Kapitel 03: „Es ist vorbei"

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09. März 2020

Christinas Sicht:

Mittlerweile befinden wir uns schon in der dritten Trainingswoche. Dieses Mal steht eine Samba auf dem Programm. Letzten Freitag haben wir für unseren Walzer 22 Punkte bekommen und sind weitergekommen. Auch wenn Luca der Walzer nicht so lag wie beispielsweise die Salsa aus Woche 1, hat es mega Spaß gemacht und wir haben es geschafft, eine intime, sinnliche Atmosphäre auf die Tanzfläche zu bringen. Luca und ich verstehen uns nach wie vor super und ich habe das Gefühl, dass ich ihm schon blind vertrauen kann und er sich mir gegenüber öffnet. Und dass, obwohl wir uns gerade mal zwei Wochen richtig kennen.
Gerade ist unser zweiter Trainingstag für diese Woche angebrochen und es läuft eigentlich ganz gut. Auch wenn wir an Lucas sexy Hüftschwung noch arbeiten müssen, kann er die Choreo bereits weitestgehend fehlerfrei durchtanzen. Luca ist gut drauf und wir lachen viel, ich bemerke aber trotzdem, dass seine Fröhlichkeit von irgendetwas gedämpft zu werden scheint. Ich traue mich jedoch nicht ihn direkt darauf anzusprechen, da ich Angst habe ihm könnte das unangenehm sein. Hat er Stress mit seiner Freundin? Wir trainieren bereits die dritte Woche hier in Bern und sie ist nicht einmal vorbeigekommen, um ihm zuzusehen. Obwohl ich es Luca nicht wünsche, wäre ich tief im inneren froh über die Trennung von seiner Freundin, da dieses Kribbeln, was ich verspüre wenn ich bei ihm bin, sogar noch stärker geworden ist. Ach Christina was redest du da - Luca wird sich eh nicht trennen und du bist nur seine Tanzpartnerin.
Wir trainieren noch bis 6 Uhr und sind dann fertig. Wir packen unseren Sachen zusammen. „Okey dann bis morgen!", lächle ich Luca an und will mich gerade Richtung Ausgang drehen. Doch plötzlich hält er mich am Handgelenk zurück. Ich zucke etwas zusammen und sofort wird mir warm. Was will er von mir? Langsam drehe ich mich um und sehe ihn mit meinen großen, braunen Augen ins Gesicht. Er schaut mir tief in die Augen, was mein Herz einen Sprung machen lässt. „Christina?", sagt er leise mit etwas Unsicherheit in der Stimme. Ich nicke und bin gespannt, was er auf dem Herzen hat. Ich bemerke garnicht, dass er immer noch mein Handgelenk hält. „Was machst du heute Abend?", platzt es aus ihm heraus und ich bin so überrumpelt, dass ich bestimmt komplett rot anlaufe. „Nichts..", bekomme ich gerade so heraus. „Hättest du Lust mit meiner Familie zusammen zu essen? Meine Schwester hat heute Geburtstag und sie würden dich gerne mal kennenlernen." Was?! Seine Familie will mich kennenlernen?! Ich weiß garnicht was ich sagen soll... natürlich würde ich gerne, aber ich habe etwas Angst, seiner Freundin zu begegnen. „Ja, ich hätte schon Lust aber...", entgegne ich Luca und sehe ihn an. Die Anspannung aus seinem Gesicht löst sich und er lächelt breit. „Gut dann hole ich dich in einer Stunde ab.", verabschiedet und verlässt den Raum.
Als ich 10 Minuten später im Hotel ankomme, realisiere ich, was eben passiert war: Ich werde Lucas Familie kennenlernen! Ich beschließe schnell zu duschen und anschließend etwas Make- up aufzutragen. Dann ist es auch schon fast 19 Uhr und ich ziehe mir eine schwarze Jeans und eine Bluse an. Ehe ich mein Zimmer verlasse, trage ich noch ein leises Parfüm auf. Nun stehe ich unten vor dem Hotel und warte auf Luca. Keine zwei Minuten später fährt eine schneeweiße A- Klasse von Mercedes vor und hält vor mir an. Ich schaue in das Auto und Luca sitzt drin, frisch geduscht, im Hemd und mit seiner süßen Lockenmähne. Ich gehe auf das Auto zu und ziehe die Beifahrertür auf. „Hey", sage ich verlegen und lasse mich auf den Sitz neben Luca fallen. Ich staune nicht schlecht: Das Auto ist groß und zusätzlich noch ziemlich luxuriös. „Hey, ich freue mich das du mitkommst!", lächelt er mich von der Seite an. Sofort fühle ich mich wohl. Während der Autofahrt erwische ich mich einige Male, wie ich ihn von der Seite ansehe. Nach 15 Minuten Fahrt kommen wir an einem großen, neuen Haus etwas außerhalb von Bern an. „Wow das Haus gefällt mir", sage ich zu Luca als wir aussteigen. „Komm ich zeige es dir von innen." Ich harke mich bei ihm ein, ehe wir an der Tür klingeln. Wenig später macht uns eine junge, zierliche Frau mit dunklen, langen Haaren die Tür auf. Das muss Lucas Schwester Annina sein. „Hey schön das ihr da seid!", begrüßt sie uns. Ich umarme sie und wünsche ihr alles Gute zum Geburtstag. Anschließend gehen wir durch ins Haus und dann sehe ich sie: Hinten im Raum steht eine Frau mit schulterlangem, blondem Haar und strahlen blauen Augen. Michelle, Lucas Freundin. Die ganze Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie sie auf mich reagieren wird. Wird sie mich willkommen heißen? Oder ist sie eifersüchtig, dass ich in den letzen Wochen mehr Zeit mit Luca verbracht habe als sie?
Nachdem wir alle begrüßt haben, setzen wir uns an den Tisch und essen. Irgendwie ist die ganze Situation zwischen Luca, Michelle und mir total angespannt. Lucas Freundin sitzt am anderen Ende des Tisches, unterhält sich mit Lucas Mutter und würdigt ihn keines Blickes. Ich sitze neben Luca und spüre seine Anspannung. Um ihm etwas aufzumuntern und ihm zu signalisieren, dass ich für ihn da bin, lege ich kurz meine Hand auf sein Bein und fahre mit meinem Finger auf diesem entlang. Zu meiner Überraschung legt er kurz seine Hand auf meine. Mein Atem stockt und ich sehe ihn an. Er guckt auch zu mir rüber, doch er lächelt nicht. In seinem Blick erkennt ich Trauer, Wut und Unentschlossenheit. Ich habe ja in letzter Zeit schon geahnt, dass bei den beiden nicht mehr alles rund läuft, aber das es so extrem ist hätte ich nicht erwartet.
Als wir dann mit essen fertig sind, trinken wir noch einen Wein zusammen. Lucas Familie ist echt total herzlich und ich fühle mich direkt wohl bei ihnen.
Später bringt Luca mich noch zurück zu meinem Hotel. Die ganze Fahrt über sagt er kein Wort. Er wirkt echt niedergeschlagen. Als wir vor meinem Hotel anhalten überlege ich kurz, ihn zu fragen was los ist. Ich entscheide mich jedoch dagegen, da ich ihn erstmal selber darüber nachdenken lassen will. Vielleicht spreche ich ihn morgen beim Training an. Luca steigt noch mit aus, um sich von mir zu verabschieden. „Schön, dass du mit warst!", sagt er und nimmt mich in den Arm. In seinen Armen fühle ich mich automatisch wohl und geborgen. „Danke für den tollen Abend.", flüstere ich in sein Ohr. Ich drehe mich um und gehe ins Hotel. Kurz vor dem Fahrstuhl drehe ich mich nochmal zu Luca um und lächle ihn an. Er lächelt zurück.

Lucas Sicht:

Warum kann ich denn schon wieder nicht schlafen? Seit bestimmt zwei Stunden versuche ich einzuschlafen, aber es will einfach nicht gelingen. Michelle schläft schon wieder bei einer Freundin- wie so oft in letzter Zeit. Die Zweifel, die ich schon länger an unserer Beziehung habe, werden immer stärker. Tut Michelle mir noch gut? Tue ich ihr noch gut? Wo sind die ganzen Gefühle vom Anfang unserer Beziehung hin? Muss ich endgültig eine Entscheidung treffen?
Dann denke ich auch an Christina. Sie scheint bemerkt zu haben, dass es mir nicht gut geht. Allein durch ihre Anwesenheit und ihre Nähe heute bei dem Essen hat sie meine Laune gehoben und mich getröstet. Wie macht sie das nur? Sie gibt mir im Moment das Gefühl, was ich bei Michelle schon seit längerem vermisse. Doch suche ich nur unterbewusst nach Ablenkung und Sicherheit, oder hatte ich tatsächlich echte Gefühle für sie entwickelt? Eins wird mir klar: so kann das nicht weitergehen.
Am nächsten Morgen geht es mir immer noch nicht wirklich besser. Ich komme in die Tanzschule und setzt mich auf eine Bank. Als ob Christina meine Gedanken lesen kann, kommt sie direkt zu mir. Ohne ein Wort zu sagen setzt sie sich neben mich und nimmt mich in den Arm. In ihrer Nähe kann ich mich fallenlassen und ich merke, wie mir ein paar leise Tränen über die Wange laufen. Christina sieht mir mit einem mitfühlenden Blick in die Augen. „Willst du mir erzählen, was los ist?", fragt sie besorgt. Und so beginne ich, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Von meiner Beziehung, die auch vor Let's Dance nicht mehr so gut lief, und von meinen Gedanken gestern Nacht. Das ich auch über sie nachgedacht habe und sie eventuell auch ein Grund für mein Gefühlschaos ist, erzähle ich ihr nicht.
Als ich fertig bin und sie über alles Bescheid weiß, geht es mir schon deutlich besser. Nach ein paar Sekunden Stille setzt Christina schließlich an: „Das ist echt eine blöde Situation. Ich finde, du solltest das tun, was dein Herz dir sagt. Rede mit ihr und erzähle ihr die ganze Wahrheit. Wie du mir das gerade erzählt hast, scheint sie ja auch nicht mehr sonderlich glücklich mit eurer Beziehung zu sein. Aber triff bald eine Entscheidung, sonst wird es dir weiterhin so schlecht gehen." Sie hat recht. Ich muss eine Entscheidung treffen. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich das auch schon. Ich liebe sie einfach nicht mehr.

Christinas Sicht:
Wow was war das denn bitte gerade? Ich kenne Luca seit 3 Wochen, und er erzählt mir direkt so offen und ehrlich von deinen Problemen. So schnell hat sich mir vorher noch niemand geöffnet. Er hat mich echt beeindruckt und ich habe das Gefühl, dass durch dieses Gespräch gerade unsere verbinden noch stärker geworden ist. Auch wenn Luca mir wahnsinnig leid tut, hoffe ich insgeheim, dass er sich von ihr trennt. Ich kann nicht sagen was ich für ihn fühle, aber es fühlt sich gut an.
Am nächsten Morgen kommt Luca zum Training und als ich ihm in die Augen sehe, weiß ich direkt, dass etwas nicht stimmt. „Ich habe mich von ihr getrennt.", sagt er leise. Ich gehe auf in zu und nehme in in den Arm. „Wie gehts dir?", frage ich vorsichtig. Immer noch in meinen Armen entgegnet er: „Es war hart und irgendwie vermisse ich sie, aber ich bin auch erleichtert. Es war die richtige Entscheidung." Daraufhin sage ich nichts mehr und drücke ihn nur noch etwas fester. Natürlich fühle ich mit ihm mit, aber innerlich macht mein Herz einen Sprung, da mir irgendwas das Gefühl gibt, ich könnte etwas mit der Entscheidung zu tun haben.

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