⚠️▫Kapitel 여섯▫⚠️

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Manieren sind wichtiger als Gesetze. Genaugenommen hängen die Gesetze sogar weitgehend von ihnen ab. Mit dem Gesetz kommen wir nur hier und da in Berührung. Die Umgangsformen sind es, die uns erbittern oder besänftigen, verderben oder läutern, erheben oder erniedrigen, verrohen oder sublimieren. Wie die Luft, die wir atmen, wirken sie unaufhörlich auf uns ein, ohne dass wir uns dagegen wehren können oder es auch nur bemerken. Edmund Burke, (1729 - 1797), irisch-englischer Staatsmann und romantischer Denker

Jungkook

5. September, Montag

Mit hochgezogenem Kragen und dafür eingezogenem Hals stapfe ich durch alle möglichen Gassen, die sich im Aussehen kaum unterscheiden. Aber schon seit ich auf dieses Internat gehe, kenne ich den Weg zu meinem besten Freund Namjoon in- und auswendig.

Er war immer für mich da und für ihn riskiere ich auch einen nächtlichen Ausflug bei Sturm und Nebel in die ärmlichere Gegend der Innenstadt.

Namjoon war das erste halbe Jahr mit mir auf dem Internat gewesen, bis das Geld für seine gute Schulbildung einfach nicht mehr ausreichte.

Aber er macht sich nicht viel daraus, er macht sich nicht viel aus gar nichts.

Das liebe ich so an ihm, trotz der Tattoos, den Piercings und seiner Gang ist der der gute, alte Nullchecker von früher geblieben, der gerne etwas riskiert. Das hat unsere Freundschaft über die vier Jahre am Leben gehalten.

Heute will ich mich ein wenig, naja, bei ihm ausheulen könnte man sagen. Er weiß bestimmt, was zu tun ist und was ich lieber lassen sollte, wenn es um einen wie Min geht.

Während mich mein Gedächtnis weiter durch die Straßen und Seitenwege trägt, ohne dass ich aufmerksam meinen Weg verfolge, tauche ich ab in meinen Erinnerungen von heute Morgen.

Nachdem ich Fräulein Son aus dieser unglücklichen Lage befreit habe, hat sie mich gebeten, mich um Yoongi zu kümmern und ihn zu einem besseren Schüler umzuerziehen. Ich habe sie kaum wiedererkannt, mit so viel Wut und Nachdruck in ihrer Stimme, dass ich mich nicht einmal traute, zu widersprechen.

Ich habe sogar schon eine Idee, wie ich das anstellen könnte, mal sehen was Namjoon davon hält.

Mit einem vorfreudigen Lächeln biege ich in eine ehemalige, heruntergekommene Einkaufsstraße, versteckt vor den Augen neugieriger Passanten.

Der Hof ist wie leergefegt, bei dieser Hundeskälte ist das allerdings nicht verwunderlich. Ich steure direkt auf einen alten Taschenladen zu, das vorletzte Geschäft in diesem Eck. Desto näher ich komme, desto besser verstehe ich die unscheinbare, ruhige Musik im 70er Flair. Cannabismusik nennt sie Namjoon, wenn ich mich noch recht erinnere.

Die Auslage mit dem riesigen, eingelassenen Schaufenster ist zum unteren Teil mit Kartons abgeklebt, Graffiti, dessen Farbe langsam abbröckelt ziert mit ein paar Schnörkeln, vermutlich irgendwelche Signaturen, einen Teil der Scheibe. "Pjöyang's" ist auf dem abblätternden, fast mit nasskalten Stofffetzten überdeckten Schild über dem Laden zu lesen.

Die Tür steht offen und kalte Luft zieht herein, nach außen strömt angenehm warme, die nach erkaltetem, abgestandenen Zigarettenrauch riecht, aber das stört mich nicht. Ohne mich anzukündigen, schiebe ich mich durch den klimpernden Perlenvorhang ins Hausinnere.

"Jungkook, lässt du dich auch mal wieder blicken?", ruft Namjoon mir freudig von einer alten Auslage zu, an die er sich lehnt. Er sieht gut aus, letztes Mal waren seine Haare noch nicht blond, das ist das einzige, was ich unter der Beanie ausmachen kann, seine Brille sitzt gerade auf seiner Nase und sein schwarzes Tank Top gibt die trainierten Oberarme frei, wobei ich an seinem rechten Arm über dem Ellenbogen ein neues Tattoo ausmachen kann, eine Stachelrose.

Ich laufe schleunig zu ihm und ziehe meinen besten Buddy in einer brüderlichen Umarmung, die er mit einem lockeren Handschlag beendet.

"Wie kommt es, dass du dich wieder in der Stadt blicken lässt? Hat etwa die Schule wieder angefangen?" "Am Donnerstag, ja", antworte ich ihm, als er langsam meine Hand aus seiner löst und mir interessiert zuhört, "und da kommen wir auch schon zu einem Problem, das ich habe."

Er legt seinen Kopf schief, was mich dazu bringt, ihm die ganze Geschichte mit Min Yoongi zu erzählen. Danach gebe ich ihm ein paar Sekunden, um über ihn nachzudenken und lasse meinen Blick zu der Wand hinter der Auslage schweifen. Der Putz hat seine weißen Zeiten längst hinter sich, dunkle Farbspritzer, klebriger Alkohol, Filzstiftverewigungen und halb abgerissene Poster lassen das Image eines ehemals seriösen Ladens komplett verschwinden.

Indem er aufschreckt, hinter den Tresen hastet und auf einen verglasten Schutz springt, den man bei Bäckern oft über der Warenauslage sieht, hinter der ehemals Taschen und Uhren angepriesen wurden, sich setzt und die Beine baumeln lässt, erregt Namjoon meine Aufmerksamkeit.

Ich gehe ein paar Schritte auf ihn zu und er teilt mir seine Meinung mit: "Also wie du das erzählst, scheint es mir, als könnte es für dich schaffbar sein, ihn zu zähmen. Hast du dir schon selbst etwas überlegt?"

„Ja und ich wüsste gerne, was du davon hältst.", gebe ich kleinlaut zu und kaue auf meiner Unterlippe herum. Standard, wenn ich nervös bin.

Namjoon sieht es und deutet es richtig, weshalb er mir die Zeit lässt, die ich brauche. Er ist ein so toller Freund.

„Er- Erinnerst du dich noch an die Kurse, die man belegen konnte, immer dann, wenn wenig Klausuren geschrieben wurden...?" „Du denkst doch nicht etwa an diesen komischen, verrückten Spinner und seine strenge Frau?", fragt er ungläubig zurück.

Ich nicke belegt und flüstere: "Sie geben diesen Donnerstag einen Benimmkurs, ich habe mich und Yoongi eingeschrieben." "Der köpft dich doch lebendig!", widerspricht mir Namjoon.

Wir schweigen eine Weile nebeneinander her und ich verfolge die Flecken auf dem mitgenommenen Boden mit meinen Augen.

Es ist wieder Namjoon, der mich verlegen und frech angrinst und somit in die Welt zurückholt.

Aus einer umherliegenden Weste zückt er urplötzlich ein kleines, verknittertes Tütchen, mit staubigem Pulverinhalt und hält es mir mit ausgestrecktem Arm unter die Nase.

Ich entnehme es seinen Fingern geschickt und frage ihn: "Was ist das?" Sein grübchengeprägtes Grinsen zieht sich nur noch länger: "Das jubelst du ihm unter, wenn er nicht spurt."

Koks, Crack, Meth? Bevor ich ihn weiter ausquetschen kann, fährt er fort: "Es ist geschmacklos und lässt sich in allen möglichen Dingen auflösen, von einem Teelöffel liegt er ein paar Tage flach, Bauchkrämpfe, Fieber, das Übliche. Zeige ihm, dass du die Kontrolle über ihn hast!"

Seine Augen funkeln förmlich, sodass ich es nicht übers Herz bringe, abzulehnen und es einstecke. Ich spiele tatsächlich mit dem Gedanken, das Ganze an Yoongi zu testen, verwerfe ihn aber sofort wieder. Soweit wird es sowieso nicht kommen.

"Aber behandle ihn gut und respektvoll, nicht das Verdacht auf dich fällt, du sollst nicht meines, des Pulvers und seines wegen von der Schule fliegen. Und gib ihm ja keine höhere Dosis, das könnte fies für ihn enden!", mahnt er mich und seine Worte ergeben Sinn in meinem Kopf.

Mit etwas Schwung stößt Namjoon sich von der Glaskuppel ab auf den hölzernen Boden und läuft an mir vorbei in eines der drei weiteren Zimmer; Toilette, Plantage und in unserem Fall der Raum mit Fernseher, Sofa und Konsole.

"Genug geplaudert für heute, Jeon! Lass uns zocken, ich habe ein neues Spiel." Schmunzelnd folge ich ihm in den Raum. Er ist einfach unverbesserlich.

poı§on, vənom, toxıc  ~yoonkook ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt