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Malia

Kaum dass die Durchsage erfolgt, dass wir erfolgreich in Dublin gelandet sind greife ich mir meine Tasche und schlängele mich durch den engen Gang Richtung Ausgang. Ich will nur noch raus hier, eingepfercht mit so vielen fremden Menschen auf engstem Raum hat mich in der letzten Stunde wirklich an die Grenze meiner Belastung gebracht, mehrfach musste ich mich dazu zwingen tief und ruhig ein und aus zu atmen. Ich nicke der ewig lächelnden Stewardess zu und mache mich im Laufschritt Richtung Gepäckausgabe. Noch im Laufen stülpe ich mir meine Kopfhörer über und schalte mein Handy ein, um mich mit Musik von der Außenwelt abzuschotten. Als die ersten vertrauten Klänge meiner Playlist erklingen atme ich zum ersten Mal seit Stunden erleichtert auf.

Unruhig gleiten meine Augen über die vielen Schilder um herauszufinden wohin mich mein Weg führt. Zielstrebig nehme ich den augenscheinlich kürzesten Weg zum Gepäckband und muss enttäuscht feststellen, dass es sich noch nicht bewegt, unser Gepäck wurde noch nicht ausgeladen. Seufzend lasse ich mich auf einer der Bänke nieder und schließe die Augen, endlich Ruhe, endlich keine anderen Menschen. Als ich sie das nächste die Augen öffne fahren die ersten Gepäckstücke ihre Runde und ich halte gespannt Ausschau nach meinem pink-mintfarbenem Rucksack. Auf der Suche nach einem geeigneten Gepäckstück war er mir im Keller in die Hände gefallen, ein Relikt der wilden Jahre meiner Mutter. Mit leuchtenden Augen hatte sie mir von ihrem Trip durch Europa erzählt, von fremden Kulturen, die sie kennengelernt hatte, von eindrucksvollen Städten, von Menschen, die sie getroffen hatte und von Durststrecken voller Einsamkeit und Geldsorgen. Noch jetzt bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an ihre Geschichten denke, aber nicht, weil ich sie so beneidenswert und großartig finde, sondern vor lauter Angst. Mir käme so eine Idee allerhöchstens in einem Albtraum, aber im Leben nicht würde ich monatelang ohne Plan durch Europa streifen, noch nicht einmal durch Deutschland. Um ehrlich zu sein ist dies heute mein erster Flug überhaupt gewesen, bislang hat mich noch nichts aus meinem beschaulichen München herausgezogen, es hat mich noch nicht einmal etwas aus meinem Elternhaus herausgezogen. Ich bin Mitte 30 und wohne im ausgebauten Dachgeschoss meines Elternhauses und ich finde es perfekt. Ich hasse Überraschungen, ich mag Planbarkeit und mein überschaubares Leben. Ich liebe es jeden Samstag die ewig gleichen Gänge im Supermarkt entlang zu gehen ohne groß darüber nachzudenken wo sich nun das Brot und die Milch befinden. Da auch mein Einkaufszettel jede Woche fast identisch aussieht hält so ein Einkauf Gott sei Dank so wenig Überraschungen wie möglich bereit. Nur das Wort Systemumstrukturierung bereitet mir immer wieder aufs Neue Bauchschmerzen, wenn das Brot nicht wie bisher neben den Cornflakes steht, sondern urplötzlich neben den Zeitschriften. Ernsthaft? Wer denkt sich sowas aus?

Selbst für mein Studium habe ich München nicht verlassen müssen und da von klein auf klar war, dass ich irgendwann in die Werbeagentur meiner Familie einsteige ist auch dieser Weg vorherbestimmt. Während meine Freunde sich in die ganzen Welt verstreuten, Work and Travel in Neuseeland, ein Jahr Auszeit in Thailand, Praktikum in den USA war ich direkt nach dem Abi zur Uni gegangen, hatte Marketing, Werbepsychologie und ein wenig BWL studiert und schon nebenbei in der Firma gearbeitet, mein nächster Schritt wäre dann in die Chefetage aufzusteigen. Allerdings hatten hier bislang meine Großeltern ihr Veto eingelegt. In ihren Augen habe ich zu wenig von der Welt gesehen, besitze zu wenig Lebenserfahrung, um so einen verantwortungsvollen Posten zu bekleiden. Kurzerhand hatte Sheelagh mir diesen 4 wöchigen Urlaub in Irland geschenkt, um zumindest das Land ihrer Vorfahren kennenzulernen. Und da Sheelagh o'Keefe auch mit über 70 nicht daran dachte das Zepter in der Agentur abzugeben war mir klar gewesen dass es keinen Sinn hatte sich zu wehren. Und ich muss zuegeben, ein klitzekleiner Teil in mir freut sich auf diese Auszeit. Ich würde endlich Zeit haben mich um die Dinge zu kümmern für die sonst keine Zeit blieb. Mein E Book Reader war vollgepackt mit Büchern die schon seit Monaten darauf warteten gelesen zu werden und in meinem kleinen Rucksack steckte das Manuskript für einen Roman für den in acht Wochen Abgabeschluss war.

Temptation IslandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt