Es ist eine Siedlung von fünf oder sechs kleinen Häusern. Eine Straße. Eine Bushaltestelle. Kinder sehe ich keine, aber in einem Garten steht ein Trampolin und an einem anderen Haus lehnt ein Roller und ein Skateboard. Sonst ist nichts los. Alle Erwachsenen müssten in der Arbeit sein. Mist, daran hatte ich nicht gedacht. Jetzt können wir ja nicht wirklich zu dem alten Haus wo ich früher gewohnt habe, wenn niemand zuhause ist...
„Hier."
Nico bleibt vor dem letzten Haus in der Straße stehen. Mühlstraße 5. Ein kleineres Haus mit Garten. Am Klingelschild steht „Mareike und Peer Kohl". Ich klingele.
Ist das die Frau, die du schonmal getroffen hast?
„Ja, glaub schon. Sie hat euch anscheinend das Haus abgekauft."
Ich denke nicht, dass jemand öffnet.
„Ich auch nicht, wir müssen dann warten bis -"
„Hallo?"
Eine ältere Dame um die siebzig hat die Tür geöffnet. Ich sehe Nico an. Er muss jetzt sprechen.
„Äh, Hallo. Sind sie..."
Er schaut prüfend auf das Schild.
„Mareike Kohl?"
„Ja, das bin ich. Was wollt ihr denn? Müsstet ihr nicht in der Schule sein?"
„Also, ja, eigentlich schon, aber das ist ein... besonders Anliegen. Es geht um sie. Das ist Mia."Ich nippe leicht an dem heißen Tee den Frau Kohl uns gemacht hat. Er schmeckt irgendwie bitter und süß zugleich. Nico erzählt währenddessen all das, was er auch mir heute morgen erzählt hat. Als er geendet hat, schauen wir beide die ältere Frau an. Weiß sie etwas über mich, über meine Familie die früher hier gewohnt hat?
Frau Kohl seufzt und lehnt sich in ihren Sessel zurück.
„Nun... über dich weiß ich eigentlich nichts. Gesehen habe ich dich auch überhaupt nicht. Gar niemanden von den früheren Bewohnern, der Makler hat die Hausführung übernommen. Das Haus stand einige Zeit lang zum Verkauf, Besichtigungen waren aber erst ab den Ferien möglich. Ah, da ist noch etwas: Das Haus wurde möbliert verkauft. Wir haben also fast alles so gelassen wie es ist."
Auch das Zimmer was mal von mir war?
„Ja. Kommt, es ist im ersten Stock. Aber erwarte nicht zu viel, es sind nur noch die Möbel da, also Bett, Schreibtisch und Schrank. Bilder und Klamotten sind natürlich mitgenommen worden."
Wir gehen die Treppe hoch. Vor der hintersten Türe macht die Frau halt.
„Hier."
Das Zimmer ist weiß gestrichen, Bett, Schreibtisch, Stuhl und Schrank sind hellbraun. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass dieses Zimmer einmal einem 13-jährigen Mädchen gehört hat.
„Wir benutzen es als Gästezimmer, fast nie also."Ich hätte natürlich gerne schon früher etwas über mich herausgefunden. Aber es gab keine Anhaltspunkte. Nichts. Und obwohl ich jetzt etwas habe, einen Jungen der früher mein bester Freund war und mein altes Haus... ich weiß nicht. Die drängenste Frage für mich ist, was mit meinen Eltern ist. Wo sind sie?
Unten an der Treppe hängt ein Foto. Darauf ist ein junges Paar, der Kleidung nach zu urteilen bei ihrer Hochzeit.
Wer ist das?
„Mia möchte wissen, wer die Leute auf dem Bild sind."
„Das war meine Tochter und ihr Mann."
Ich merke wie Frau Kohls Stimme gedrückt und traurig wird. Sie seufzt.
„Anne war so ein hübsches Mädchen. Die beiden starben vor ein paar Jahren bei einem Flugzeugabsturz."
Die alte Dame wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann sieht sie mich an.
„Du erinnerst mich ein bisschen an Anne."
Ich kann nur nicken. Wie wäre es für mich, wenn ich eine Tochter hätte und die dann stirbt?„Danke dass sie uns geholfen haben, Frau Kohl."
Nico und ich stehen im Vorgarten um uns zu verabschieden.
„Ach was, das war doch nichts! Nennt mich aber bitte Mareike. Ihr könnt jederzeit wiederkommen, vor allem du, Mia."
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STUMM
Teen FictionReden ist Silber, Schweigen ist Gold? ¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪¸¸.•*¨*•♫♪ Ich bin stumm. Das heißt ich rede nicht. Nie. Vielleicht konnte ich es einmal. Jetzt nicht mehr. Ich habe es versucht, ein paar mal. In mein...