KAPITEL 40 | SYDNEY

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»HEY, SYDNEY-BRITNEY! Warte doch mal!«

Reflexartig laufe ich schneller und ergreife die Flucht. Blöd ist nur, dass die Gänge der University of New Haven viel zu lang und gerade sind, sodass Kolin mich im Handumdrehen eingeholt hat. Er legt eine Hand auf meine Schulter und wirbelt mich zu ihm herum, woraufhin der Rucksackriemen von meiner linken Schulter gleitet und die Tasche auf den Boden fällt.

Spätestens jetzt haben Kolin und ich alle Blicke auf uns gezogen.

Hastig hebe ich den Rucksack auf und will mich schon wieder umdrehen, als Kolins tiefe lachende Stimme mich aufhält: »Wieso hast du es denn so eilig? Lass mich raten ... du willst zu Walker?«

»Lass mich in Ruhe.« Mehr sage ich nicht, dann laufe ich schnell weiter.

»Dean wird leider nicht auf dich warten können.«

Wovon redet er? Ich lege die Stirn in Falten und suche in Kolins Gesichtsausdruck nach irgendeinem Hinweis, jedoch finde ich nur sein eingebildetes Lächeln und seine schelmisch funkelnden Augen, als er sich durch die blonden Haare fährt. Ich beschließe einfach, ab jetzt gar nicht mehr auf ihn zu hören.

Er will mich doch nur verunsichern.

»Ich meine es ernst, Syd. Dean ist nicht mehr in seiner Wohnung.« Er wirft einen Blick auf seine nicht vorhandene Armbanduhr und grinst. »Seit zwei Stunden nicht mehr, um genau zu sein.«

Mein Mund steht so weit offen, dass Kolin bei meinem Anblick ein Lachen ausstößt, aber ich lasse mich nicht beirren. Schnellen Schrittes laufe ich auf ihn zu und versetze ihm ohne richtig nachzudenken einen Stoß. Er stolpert überrascht ein paar Schritte rückwärts und das Grinsen ist ihm wie aus dem Gesicht gewischt.

»Was hast du gerade gesagt?«, will ich wissen.

Ich bin mir ziemlich sicher, ein wenig Angst in Kolins Blick zu sehen, aber er überspielt es mit einem Räuspern. »Dean ist vor zwei Stunden festgenommen worden. Seine Beweise waren so eindeutig, dass er umgehend nach New York gebracht wird.«

»Beweise? New York?« Ich bin mir bewusst, dass ich schreie, aber ich kann mich auch nicht bremsen. Dean habe ich heute Morgen noch in einer unserer gemeinsamen Vorlesungen gesehen. Wir haben uns Blicke zugeworfen ─ und uns damit praktisch ausgezogen ─ und er hat danach auf der Campuswiese Witze gerissen, die Bronwyn so stark zum Lachen gebracht haben, dass ihr das Wasser, das sie getrunken hat, wieder aus der Nase herausgekommen ist.

Kolin lügt.

Er muss einfach lügen.

»Ich habe in meiner Wohnung mein Handy vergessen«, hat Dean mir vor zwei Stunden stolz erzählt. Das Handy hat er von Peter geschenkt bekommen und seitdem hütet er es wie ein Baby.

Ich habe daraufhin lachend die Augen verdreht. »Dann geh und hol es, wenn es dir so wichtig ist. Aber wehe, du vergisst, dass wir später verabredet sind. Du und ich, wir werden den Campus entlangrennen.«

»Und dir ist das nicht peinlich?« Er schien verwirrt gewesen zu sein. »Ich meine, alle werden uns anstarren, Sydney.«

»Mich stört es nicht. Dich etwa?«

»Nein. Ich bin monatelang von niemandem angestarrt worden, da ist das eigentlich eine willkommene Abwechslung.«

Damit ist es beschlossene Sache gewesen.

Ich war gerade auf dem Weg zu Deans Wohnung, damit wir in die Tat umsetzen können, was wir vorhatten. Und jetzt will Kolin mir erzählen, dass Dean überhaupt nicht mehr da ist? Ich bin verwirrt und irgendwie auch wütend, als ich Kolin ansehe. »Was spielst du eigentlich für ein krankes Spiel mit Dean?«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt