⚠️▫Kapitel 열두/2▫⚠️

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Wer im Verkehr mit Menschen die Manieren einhält, lebt von seinen Zinsen, wer sich über sie hinwegsetzt, greift sein Kapital an. Hugo von Hofmannsthal, (1874-1929), österreichischer Lyriker, Dramatiker und Erzähler

Jungkook

18. September, Sonntag:

"Heyyyy Jungkook, möchtest du nicht ein bisschen in den Garten mit uns?", hickst Yei ein wenig verlegen. Ich lehne höflich ab und schiebe den Vorwand, Yoongi suchen zu müssen, geschickt vor. Er ist sowieso zu betrunken, diese kleine Notlüge zu durchschauen. Klar, ich mag Yei eigentlich sehr gerne, aber nur weil wir notgedrungen miteinander knutschen mussten, heißt das noch lange nicht, dass ich mich jetzt auch auf seine Flirts einlasse.

Ich tapse orientierungslos durch das schwarzlichterhellte Wohnzimmer und versuche, Namjoon ausfindig zu machen, der in Socken auf dem rutschigen Holzboden umherschlittert und so regelmäßig ein paar seiner Freunde zu Boden reißt, wenn er versucht, an ihnen Halt zu finden.

"Namjoon", packe ich ihn feste an den Schultern und schreie laut und zielgerichtet gegen die Musik, "hast du Yoongi gesehen?!" Er will weg von mir zur Auslage mit den Snacks gleiten, aber ich halte ihn grob am Arm zurück. "Namjoon, ich mein's ernst." Mein Kumpel verdreht angepisst die Augen und schiebt mich dann vor sich her in den hinteren, leiseren und vor allem leereren Bereich des Hauses, wo er mich mit der Info "Er ist sturzbetrunken." zurücklässt.

"Yoongi?", rufe ich zaghaft in die Stille und tigere vorsichtig durch das fremde Haus. Ich kenne das Geburtstagkind wirklich nur mäßig und fühle mich nicht ganz wohl dabei, bei ihm durch die ganze Wohnung zu schleichen.

Mein Zimmernachbar antwortet mir mit einem nicht weniger schwachen Grummel, das sich anhört, als würde es nicht aus Augenhöhe kommen. "Yoongi, wo bist du?", wispere ich teils fürsorglich, teils vorwurfsvoll in den dunklen Hausflur und lasse meine Pupillen dabei ständig an den Wänden entlangwandern, auf der Suche nach seiner Silhouette.

Schließlich finde ich ihn stöhnend und ächtzend auf der untersten Stufe der mit weißem Plüsch bezogenen Treppe ins Obergeschoss liegend. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt noch irgendein Anzeichen von Tadel in meinem Blick zu finden gewesen sein, so ist es sofort wie weggewischt und ich renne einfach nur in Sorge zu dem Älteren.

Schwungvoll werfe ich mich neben ihm auf die Knie und rücke seinen Kopf sanft in meinen Schoß. Yoongi öffnet seine Augen nur einen kleinen Spalt, gerade so weit, dass ihm die Anstrengung keine Kopfschmerzen bereitet und betrachtet mein Gesicht zögerlich. Sein leichter Schluckauf jagt ab und an einen kleinen Sprung im Brustkorb durch seinen Körper und seine Kleidung klebt schweißnass an meinem. Immer, wenn ich seine schwachen Atemzüge über meine Wimpern kitzeln spüre, stiehlt sich mir dabei auch eine alarmierende Menge Alkohlausdünstungen in die Nase.

"Oh Yoongi", seufze ich beinahe tonlos, "warum lässt du dich auch so volllaufen?" Vorsichtig streiche ich ihm die zerzausten, blau strahlenden Haare aus dem Gesicht, wobei es ihm bei jeder Berührung sichtlich schwerfällt, die Augen offen zu halten. Wie ein kleines Kätzchen brummt er genießerisch und drückt seinen Kopf verlangend meinen Fingerspitzen entgegen.

Nach ewig scheinender Stille räuspert er sich plötzlich: "Wrumh hssst du diesenn Idiot geksssst, wrumh nich mmch? Binnich soo ein abstsssender Mnnnsch, dsss du liebr mt einmm Fremdn..."

"Nein, Yoongi, um Gottes Willen, nein!" Aber eigentlich... ehrlich gesagt gab es keinen wirklichen Grund, Yei Yoongi vorzuziehen. "Nun ja... wir sind Mitbewohner, ich wollte nicht, dass wir in Zunkunft aneinander geraten, schätze ich. Außerdem ist Yei kein Fremder, wir kennen uns lang und haben eine gute Vertrauensbasis, weißt du? Da ist es nicht so tragisch, wenn wir uns mal küssen.", versuche ich Yoongi zu beruhigen, obwohl es sich eher so anfühlt, als wollte ich mir selbst etwas vorschwindeln.

Warum habe ich nicht Yoongi geküsst? Liegt es wirklich nur daran, dass ich Yei besser kenne? Oder was steckt wirklich hinter meinem Verhalten? Sehe ich in Yoongi noch das Arschloch aus der Grundschule? Vielleicht habe ich auch einfach zu viel getrunken und tue mir deshalb nun schwer, die richtige Antwort zwischen den tausenden, plausiblen Möglichkeiten aus meinem Kopf zu fischen.

Yoongi hangelt sich mühsam an dem hölzernen Treppengeländer nach oben, wartet einen Moment, bis er sich ausbalanciert hat und rülpst mir dann einfach ins Gesicht. Obwohl er sich null in diesem Haus auskennt, trödelt er einfach weiter die Treppe nach oben und lallt mir im Gehen noch zu: "Chhh komm schnnn allaaine klaa, knnntsch du nua weitaaa mit deinhm Milsschbubigessscht!"

Yoongi

20. September, Dienstag:

Ich bin froh, dass Jungkook und ich die Partygeschehnisse hinter uns lassen können. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich auch gar nicht, was Drunkyoongi erwartet hat. Wollte ich wirklich so unbedingt meinen Zimmernachbarn küssen? Oder habe ich einfach nur Minderwertigkeitskomplexe gegenüber diesem Tattootypen entwickelt? Auf jeden Fall bin ich froh, dass zwischen uns beiden nichts weiter vorgefallen ist. Wie ich mich kenne und Jungkook kennengelernt habe, hätten wir das Thema totgeschwiegen. Das lässt sich ertragen, wenn man sich selten mal begegnet, aber nicht, wenn man sich den ganzen Tag gezwungenermaßen auf die Pelle rückt.

Was ich gerade dennoch zu vermeiden versuche.

Seufzend lasse ich meinen Zimmerschlüssel ins Schloss gleiten und sperre die Türe auf. Als ich sie öffne, kommt mir warmer Dunst und der Geruch von Paprikagewürz entgegen. Verwirrt bleibe ich im Türrahmen stehen und blinzle Jungkook an, der ebenso erstarrt zurückglotzt. Er steht in Jogginghose und Hoddie am Schreibtisch und hantiert mit kleinen Schüsseln und dem Wasserkocher umher.

"Jungkook, was machst du da?" Der Größere richtet sich auf und kratzt sich verlegen am Hinterkopf, bevor sein Wangen rot zu schimmern beginnen und er antwortet: "Außer während der Schulzeiten sehen wir uns gar nicht mehr, du bist immer so beschäftigt. Ich treff' dich nicht mal mehr in der Schulkantine und frage mich, wo du sonst was essen sollst."

"Also hast du für mich..." "...Gekocht, ja", bestätigt der Dunkelhaarige und hält mir eine Packung Instant-Kicherebsenmiso vor die Nase, "den Trick habe ich von meinem Mitbewohner aus dem letzten Schuljahr. Wenn das Essen nicht geschmeckt hat oder wir anderweitig beschäftigt waren, haben wir uns dann im Zimmer eine Packung Ramen oder so aufgegossen."

Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue nach oben, bewege mich keinen Schritt von der Tür weg. Seit wann ist er auch nett zu mir? Normalerweise sollte er mir eine Standpauke halten, von wegen geregelter Tagesablauf und so.

Aber Jungkook hält mir nur eine Schale entgegen und grinst mich gutherzig an: "Hunger?"

Jungkook

21. September, Mittwoch:

Am Mittwoch gammle ich einfach nur auf dem Schreibtischstuhl und zocke ein bisschen am Handy, als das Türschloss klickt und sich Yoongi mal wieder für einen Moment blicken lässt.

So wie es aussieht hat er irgendwas liegen lassen, kann es aber nirgends finden. Aus dem Grund, dass ich für Ordnung gesorgt habe. Nach fast einem Monat Internatszeit war unser Boden schon beinahe mit einer Schicht getragener Wäsche tapeziert, überall lag Unterrichtsmaterial verstreut und wenn man die Oberflächen der Möbel berührt hat, zeugte tagelang ein Staubabdruck davon.

Yoongis Augen weiten sich und er scannt deutlich erkennbar jeden Quadratmeter nach einem Ansatz von "Dieses-Zimmer-ist-bewohnt" ab, findet aber ausschließlich sein gemachtes Bett und einen säuberlich sortierten Papierstapel vor.

"Hast du aufgeräumt?", fragt er ungläubig und ich nicke im Aufstehen. "Du hast den einzigen Schlüssel. Und wenn man die ganze Zeit an sein Zimmer gebunden ist, hat man irgendwann genug Langeweile, um dem Chaos den Kampf anzusagen."

Dann verschwinde ich im Bad und höre gerade noch, wie mir Yoongi ein begeistertes "Danke!" zuwirft, bevor die Tür wieder, untermalt von meinem Seufzen, ins Schloss knallt. Und weg ist er.

poı§on, vənom, toxıc  ~yoonkook ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt