FÜNFZEHN

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Ich sitze zu Hause an meinem Schreibtisch und rolle verträumt mit dem Schreibtischstuhl hin und her. Endlich. Ich bin vom ganzen Fahrradfahren so was von erschöpft... wenigstens haben Maria und ich noch an der Imbissbude beim Weiher eine kleine Pause eingelegt und je eine Bratwurst in der Semmel zum Mittagessen gehabt. Sonst wäre ich nicht nur an Erschöpfung, sondern auch an Hunger fast gestorben. Da wir schlau genug waren zu denken, wir könnten statt mit dem Bus den Weg aus eigener Kraft bewältigen... wenigstens müssen wir jetzt nicht mehr ausprobieren, ob wir auch mal mit dem Fahrrad in die Schule fahren können, das geht nämlich eher nicht. Mein Handy klingelt. Nein, ich bin jetzt nicht erreichbar. Trotzdem schaue ich, wer mich stört. Es ist ein Gruppenanruf von Maria an Kathi, Diana und mich. Na gut, das ist jetzt mal eine Ausnahme. Ich nehme an und mache auch gleich Lautsprecher und Video an.
„Hi!"
Aha, anscheinend hat Kathi gleichzeitig mit mir angenommen.
„Na, was neues herausgefunden?" sie grinst.
„Klar, warum sollten wir sonst anrufen?" scherzt Maria.
„Hallo."
Diana ist jetzt auch dabei, da wir alle unsere Videos angemacht haben, sehe ich, dass sie draußen auf ihrem Balkon sitzt.
„Gut, dass du da bist! Maria und Lucie wollten gerade erzählen, was sie heute so gemacht haben. Oder warte, ihr habt doch zusammen weiter nachgeforscht, oder?"
„Jap. Also, soll ich anfangen? Lucie, teil mir einfach mit, wenn ich was vergesse."
Ich nicke und Maria fängt an.
„Also, wir sind heute noch mal zu dem früheren Haus von Lucie gefahren. Mareike und Peer, also die jetzigen Bewohner haben gesagt, dass..."
Ich döse wieder etwas vor mir hin, immerhin wurde ich heute Morgen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Außerdem war ich ja selbst dabei, da muss ich jetzt wohl nicht wirklich zuhören. Erst wieder aufmerksam werde ich, als die Unterhaltung unterbrochen wird, soweit ich das mitbekommen habe, schon da, als ich den Nachbarsjungen entdecke. Also, unterbrochen wird Maria von Kathi, die anscheinend eine Nachricht von einem Freund bekommen hat, dem sie jetzt dringend antworten muss.
„Sorry! Tut mir echt leid, aber können wir vielleicht kurz Pause machen, ich schreib ihm schnell zurück und dann erzählst du weiter?"
„Ja okay. Dann geh ich schnell auf die Toilette.", meint Maria und ich sehe sie aus ihrem Zimmer gehen.
„Ich hol mir was zu trinken, bin in zwei Minuten wieder da. Wartet aber auf mich!", erklärt Diana und ihr Balkon liegt verlassen da. Ich sehe die Blumenkästen, die mit den unterschiedlichsten Pflanzen bestückt sind. Ein grünes Meer mit bunten Tupfen, wunderschön! Ich habe vor meinem Zimmer zwar keinen Balkon, aber so ein paar Blumen in einem Kasten am Fensterbrett sind schon eine Überlegung wert, oder?
Ich rolle mit meinem Stuhl etwas zur Seite damit man mich in der Kamera nicht mehr sieht, ich aber von der Seite noch draufschauen kann. Jetzt sieht es so aus, als wäre nur noch Kathi da. Diese sieht das vermutlich auch.
„Na dann... diktiere ich den Text einfach, geht sowieso schneller." murmelt sie.
Oh, das sollte ich dann vermutlich eigentlich nicht hören, sie denkt wohl ich bin auch weggegangen. Aber ich mache mich nicht bemerkbar, dann diktiert sie einem ihrer Freunde eben etwas. Wird ja wohl nichts Schlimmes sein.
„Also..."
Kathi hat jetzt das Handy hochgenommen - ich sehe es von meinem Platz aus im Video - und drückt darauf herum. Auf den Diktier-Knopf vermutlich.
„Ich kann jetzt noch nicht so viel sagen, Komma, ich telefonier grad mit ihr, Punkt.
Was? Mit wem schreibt sie da, dass sie sagen kann, mit mir zu telefonieren? Oh, sie kann auch Maria oder Diana meinen. Es macht „Ping!", denn gerade ist die Antwort von dem mysteriösen Freund gekommen. Kathi grinst.
„Nein, Komma, sie hat schon fast fertig erzählt, Punkt."
Das hört sich ja mal witzig an, das diktieren. Und außerdem meint sie Maria, weil die nämlich erzählt. Ping!
„Sie war anscheinend mit Maria in ihrem alten Haus, Punkt. Diese Leute haben ihr erzählt, Komma, dass du damals nicht alleine dort warst, Punkt."
Ich kann nur noch fassungslos von der Seite auf Kathis Gesicht starren. Wem erzählt sie das? Ping!
„Ich weiß, Ausrufezeichen. Wenn sie mehr mit deinem Freund spricht, Komma, findet sie alles heraus, Ausrufezeichen!"
...dass du damals nicht alleine dort warst... Heißt das, sie spricht mit Nico? Ping! Und was soll ich alles nicht herausfinden?
„Ich weiß, Komma, dass er nicht mehr mit dir befreundet ist, Punkt. Aber was willst du unternehmen, Komma, damit sie nicht mit ihm spricht, Fragezeichen."
Ping!
„Keine Ahnung, Punkt. Sorry Nico, Komma, ich schreib dir später noch mal, Punkt."
Was soll das? Warum sagt sie Nico alles was wir bisher herausgefunden haben? Ich hätte es ihm sowieso gesagt! Ping! Kathi grinst jetzt wieder, während sie die neue Nachricht von Nico liest. Dabei murmelt sie leise vor sich hin, vermutlich über das, was er da geschrieben hat. Ich beuge mich vor, um sie besser zu verstehen.
„Er will sich mal mit mir treffen... Eisessen! Oha, wie süß!"
Jetzt tippt sie die Antwort, anstatt zu diktieren. Aber ich habe sowieso genug gehört. Kathi ist in Nico verliebt und der weiß das. Jetzt hilft sie ihm, indem sie die Informationen weitergibt, die ich herausgefunden habe! Das ist echt mies, im Gegenzug lädt Nico sie zum Eisessen ein. Ich stehe leise auf, schleiche - ungesehen im Handydisplay - zur Tür, öffne und schließe diese laut und gehe dann wieder zu meinem Schreibtisch, setze mich auf den Stuhl und rücke ins Sichtfeld von Kathi.
„Hallo! Hab meinem Freund gerade fertig geschrieben."
Ich nicke und grinse gespielt fröhlich. Jetzt kommen auch Diana und Maria wieder.

Tuut, tuut, tuut. Ich muss mit Maria sprechen, ich muss ihr erzählen was Kathi uns verheimlicht.
„Hallo Lucie, was ist denn?" begrüßt mich Maria.
Aber sie ist nicht allein, Diana und sie scheinen gerade zu telefonieren. Mist. Was jetzt? Ich habe Kathi und Diana vertraut, jetzt hat Kathi mich verraten. Was ist dann mit Diana?
Ach nichts, nicht so wichtig...
„Ah okay."
Oh, mir ist grad eingefallen, dass ich noch Hausaufgaben machen muss. Bis Montag!
„Ja, bis Montag. Tschüss!"
Ich lege auf und lehne mich seufzend im Stuhl zurück. Was soll ich jetzt machen?

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