.

Hunter starrt mich wie immer, wenn ich ihn auf dem Campus sehe, intensiv an, Xanders Grinsen jagt mir eine Heidenangst ein und Gavin hätte ich am liebsten den Mittelfinger gezeigt. Warum mache ich es eigentlich nicht einfach? Langsam hebe ich beide Hände und strecke ihm meine schönsten Finger entgegen, woraufhin er nur lächelt.

Ich will ihm die Augen auskratzen.

»Na gut, wie du willst«, sagt Kolin plötzlich. »Dann kommen wir eben zu meinem zweiten Grund. Du musst etwas für mich besorgen, Syd.«

Meine Mittelfinger sind nach wie vor in der Luft. »Sehe ich etwa so aus, als wäre ich deine persönliche Dienerin, oder was? Schlimm genug, dass Gavin, Xander und Hunter es sind.«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt