10. Nervenzusammenbruch und 144

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p.o.v.: Levi

Ich lies mir meine Haare ins Gesicht fallen. Was hat er sich dabei gedacht. Er wusste, dass ich ein Magier war und ihm so Magie hätte geben können. Aber nein, er musste alleine vorstürmen. Ich hatte zwar versucht ihm heimlich etwas von meiner Magie abzugeben, aber es war nicht viel gewesen. Noch nicht einmal wenig. Selbst für eine Fliege zu wenig. Ich stand auf. Und sah auf die beiden. Diese ganze Situation wirkte irgendwie surreal. Ein Wächter, der neben einem kleinen Jungen kniete. Überall in diesem Raum standen Wächter, doch niemand fragte uns, wie wir hier her gekommen waren. Alle schienen geschockt zu sein, von dem was eben passiert war. Ein paar Wächter lagen verletzt am Boden, aber so weit ich sehen konnte gab es keine Toten.

Langsam wachten die Wächter aus ihrer Trance auf und stürmten auf uns zu. Langsam hob ich meine Hände in die Luft, darauf bedacht mein Gesicht nicht zu zeigen. Auch Blondie stand auf. Rückwärts ging er zu den anderen Wächtern zurück. Er wurde zu den anderen Verletzten gebracht und seine Wunde versorgt. Akira lag immer noch am Boden. Mühsam versuchte er sich auf zu setzten. Er schaute entsetzt auf seine Hände. Wie gerne würde ich jetzt zu ihm rüber gehen und ihn trösten, aber dann würden die Wächter uns teasern. Das konnte ich nicht riskieren. Ich sah wie ein Wächter auf uns zu kam. "Hände hinter den Kopf", blaffte er mich an. Ich tat, wie mir geheißen. Dann packten sie mich und führten mich nach draußen. Bevor wir den Raum verließen, drehte ich mich kurz um und schaute zu Akira, der noch immer auf dem Boden saß. Er schaute zu mir auf und als er meine Augen sah, dachte ich kurz Angst in ihnen Aufflammen zu sehen. Hatte er wirklich Angst, dass ich entdeckt werde? Ich lächelte ihm zu, niemand hat es bemerkt. Dann wurde ich weiter gestoßen.

Sie führten mich nicht sofort in unsere Zelle, sondern stellten mich erstmal in der daneben ab, während sie das Schloss begutachteten. Verwundert stellten sie fest, dass es nicht beschädigt war. "War nicht zugesperrt", sagte ich lächelnd, als ich ihre fragenden Blicke sah. Meine Augen waren mittlerweile wieder normal. Inzwischen hatte ich ein Gefühl dazu, trotzdem hielt ich sie noch ein wenig versteckt, da ich mir nicht sicher sein konnte. Nachdem sie mich in meine Zelle gestoßen hatten und die Tür verschlossen hatten, prüften sie mehrfach, ob sie auch wirklich zu war. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. "Was lachst du so dämlich!", schnauzte einer der Männer mich an. Ich zuckte mit den Schultern und sagte scheinheilig: "Man darf doch wohl noch lachen?!" Der Wachmann grunzte nur irgendetwas unverständliches und zeigte mir einen Vogel. "Spar's dir. Der ist verrückt", meinte ein anderer der Wächter, als wäre damit das Thema geregelt. Ich legte mich auf mein Bett und wartete. Ich weiß nicht worauf ich wartete. Auf die anderen? Auf Akira? Die Wächter waren schon längst verschwunden. Also lief ich zu Spiegel und öffnete meinen Zopf, um ihn neu zu machen. Meine Augen waren tatsächlich wieder dunkelblau. Ich strich meine Haare nach hinten. Am liebsten würde ich sie offen lassen, aber das ging nicht. War irgendeine blöde Regel, die in meinen Augen keinen Sinn ergab. Dann setzte ich mich wieder auf mein Bett und starrte Löcher in die Luft.

Ich hörte Schritte und Stimmen, die in eine angeregte Diskussion vertieft waren. An ihren Stimmen erkannte ich sie. Es waren meine Zellengenossen. Wahrscheinlich wurden sie von drei Wärtern begleitet. Einer von ihnen hatte ein falsches Bein. Ich hörte ein Schlüsselbund klirren, als die Tür aufgeschlossen wurde. Ohne meinen Kopf zu heben, wusste ich in welcher Reihenfolge sie eintraten: zuerst Cooper, der ziemlich stampfte, dann Kristal, ihr Schritt war leicht und federnd, fast als würde sie springen, nach ihr kam Vlad, bei ihm spürte ich nur seine Aura, die sich näherte, als letztes folgte Nero, sein Schritt war unauffällig und leise.

Sie schienen mich kaum zu bemerken, so sehr waren sie in ihr Gespräch vertieft. "Da ist sicher jemand ausgebrochen und musste zurückgehalten werden", meinte Cooper: "Ganz ehrlich, ich würde hier gerne auch endlich raus, aber so wie es scheint, hat dieser jemand verloren. Schwächling." "Ich denke...", begann Nero, wurde aber von Kristal unterbrochen: "Das war ein Kampf, du Idiot. Wir wurden sicher angegriffen! Hast du diese dunkle Aura nicht gespürt?" Cooper rümpfte die Nase: "Ja, sicher. Welcher Idiot würde ein Gefängnis angreifen?! Das ergibt überhaut keinen Sinn!" Vlad hatte sich schon wieder an sein Bett gehängt und die Augen geschlossen. Ihn schien das alles gar nicht zu interessieren. Ich blendete auch die beiden Streithähne aus. Ich hatte keine Lust von Cooper zerfleischt zu werden.

"Der Wolfsjunge fehlt." Schlagartig wurde es still. Hatte Vlad da eben gesprochen? Ich überlegte, hatte ich ihn schon jemals sprechen gehört? "Vlad kann ja sprechen", sprach ich meine Gedanken aus, wofür ich als Reaktion nur seltsame Blicke zugeworfen bekam. "Ehrlich, Akira ist nicht da und dein einziges Problem ist, dass Vlad etwas gesagt hat?", schimpfte Nero: "Du hast ja die Ruhe weg!" "Wahrscheinlich ist er sogar Schuld daran, dass er weg ist!", motzte rothaarige Werwolf. Ich seufzte und richtete mich auf. "Er ist erstmal weg", sagte ich und schaute, wie die anderen reagierten. Cooper schrie mich sofort an: "Wie, weg?! Hast du ihn irgendwie verpfiffen?! Das sähe dir mal ähnlich, du Drecksbulle!" Kristal griff in seine roten Haare und hielt ihn daran fest, um ihn daran zu hindern mich anzugreifen. Vlad wirkte so unbeteiligt, wie immer, im Gegensatz zu Nero, der förmlich an meinen Lippen zu hängen schien, als wüsste er, dass es noch weiter geht. Ich bedankte mich bei Kristal und setzte meine Erklärung fort: "Akira ist wahrscheinlich gerade in einer Einzelzelle unten im Keller eingesperrt worden." Cooper unterbrach mich mit einem Knurren, doch bevor er anfangen konnte zu reden, gab Kristal ihm eine Watsche und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein roter Handabdruck ab. Dankend lächelte ich Kristal zu und fuhr fort: "Der Grund dafür ist, dass er die Kräfte einen Dimensionsspringers besitzt, die zu den verbotenen Kräften zählen. Sie werden ihn da unten lassen, bis sie mehr wissen..." "Und du hast ihn verpetzt...", fing der Wolf wieder an zu zetern, kam aber nicht weit, weil Kristal ihm den Mund zu hielt und fragte: "Habt ihr irgendwas zum Knebeln, diese ganzen Zwischenrufe nerven!" Vlad hielt Akiras Decke hoch und meinte nüchtern: "Die könnten wir verwenden, groß genug wär sie allemal." Kristal nickte und Nero holte die Decke. Nachdem wir Coopers Maul gestopft hatten, erzählte ich weiter: "Ich habe ihn nicht verpetzt. Er hat das freiwillig getan. Auf jeden Fall..." Den Rest der Geschichte konnte ich ohne Unterbrechungen erzählen, wobei ich aber sowohl das Blut als auch meinen kümmerlichen Versuch, schnell und heimlich Magie auf ihn übergeben zu lassen, weg lies.

Als ich geendet hatte, wirkten die anderen geschockter als erwartet. Vor allem Cooper, der irgendetwas in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit in sein Tuch nuschelte. "1..12...24...32...", zählte Kristal laut vor sich hin, wahrscheinlich, um die Fassung zu behalten. Vlad, der sich schon während des Berichts hin gestellt hatte, lief aufgeregt hin und her. Nero hingegen saß einfach nur auf dem Boden und schaute Löcher in die Luft. Nachdenklich schaute ich ihnen zu und hoffte, dass es ihnen bald wieder besser ging. Ich selber wirkte im Gegensatz zu ihnen recht ruhig, doch der Anblick täuschte, ich machte mir nicht nur Sorgen um Akira...

"...88...100...112...124...132...144", beendete Kristal ihre Zahlenfolge. Dann atmete sie einmal tief durch und schaute mich eindringlich an. "Was ist mit dir? Sie werden dich doch sicher nicht einfach so damit durchkommen lassen?", fragte sie. Ich nickte. Genau darüber machte ich mir gerade Gedanken. "Wahrscheinlich nicht", meinte ich: "Aber ich denke, wir haben jetzt andere Probleme" Mit meinem Kinn wies ich auf die anderen. Kristal nickte. Im Gegensatz zu den anderen war sie, genauso wie ich, abgehärtet und konnte sich schnell wieder beruhigen, was wahrscheinlich an ihrem früheren Job lag. Genau wie als Ermittler, musste man auch als berufsmäßiger Verbrecher einen kühlen Kopf behalten, denn ein Fehler bedeutete schon oft Sieg oder Niederlage. Sie nickte mir zu und ging zu Cooper. Ich ging zu Nero, da er nach Cooper am aufgebrachtesten war. Ich kniete mich neben ihn und legte meine Hand auf seine Schulter. Zum Glück hatte ich in meiner Ermittlerausbildung gelernt, was man in einer solchen Situation tun muss, da ich sonst ziemlich aufgeschmissen wäre. Ich konnte die Ängste der Menschen nicht wirklich verstehen. "Hey, alles ist ok", sagte ich in beruhigten Tonfall: "Akira ist stärker, als er aussieht. Er wird es schon schaffen." Ich bezog es auf das, was ich den anderen erzählt hatte, denn da konnte ich sicher sein, dass es stimmte und bei Nero musste ich hinter dieser Aussage stehen, sonst wäre es ihm sicher aufgefallen. Seinem Blick, mit dem mir in die Seele zu schauen schien, entging nicht die kleinste Unstimmigkeit. Ich blieb noch ein wenig bei Nero, bis er sich beruhigt hatte. Dann stand ich auf und lief zu Vlad. Kristal war immer noch mit Cooper beschäftigt. Ich hätte nicht gedacht, dass ihn das ganze so mitnehmen würde. Als Vlad mich sah, blieb er stehen und sah mich an. Ich wich seinem Blick nicht aus, sondern schaute ihm direkt in seine roten Augen, sie hatten einen seltsamen weißlichen Schimmer. Dann hielt ich ihm meine Hand hin, er griff nach meiner Hand und hielt sie fest. Ich merkte, wie seine Hand zitterte. Mit meiner freien Hand schob ich ihm einen Stuhl hin, auf den er sich setzte. "Diese Aura", fing er an, stockte aber bevor er weiter sprach: "Du hast sie auch gespürt, nicht wahr? Sie war so..." wieder machte er eine kurze Pause. "...so... unheilvoll", beendete er den Satz. Ich nickte. "Wie sahen sie aus?", fragte er, nachdem wir eine Weile nur geschwiegen und dem unverständlichen Getuschel von Kristal und Cooper zugehört hatten. "Wie Schatten", sagte ich. Irgendwie schien es ihn zu beruhigen, dass zu wissen. 

Prison of the WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt