KAPITEL 6 | SYDNEY

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ICH WERDE BALD noch paranoid.

Wie kann es sein, dass ich Dean Walker immer und überall sehe? Auf dem Campus habe ich ihn mit Sicherheit dreimal entdeckt, wobei aber nur sein Rücken zu erkennen gewesen ist, danach habe ich einen Jungen aus meinem Kurs mit ihm verwechselt und jetzt gerade sehe ich ihn wieder ─ direkt vor meiner Wohnungstür.

Schnell greife ich nach meinem Regenschirm und halte ihn drohend vor mir hin.

Eigentlich ist meine Vorsicht lächerlich, immerhin ist gestern, als wir auf meinem Sofa geredet haben, fast kein Blatt zwischen uns gewesen, aber trotzdem will ich wenigstens versuchen standhaft und misstrauisch zu sein. Außerdem will ich ihn nicht immer und überall sehen. Ich will ihn gar nicht sehen, weil er trotz allem immer noch ein Mordverdächtiger ist, mit dem ich nichts zu tun haben sollte. Bevor ich ihm begegnet bin, sind meine größten Sorgen noch gewesen, ob ich mit meinem neuen College-Leben überhaupt zurechtkomme, aber jetzt muss ich fast jeden Moment damit rechnen ihn zu sehen. Und das geht mir gehörig gegen den Strich.

»Ich glaube, du hast dich in der Tür geirrt«, sage ich, als ich direkt hinter ihm stehe. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Person vor mir Dean Walker überhaupt nicht ähnlichsieht. Dean ist meiner Meinung nach viel größer und auch ein wenig breiter.

»Eigentlich ist das hier genau die richtige Tür.«

Die Stimme des Mannes ist tief und schüchtert mich ein wenig ein, aber in dem Moment, in dem er sich zu mir herumdreht, verfliegt meine Angst so schnell, wie sie gekommen ist. Eigentlich muss ich mich sogar beherrschen, um nicht laut loszulachen, denn das wäre wirklich völlig unangebracht und daneben gewesen. Der Typ vor mir sieht aus wie der Klon von Ron aus Harry Potter. Ich frage mich, wie ich überhaupt annehmen konnte, dass das hier Dean ist.

Ron zieht eine Augenbraue nach oben. »Was genau ist so lustig?«

Warum kann ich kein Pokerface aufsetzen? Ich seufze. »Nichts ist lustig. Du stehst mir nur im Weg und ich frage mich, warum. Ich habe dich jedenfalls noch nie gesehen und wenn du nicht irgendein Freund von Bronwyn bist, weiß ich nicht, was du hier verloren hast. Oder bist du einer von Kolins Freunden? Wenn das so ist, kannst du jedenfalls gleich gehen und ihm sagen, dass ich ─«

Er besitzt wirklich den Nerv mich zu unterbrechen. »Okay, du redest definitiv zu viel und ich habe definitiv zu wenig Zeit.«

Empört öffne ich den Mund. »Entschuldigung?«

»Angenommen«, sagt er mit dem Anflug eines Lächelns. »Ich meine es ernst, wir haben nicht viel Zeit, also fasse ich mich kurz. Ich bin kein Freund von Bronwyn oder von irgendeinem Kolin. Ich heiße Gavin.«

»Gavin Reyes, nicht wahr?«

Er hebt stolz die roten Augenbrauen. »Du hast also von mir gehört. Und du bist Sydney, ein weiterer One-Night-Stand, den Dean in die ganze Sache mit reingezogen hat.«

One-Night-Stand?

»Nur damit das klar ist, Sydney. Du wirst niemandem von Dean erzählen, aber wenn du es bereits gemacht hast, hoffe ich für dich, dass diese Personen dichthalten können. Sollte ich herausfinden, dass du zur Polizei gegangen bist, bekommst du ernsthafte Probleme mit mir und ich glaube nicht, dass du die willst.«

Ich blinzele perplex.

Er seufzt. »Gott, er muss wirklich aufhören irgendwelchen dahergelaufenen Mädchen den Kopf zu verdrehen. Süße, du willst wirklich keine Beziehung mit jemandem wie Dean, okay? Es ist ja manchmal schon anstrengend genug sein bester Freund zu sein, der ihn immer aus der Scheiße herauszieht. Also tu mir den Gefallen und fang jetzt bitte nicht das Heulen an. Ich bin immer überfordert, wenn Menschen vor mir das Weinen anfangen.«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt