⚠️▫Kapitel 열 여섯▫⚠️

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Sei ernsthaft, bescheiden, höflich, ruhig, wahrhaftig. Rede nicht zu viel. Und nie von Dingen, von denen du nichts weißt. Adolph Freiherr von Knigge, (1752-1796), deutscher Jurist, Beamter und Satiriker

Yoongi

4. Oktober, Mittwoch:

Als ich das Zimmer betrete, ist es verlassen und dunkel. Das geöffnete Fenster erlaubt einen Blick auf den klaren, hell erleuchteten Nachthimmel und auf dem Boden tanzen die vom Wind bewegten Schatten der blauen Vorhänge im Mondlicht. Die Luft im Raum ist kalt, aber so frisch, als hätte jemand wie von Zauberhand den Streit aufgesaugt, weggepustet, verschwinden lassen.

Fröstelnd ziehe ich die Arme an meinen Körper. Inzwischen ist der Herbst vollends angebrochen und die Nächte sind um einiges kälter als noch bei meiner Ankunft im Internat.

Behutsam lege ich meine Jacke beiseite und den Zimmerschlüssel in die kleine Schale auf der Komode, in der ich wegen Jungkook nächtlich mein Smartphone verstauen muss. Hmm, Jungkook... Wie es aussieht schläft er heute nicht hier. Ich kann es ihm nicht übelnehmen, vielleicht bin ich auch ein bisschen froh darüber, so spät nicht mehr mit ihm konfrontiert zu sein.

Auf leisen Sohlen stehle ich mich zu meinem Bett und atme tief durch. Genieße die Stille und die kühle Luft, die eine so friedliche Atmosphäre im Raum schaffen. Als ich meine Lider nach einem kurzen Moment der Ruhe wieder öffne, entdecke ich Licht durch den Türspalt zum Bad und sehe dunkle Tüpfel, die sich quer über den gelb leuchtenden Balken bewegen. Vermutlich Füße. Also scheint Jungkook doch hier zu sein.

Seufzend entledige ich mich meiner Kleidung und krieche unter die leichte, bauschige Decke. Wenn ich nur schnell genug einschlafe, entkomme ich meiner Konfrontation vielleicht doch. Ich schließe die Augen und versuche, all meine wirren Gedanken durch tiefes Schnaufen wegzuatmen, aber immer wieder muss ich an Dadae, Jungkook oder die Bioarbeit morgen denken.

Nachdem ich mich zehn Minuten in die Extase geatmet habe, schwingt die Badezimmertür mit einem dumpfen Luftzug auf und ich höre Tapser, die für einen Augenblick aussetzen, und sich dann im selben Tempo wie zuvor auf mich zubewegen.

Gespannt halte ich die Luft an, versuche, meinen Körper in seiner Bewegung festzufrieren, starre sogar mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit, die die Grenzen des Zimmers unkenntlich verschwimmen lässt, weil ich mich nicht traue, auch nur meine Lider zu bewegen, um sie zuzukneifen.

Wortlos steht Jungkook an meinem Bett und scheint mich einfach nur von oben herab anzustarren. Für gefühlte Minuten steht die Zeit still, das einzige, was das Gegenteil beweist, sind die schwebenden Gardinen, die wie Wellen über das Fensterglas hinwegwiegen.

Jungkook tippelt zu ihnen, beugt sich über den Schreibtisch hinweg, um den Griff zu fassen zu kriegen und das Fenster mit etwas Kraft zuzuziehen. Dann tippelt er zurück zu meinem Bett, nimmt mir die Decke aus der einen Hand, hebt sie vorsichtig an und.. legt sich zu mir..? Sachte schmiegt er sich näher an meinen Körper, und als ich mich ihm behutsam zudrehe, kuschelt er seinen klatschnassen Haarschopf gegen meine Brust.

Zaghaft schleichen sich meine Fingerspitzen in seine feuchten Haare und ich beginne, über seine Kopfhaut zu wandern. Offensichtlich hat er frisch geduscht und duftet nach Drachenfrucht, Granatapfel und Papaya, exotisch, grün, Dschungel, seine Kette glitzert im Mondlicht. Er trägt sie trotz allem..

"Hey", wispere ich nach einer Ewigkeit und schaue auf ihn herab. Ganz langsam dreht er sein Gesicht zu mir und schenkt mir ein bekümmertes Lächeln. "Hey", erwidert er und seine Stimme hört sich dabei ganz nasal an, zudem sind seine Augen rot unterlaufen, als hätter der kleine Kauz stundenlang geweint.

Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich bemerkt habe, wie fuchtbar er aussieht und kraule einfach weiter durch sein Haar. In der allein vom Sternenlicht unterbrochenen Dunkelheit war es ohnehin schon schwer, Näheres aus seinem Gesicht lesen zu können.

"Yoongi, warum bist du so?", raunt er mir mit schwacher Stimme zu, ohne mich wirklich anzusehen. Seufzend ziehe ich ihn näher an mich, klammere meine Beine um seinen schlanken Körper und lege seinen Kopf in meine Halsbeuge, während ich nicht stoppe, über seinen Hinterkopf zu kraulen.

"Kennst du die Geschichte von den Stachelschweinen?", frage ich. Er schüttelt kaum merklich den Kopf, wobei ich seinen warmen, feuchten Atem über meine Haut streichen spüre. Ein angenehmes Kribbeln fährt durch meine Glieder. Mein Herz macht einen kurzen Satz deswegen und etwas überfordert versuche ich, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu kriegen, ohne dass Jungkook Wind davon bekommt.

"Stachelschweine drängen sich in den kalten Wintertagen recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Aber durch den Schmerz, den sie sich wegen den Stacheln gegenseitig verursachen, entfernen sie sich bald wieder voneinander. Und immer wenn sie das Bedürfnis nach Wärme wieder zusammentreibt, bringen sie ihre Stacheln über kurz oder lang wieder auseinander. Bis sie irgendwann eine Entfernung finden, in der sie es am besten miteinander aushalten."

Jungkook sagt nichts, er atmet nur in einheitlichem Takt an mein Ohr. Also fahre ich fort: "Und in unserer Gesellschaft treibt uns die Einsamkeit und Sinnlosigkeit des Lebens zueinander, aber die Menschen haben so viele widersprüchliche Eigenschaften und unerträgliche Fehler an sich, dass sie es irgendwann nicht mehr miteinander aushalten. Aber die, die nicht aufgeben, finden irgendwann eine Distanz und gleichzeitig Nähe, die sie zwar unvollkommen mit Wärme und Liebe versorgt, dafür sind sie aber auch taub für den Stich der Stacheln des anderen."

"Ich bin ein Stachelschwein?", fragt der kleine Kauz in meinen Armen mich mit einem Hauch der Niedergeschlagenheit, die er gegenüber dem traurige Schicksal der Menschen empfindet, in der Stimme. Ich ziehe ihn, falls das überhaupt noch möglich sein sollte, etwas näher an meine Brust und hauche ihm einen unscheinbaren, federleichten Kuss auf die Stirn.

"Nein Jungkook. Du hast genug eigene, innere Wärme, am besten hältst du dich lieber vom Rest der Gesellschaft fern, um keine Schmerzen verteilen oder empfangen zu müssen."

poı§on, vənom, toxıc  ~yoonkook ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt