⚠️▫Kapitel 십칠▫⚠️

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Die Grundlage guter Manieren ist Selbstvertrauen. Ralph Waldo Emerson, (1803-1882), US-amerikanischer Geistlicher, Philosoph und Schriftsteller

Jungkook

10. Oktober, Dienstag:

Ich verstecke gerade meinen Kopf hinter meinen Erdkundehausaufgaben, als völlig unerwartet die Zimmertür aufspringt und Yoongi den Raum betritt. Er sieht fertig aus, dunkle Schatten unter den Augen und sein sonst so strahlend blaues Haar steht ihm matt und farblos vom Kopf ab. 

Langsam kommt er auf mich zu, als ich über meine Heftseiten hinweg in seiner unlesbaren Miene nach irgendwelchen Anzeichen für sein Eintreffen suche. Unsicher erwidert er den Blickkontakt, ohne mich zu befreien und bleibt einige Meter vor unserem Schreibtisch stehen.

Mittlerweile habe auch ich mich von meinem Stuhl erhoben und gehe vorsichtig auf ihn zu. Zwischen uns bleibt eine Distanz von einem guten halben Meter. Niemand verliert ein Wort.

Vor einer Woche war noch alles okay, aber das scheint jetzt um Galaxien entfernt. Die ersten Tage nach der Trennung von Dadae schien noch alles in Ordnung zu sein, er verhielt sich wie an jedem anderen Tag unserer kurzen Freundschaft. Eher noch wie mehr als nur ein Freund. Nach Mittwochnacht hatte ich auch am folgenden Tag bei ihm im Bett geschlafen und am Tag darauf auch. Yoongi hat mich liebevoll umsorgt und mir richtiges Herzklopfen bereitet, doch dann war er die Nächte über nicht mehr im Zimmer, wenn doch, hat er in seinem eigenen Bett geschlafen und selbst dann hat er sich immer wieder rausgeschlichen.

Yoongi redet kaum noch mit mir oder unseren Mitschülern. Er fällt zurück in alte Muster, ist mürrisch und unfreundlich, unpünktlich und schwänzt, raucht wie ein Schlot,...

Mich ignoriert er die meiste Zeit und wenn wir doch mal wieder reden, erwähnt er aus reiner Gewohnheit seine Freundin in einem Nebensatz, stellt fest, dass die nun nicht mehr seine Freundin ist und versinkt dann in einer tieftraurigen, stummen Trance.

Noch immer traue ich mich nicht, meine Augen von Yoongi zu lösen. Er sieht mich nicht einmal an, sondern starrt durch mich hindurch wie ein emotionsloser, seelenleerer Roboter.

Und so langsam verschwindet meine leichtgläubige Illusion, er könnte vielleicht auch mehr für mich empfinden als ein gewöhnlicher Freund, wieder aus meinem Kopf. Was hab ich mir auch nur dabei gedacht? Dass er auf mich stehen könnte, nur weil er eine Zeit lang freundlich zu mir war?

Pfff. Dann würde er mich jetzt nicht so in Unwissenheit stehen lassen wie bestellt und nicht abgeholt. Für Yoongi existiere ich doch nur dann, wenn es ihm in den Kram passt. Und mit der Zeit habe ich seine doofen Spielchen satt.

"Das ist mein Shirt. Ich will es wieder." Ich sehe an meinem Körper hinab und wieder zu ihm. Er hat recht, ich habe mir wohl irrtümlicherweise eines seiner Oberteile übergeworfen. "Bitte!", fleht mein Mitbewohner und hört sich dabei schon fast leidend an.

Wortlos greife ich nach dem Bund des grauen T-Shirts und ziehe es mir über den Kopf. Seine Augen wandern schamlos über meine angedeuteten Bauchmuskeln, trotzdem wirkt Yoongi abwesend.

Deshalb frage ich ihn: "Wieso lässt du dich wieder blicken? Lernst du tatsächlich Mal oder musst unter die Dusche?" Yoongi antwortet mir nicht und greift stattdessen in die großen, ausgebeulten Taschen seines olivgrünen Parkas. Keine Ahnung wo er den ausgegraben hat, im Schrank hing der jedenfalls noch nie. Vielleicht hat er ihn auch einem Obdachlosen abgezogen, so abgegriffen, wie der aussieht. Ist auch egal! Jedenfalls verschwindet seine Hand in einer der Taschen und kommt mit einem kleinen Taschenbuch in kirschblütenrosanem Umschlag wieder zum Vorschein. Mein Lieblingsbuch...

"Hier. Danke fürs Leihen." Beinahe übereifrig drückt er es mir am Buchrücken in die Hand und sieht mir zum ersten Mal wieder in die Augen. Für einen Moment scheint er wieder die Macht seines Körpers an sich genommen zu haben, die Version von Yoongi, die ich liebgewonnen habe.

Das Schimmern in seinen dunklen Augen ist gerade wieder dabei zu verschwinden, als ein kleiner Lichtreflex in seiner Pupille aufblitzt. Der Anhänger seiner Kette, der eben hinter meinem Schlüsselbein hervorgepurzelt ist.

Kurz zucken meine Augenbrauen zusammen und ich zerre etwas an dem Buch, das Yoongi immer noch nicht losgelassen hat. Mein Bettnachbar denkt nicht mal daran loszulassen und fixiert weiter die silberne Schlange um meinen Hals. Meine Geduld mit ihm nimmt sekündlich ab und ich werde etwas gröber, aber Yoongi zieht mit derselben Kraft an dem Graphic Novel.

Ich wage einen weiteren Ruck, wobei Yoongi nach vorne stolpert, das Gleichgewicht verliert und mit einen hellen, kurzen Schrei in meinen Armen landet. Finster funkle ich ihn an: "Was soll der Scheiß, Yoongi?" Der glotzt ich mit riesigen Welpenaugen an, fährt mit seinen Fingerspitzen verwirrt über meinen nackten Oberkörper, atmet verunsichert ein, leckt sich flink über die Lippen und drückt sie dann eifrig auf meine.

Überfordert halte ich die Luft an und warte ab, was er als nächstes tut. Für einen Moment regt er sich nicht und ich befürchte schon, mir könnten die Knie nachgeben und ich würde in Ohnmacht fallen, während mir mein Herz aus der Brust springt, um ganz ganz weit weg zu laufen, sodass ich es ja nicht an Yoongi verlieren kann.

Dann plötzlich spüre ich eine sanfte Bewegung, nur ganz kurz. Ich denke schon, ich bilde mir alles nur ein, aber da ist es wieder. Wie elektrisiert stellt sich jedes Härchen an meinem Körper auf, als Yoongi seine blassrosanen Lippen zaghaft gegen meine bewegt.

Zärtlich fährt er mit seinen Fingern über meine Brust zu meinen Schultern und intensiviert den Druck nur um ein Haar. Um das alles zu verdauen, muss ich kurz schlucken, wobei sich meine Lippen beim Ausatmen nur einen winzigen Spalt breit öffenen, aber Yoongi bemerkt es sogleich. Doch anstatt es auszunutzen, übt er sich in höflicher Zurückhaltung und nagt schwach an meiner Unterlippe.

Da ist er wieder. Der Yoongi, der mich gut brauchen kann. Bis er mich wie ein benutztes Taschentuch zusammenknüllt und in die Ecke wirft. Oder im Müll entsorgt.

Verspannt zucke ich zusammen, meine Erkenntnis jagt wie ein Blitz schmerzend durch meinen ganzen Körper, meine Wangen glühen und meine Augen brennen, während mein Groll auf den völlig unwissenden Yoongi wächst und wächst.

Die Ohrfeige, die ich ihm verpasse, knallt gewaltig und Yoongi verharrt einen Moment mit dem Kopf bei Seite, sodass ich sehen kann, wie sich ein purpurner Abdruck auf seiner Haut bildet. Dann dreht er sich mit dem selben, leeren Blick wie vorhin zu mir.

Meine Brust hebt und senkt sich schnell und ich schwitze am ganzen Körper, als ich ihm entgegenspucke: "Wage es ja nie wieder, dich über meine intime Distanzzone hinwegzusetzen! Und einen neuen Schlafplatz kannst du dir auch gleich suchen"












poı§on, vənom, toxıc  ~yoonkook ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt