22.Die Seite hinter der Mauer

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Müde setzte sich Kakashi auf den Boden. Es war bereits Abend, und gerade hatte er wieder mit Shinkai trainiert. Sie war wirklich gut, besser als ein Genin, mit ihrem Zeichenbuch und ihrer Wolfskraft wäre sie ihm bestimmt ebenbürtig. "Hey Kakashi, stört es dich wenn ich in dem Fluss baden geh?" Hörte er sie fragen und musste schmunzeln. "Wieso frägst du mich das?" Fragte er und schaute zu ihr hoch. "Du trägst die Verantwortung für mich, nicht wahr? Wer weiß, vielleicht denkst du ja, dass ich abhauen will." Antwortete ihm Shinkai. "Und willst du das?" Fragte Kakashi und lehnte sich gegen den Baum hinter sich. "Ob ich was will?" Wiederholte Shinkai sichtlich verwirrt. "Ja abhauen." Sagte der Jonin und runzelte die Stirn. "Nein." Stellte Shinkai kurz fest und setzte sich neben ihn, das schien hier ja noch länger zu dauern. "Wieso nicht?" Erkundigte sich Kakashi. "Ich hab es dir doch versprochen." Seufzte Shinkai, sie hatte Recht gehabt, das würde noch länger dauern. "Du kannst dein Versprechen auch brechen." Stellte Kakashi fest. "Ich will es aber nicht brechen." Unterbrach ihn Shinkai. "Wieso nicht?" Wieso nicht? Langsam regte sie dieser Jonin wirklich auf. "Die Mission ist noch nicht abgeschlossen." Meinte sie schließlich und verdrückte sich ein Grinsen. "Ach und nach der Mission wirst du abhauen?" Kakashi versuchte seine Stimme so ausdruckslos wie möglich klingen zu lassen. Shinkai zuckte mit den Schultern. "Wenn das so ist werde ich dafür sorgen, dass diese Mission nicht abgeschlossen wird." Sagte Kakashi kühl und schlug sein Buch auf. Überrascht schaute das Mädchen ihn an, wollte er sie nicht abhauen lassen weil es seine Aufgabe war, oder konnte es sein dass sie ihm tatsächlich was bedeutete? Vermutlich eher das erste. "Alles klar, kann ich jetzt baden gehen?" Fragte sie schließlich. Kakashi zuckte nur mit den Schultern, "mach doch was du willst." Meinte er und las weiter. Verwirrt schaute Shinkai ihn an, dann stand sie auf und ging. Seufzend schaute Kakashi ihr nach, hoffentlich meinte sie das nicht ernst mit dem Abhauen.

