Dean Walker | ✓

KAPITEL 47 | SYDNEY

NOCH NIE WAR ich so stolz auf Dean. Was er zu seinen Eltern gesagt hat, braucht viel Mut und Überwindung, aber wir alle wissen, dass er von beidem eine Spur zu viel besitzt.

Mir sind seit diesem Gespräch vor vier Tagen zwei Dinge klargeworden. Erstens: Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dean mit so ziemlich allem und jedem fertig werden kann. Und zweitens: Wenn er nicht damit aufhört, so ein rundum perfekter Kerl zu sein, werde ich noch in Liebe ertrinken.

Denn bisher haben wir tatsächlich kein einziges Mal gestritten ─ na ja, wenn man unsere Streitereien wegen dem letzten Stück Schokolade ignoriert. Ich würde nicht sagen, dass es mich beunruhigt, wie gut die Dinge zwischen uns funktionieren, aber misstrauisch macht es mich schon. Dabei ist es ja nicht so, als hätten wir noch nie gestritten. Nachdem wir herausgefunden haben, dass Gavin kein wahrer Freund Dean gegenüber gewesen ist, gab es einen riesengroßen Streit plus Funkstille für zwei Tage. Und als sich Dean vor zwei Wochen nicht an unseren Deal gehalten hat, bin ich auch ziemlich wütend gewesen, jedoch war ich sofort milde gestimmt, als ich gesehen habe, wie sehr es ihm wehgetan hat, seine Eltern anrufen zu müssen.

Bronwyn und Peter reißen mich aus meinen Gedanken, indem sie sich plötzlich so sehr anschmachten, dass meine Augen groß werden. Gerade eben noch sind sie in ihre Lernbücher vertieft gewesen, jetzt überhäufen sie sich mit Komplimenten und anzüglichen Blicken.

Ehrfürchtig sehe ich mich auf dem Campus um. Viele Studenten sehen zu uns hinüber, aber das liegt wahrscheinlich eher daran, weil es sich herumgesprochen hat, dass Dean und ich offiziell ein Paar sind. Manchmal machen mir die Blicke nichts aus, jetzt fühle ich mich jedoch ein wenig unbehaglich, während ich meine Finger in das Gras unter mir bohre.

»Streitet ihr oft?«, frage ich meine Freunde plötzlich aus dem Nichts, bevor ich mich davon abhalten kann. »Also, mir ist natürlich bewusst, dass ihr erst seit ungefähr vierundzwanzig Stunden zusammen seid, aber trotzdem interessiert es mich. Die Frage ist nur rein hypothetisch und hat sicher nichts mit Dean zu tun oder so.« Okay, wem will ich eigentlich etwas vormachen? »Na gut, sie hat etwas mit Dean zu tun, aber ich frage nicht, weil er und ich streiten, sondern eher, weil wir so gut wie nie streiten. Ist das normal?«

Bronwyn dreht den Kopf weg und anhand ihrer bebenden Schäultern, weiß ich, dass sie kurz davor ist, los zu prusten. Peter legt sein dickes Buch weg und nimmt meine Frage überraschenderweise ernst. »Die meisten Menschen in Paarbeziehungen streiten mehr als zwei Mal im Monat, das sind einundvierzig Prozent. Bei ungefähr jedem zehnten Pärchen, also elf Prozent, fliegen sogar mehrmals die Woche die Fetzen und jedes zwanzigste Paar gerät täglich nur wegen Kleinigkeiten aneinander.«

»Ich liebe es, wenn du irgendwelche Studienergebnisse herunterratterst.« Bronwyn blickt ihn verliebt lächelnd an, was Peter erwidert.

Ich seufze. »Diese Studienergebnisse haben leider gar nichts gebracht. Ich will einfach wissen, ob die Dinge zwischen Dean und mir zu gut laufen. Ihn kann ich aber nicht fragen, weil er fast genauso wenig Erfahrung in diesen Dingen hat wie ich.«

»Anfängliche Beziehungen dürfen reibungslos verlaufen, Sydney«, meint Peter, während er Bronwyn ein Stück Karotte in den Mund schiebt. »Außerdem ist Dean kein streitsüchtiger Mensch, deshalb musst du dich wohl noch eine Weile gedulden.«

Ich muss Peter Recht geben. Dean ist tatsächlich nie auf Streit aus ─ nur, wenn es um Schokolade geht ─ und deshalb ist unser jetziger Verliebtheitszustand wahrscheinlich völlig normal. Sagt man nicht, dass erst nach drei Monaten die ersten Probleme in einer Beziehung auftreten?

Vielleicht haben wir aber auch in den letzten Monaten so viel durchgemacht, dass unser Streitbedarf für die nächsten fünf Jahre aufgebraucht ist.