Es war schon spät, doch Shinkai konnte nicht schlafen. Sie war müde, so müde, dass sie nicht mehr klar denken konnte, aber irgendwie schien ihr Körper zu wach zu sein um sie jetzt schlafen zu lassen. Sie drehte sich auf die andere Seite und versuchte es mit ein bisschen Meditation. Sie musste einfach einschlafen, sonst müsste Kakashi sie am nächsten Morgen noch tragen. Die Meditation half etwas und sie spürte wie sie langsam in einen Halbschlaf fiel. Doch plötzlich spürte sie wie Kakashi neben ihr hochfuhr. Verschlafen öffnete sie wieder die Augen. "Was ist denn los, Kakashi?" Fragte sie und setzte sich auf. Doch Kakashi antwortete ihr nicht und aufeinmal merkte Shinkai, dass er am ganzen Körper zitterte. Entsetzt starrte er auf seine rechte Hand, als wäre dort etwas Schreckliches, dass Shinkai nicht sehen konnte. "Kakashi?" Fragte Shinkai besorgt und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich . . . ich hab sie getötet." Murmelte er und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Überrascht schaute Shinkai ihn an, wen hatte er getötet? Doch Kakashi schien nichts um sich rum wahrzunehmen. Shinkai seufzte, eigentlich konnte sie mit solchen Situationen überhaupt nicht gut umgehen, aber sie konnte Kakashi nicht einfach in diesen Zustand lassen, ohne etwas zu tun. Vorsichtig schlang sie ihre Arme um ihn und zog ihn an sich ran, genau das hatte er auch bei ihr gemacht. Sie strich ihm durch die Haare und begann leise zu singen, es war ein Lied das ihre Mutter ihr früher immer vorgesungen hat. Langsam beruhigte sich Kakashi und auf einmal schien ihm bewusst zu werden wo er sich befand. "Du singst." Flüsterte er mit rauer, brüchiger Stimme. Shinkai wurde leicht rot, zum Glück war es dunkel und Kakashi sah es nicht. Als das Lied fertig war, seufzte sie müde, "Geht's wieder?" Fragte sie leise. Der Jonin nickte, "Ähm, Shinkai? Kannst du hier liegen bleiben?" Murmelte er nervös. Shinkai zögerte, "Okay." Sagte sie schließlich und legte sich neben ihn hin. Beruhigt schloss Kakashi die Augen, doch bei den Gedanken, dass er wieder diesen Traum haben könnte zuckte er zusammen. Aufeinmal spürte er wie Shinkai ihre Arme wieder um ihn legte und vorsichtig nahm er ihre Hand in seine. Sicherheit. Ein Gefühl das er lange nicht mehr gespürt hatte und das ihm in diesen Moment fast zu überwältigen schien durchströmte ihn. Er musste an seinen ehemaligen Sensei denken, Sensei Minato, der Hokage der vierten Generation, er ist die letzte Person gewesen bei der er wirklich das Gefühl der Sicherheit genossen hatte. So viel war in seinem Leben passiert, so viel Schmerz, so viel Trauer, Gefühle die er normalerweise hinter einer festen Mauer verbarg, aus Angst sie könnten ihn überwältigen. Doch dieses Mädchen, das ihn in den Armen hielt, schien es nicht zu stören. Bei ihr hatte er das Gefühl dass sein Schmerz weniger wurde. Vielleicht lag das daran, dass ihr selbst so viel Leid wiederfahren ist, vielleicht weil sie auch eine Mauer um sich aufgebaut hatte, was auch immer es war, er wünschte, sie würde ihn nie wieder loslassen. Er lächelte traurig, dann atmete er beruhigt aus, und kurz darauf war er eingeschlafen. Shinkai seufzte, was hatte er bloß geträumt was ihn so außer Fassung bringen konnte? Er war doch sonst eher verschlossen und zeigte keine Regung wenn etwas passierte. Irgendwann brachen die Gefühle wohl aus dem Inneren eines Menschen heraus, dass hatte sie schon am eigenen Leib erfahren. Sie wusste nicht, warum es sie so schmerzte den Jonin mit den grauen Haaren so leiden zu sehen, aber sie hatte eine Vermutung. Sie hasste sich für diese Vermutung. Das war es, deshalb hasste sie ihn, überrascht schaute Shinkai auf, sie hasste nicht direkt den Jonin, sie hasste die Gefühle die sie für ihn empfand. Es war genau so wie sie es Kakashi gesagt hatte, sie hatte Angst, Angst dass diese Gefühle sie verletzen würden, denn das passierte meistens wenn sie Gefühle für jemanden hatte. Lieber Hass als Schmerz. Lieber Hass als diese hohe Wahrscheinlichkeit von Schmerz, und diese sehr geringe Wahrscheinlichkeit auf erwiderte Liebe. Jetzt dachte sie ja schon mathematisch. Verwirrt schloss Shinkai ihre Augen, ihr Kopf tat weh. Ob das nun von der Müdigkeit kam, oder vom vielen Denken, wusste sie nicht, aber sie war auch zu erschöpft um sich darüber Gedanken zu machen. Sie gähnte und kurz darauf war auch sie eingeschlafen.

Der Wolf mit den grünen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt