Liebe auf den ersten Blick

Kapitel 11: „Du bist nicht allein"

28. April 2020

Lucas Sicht:
Diese Woche steht der Magic Moment auf dem Programm. Wir haben uns dazu entschlossen, nochmals einen Contemporary zu tanzen. Wir sind uns des Risikos bewusst, da wir ja bereits einen 30- Punkte Contemporary getanzt haben, aber uns ist die Auswahl trotzdem nicht schwer gefallen. Der Contemporary gehört einfach zu meinen absoluten Lieblingstänzen und wir lieben es, durch das Tanzen Geschichten zu erzählen.
Wie bereits in Woche 4 trainieren wir diese Woche mit meiner Choreografin India zusammen. Es hilft uns sehr, noch eine weitere Person vom Fach dabeizuhaben. Beim letzten Mal hat das ja auch schon super funktioniert. Das Üben mit ihr macht viel Spaß und ich bin froh, dass sie sich auch so gut mit Christina versteht.
Apropos Christina. Wir haben gestern Abend lange über uns geredet. Im Endeffekt haben wir uns dazu entschlossen, nur ganz wenigen Leuten von uns zu erzählen. Wir wollen einfach noch nicht damit an die Öffentlichkeit, weil das sehr von unserer eigentlichen Aufgabe, dem Tanzen, ablenken würde. Und außerdem sind wir ja auch erst seit kurzem zusammen und müssen uns erst noch daran gewöhnen. Christina hat Andrzej und Vica von unserer Beziehung erzählt und ich habe es meinen Geschwistern gesagt. Unseren Familien haben wir es noch nicht erzählt, wollen es aber auch bald tun.
India weiß auch noch nicht von uns, scheint aber etwas zu ahnen. Schon beim letzten Mal hat sie uns immer so komisch angeguckt und Andeutungen gemacht. Es ist auch echt schwer, sich so zu verstecken. Ich muss mich echt zusammenreißen, Christina nicht beim Training näher zu kommen.
Heute ist Dienstag und wir sind mit der Choreografie schon fertig. Einige Stellen und Figuren müssen noch verbessert werden, aber im Großen und Ganzen läuft das Training gut. Diese Woche ist es mir besonders wichtig, alles zu geben. Wir vertanzen nämlich meine Lebensgeschichte und dementsprechend emotional ist die Sache für mich.
*rrriinngg*, Indias Handy meldet sich. „Das ist mein Freund, ich gehe mal kurz raus.", sagt sie darauf. Nachdem sie aus der Tür gegangen ist, gehe ich von hinten auf Christina zu. Sie steht vor einer Spiegelwand und dehnt ihre Schultern. Ich lege von hinten meine Arme um sie und gebe ihr einen Kuss auf den Hals. Im Spiegel sehe ich, wie sie lächelt und sich ihre Wangen leicht rot färben. Sie legt ihre Hand um meinen Arm. „Ich finde es nervig, dass wir uns so vor India verstecken müssen", flüstere ich Christina ins Ohr. „Mir würde das anders auch besser gefallen.", erwidert sie meinen Gedanken mit einen frechen Grinsen. „Von mir aus können wir es ihr auch sagen. Ich denke wir können ihr vertrauen.", fährt sie fort. „Wenn das für dich okay ist, dann wäre das doch was. Wir können ihr definitiv vertrauen.", bestätige ich und gebe ihr einen Kuss in die Haare. Dann löse ich mich von ihr und gehe zurück in Richtung der Sitzbänke.
Nach ein paar Minuten kommt India wieder in den Saal. Christina, die mittlerweile neben mir auf der Bank sitzt, ergreift das Wort: „Du India, wir wollen dir was sagen". Gespannt sieht sie uns an und setzt sich auf die Bank gegenüber von uns. „Christina und ich ... sind zusammen", bringe ich hervor und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. India guckt uns an. Sie sieht, wie eigentlich zu erwarten war, wenig überrascht aus. „Haha ich wusste es doch! Ihr seid echt keine guten Schauspieler". Ich werfe Christina einen unsicheren Blick zu und wir müssen anfangen zu lachen. „Aber ihr passt echt super zusammen und ich wünsche euch viel Glück!", fährt India fort. „Danke!", antworte ich und ziehe Christina von der Seite in eine Umarmung.
Wie sich am Nachmittag herausstellt, war das echt eine gute Idee, India von uns zu erzählen. Ich kann mich noch besser auf den Tanz konzentrieren, weil ich nicht ständig aufpassen muss, Christina nicht zu nahe zu kommen. Und natürlich bin ich auch froh, sie jetzt ohne bedenken während des Trainings küssen zu können. Ich bin echt froh, dass India uns unterstützt.

Christinas Sicht:
Gerade läuft die Generalprobe und Luca und ich sitzen auf unserem Sofa im Bühnenraum. Wir sind gleich an der Reihe und ich hoffe, dass alles gut geht. Wir haben diese Woche echt extrem hart gearbeitet und ich habe gemerkt, wie wichtig Luca dieser Tanz ist. Er ist irgendwie nervöser und emotionaler als sonst. Es geht ja auch immerhin um seine Lebensgeschichte. Dann haben wir ja später auch noch das Tanzduell gegen Moritz und Renata. Wir tanzen einen Flamenco und obwohl die Charakteristik des Tanzes eher weniger Lucas Natur entspricht, liefen die Proben super. Mit Moritz und Renata verstehen wir uns ja auch super. Es sind nur noch sechs Paare im Rennen und langsam wird es echt eng. Mittlerweile könnte es echt jeden treffen.

Die Generalprobe lief super und gleich geht die Show auch schon los. Wir hatten uns für den Tanz überlegt, Wörter, mit denen Luca in der Vergangenheit konfrontiert wurde, auf seinen nackten Oberkörper zu schreiben. Glücklicherweise darf ich das machen. Also gehe ich, nachdem ich nochmal in der Maske war, in Lucas Garderobe. Er sitzt auf seinem Sofa und wirkt nachdenklich. „Hey, du schaffst da schon!", begrüße ich ihn. Er sieht mich unsicher an. „Aber langsam wird's echt eng.", gibt er mir zu bedenken. „Ich weiß, aber ich weiß auch, dass wir mega hart gearbeitet haben. Und jetzt komm, ich muss dich noch vollschreiben!", lache ich ihn an und deute ihm, zu mir zu kommen. Er stellt sich vor mich und zieht sein leichtes, mintfarbenes Hemd aus. Bei dem Anblick seines durchtrainierten Oberkörpers wird mir sofort innerlich heiß. Ich beginne, die Wörter mit meinem Eyeliner auf seine Brust zu schreiben. Als ich einen Buchstaben etwas schief schreibe, wische ich diesen sanft mit der Hand von Lucas Brust. Ich kann spüren, wie schnell sein Herz schlägt. Dann gucke ich ihm in die Augen und er lächelt mich an. Kurz stehen wir so da, bis er mir einen Kuss gibt.
„Wir gehen in fünf Minuten live, alle auf Position!", werden wir von dem Lautsprecher unterbrochen. Wir machen uns auf dem Weg in den Bühnenraum. Zu gerne würde ich Lucas Hand nehmen und ihm Mut zusprechen, aber hier sind wir leider nicht mehr alleine.
In ein paar Minuten ist unser großer Auftritt. Gerade stehen wir noch hinter der Bühne und fiebern diesem entgegen. Da es dunkel ist und hier keine Kameras sind, wage ich es, Lucas Hand zu nehmen. Ich spüre wie er zittert. „Ich glaube an dich". Mehr sage ich nicht. Dann nehme ich mit meiner anderen Hand seine, beuge mich vor und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. Dann gehen wir raus auf die Bühne.

Irgendwie halte ich es noch aus, mich oben bei Viki zusammenzureißen. Doch als wir aus dem Bild sind, spüre ich, wie mir heiße Tränen über die Wange laufen. Luca will mich in den Arm nehmen, doch ich renne weg. Ich will gerade einfach nur weg hier.
Ich renne in meine Garderobe, schmeiße die Tür hinter mir zu und sinke auf den Stuhl vor dem Schminktisch. Im Spiegel kann ich meine roten, verheulten Augen sehen. Ich realisiere gerade garnicht, was eben passiert ist. Die 25 Punkte sind mir egal. Mir geht es um Luca. Ich habe das Gefühl, ihn enttäuscht zu haben. Die Choreografie wurde ziemlich kritisiert und die kommt ja größtenteils von mir. Luca hat so hart gearbeitet diese Woche -und jetzt das.
So sitze ich da bestimmt ein paar Minuten und kann nicht aufhören zu weinen. Auf einmal höre ich, wie es an der Tür klopft. „Christina? Wir brauchen dich in der Maske!", höre ich die Stimme meiner Stylistin. Ich kann jetzt aber nicht. Ich will nicht, dass mich jemand so sieht. Ich bin auch gerade garnicht in der Lage zu irgendetwas. Ich habe Lucas Magic Moment ruiniert. Kurz darauf klopft es wieder. „Nein ich kann jetzt nicht!", rufe ich laut und bestimmt. Doch im Augenwinkel sehe ich, wie die sich öffnende Tür etwas Licht in den fast dunklen Raum wirft. Ich blicke auf und sehe Luca, wie er mich mit einem besorgten Blick ansieht. „Lotti was ist denn los?", fragt er mitfühlend. Doch ich bekomme gerade keinen Ton heraus. Stattdessen springe ich auf und renne in Lucas Arme. Bestimmt fünf Minuten stehen wir so da, halten uns in den Armen und sagen kein Wort. Dann löst Luca sich, nimmt meine Hand und setzt sich auf das Sofa. Ich lasse mich neben ihn fallen. Allein durch Lucas Anwesenheit habe ich aufgehört zu weinen und mich etwas beruhigt. „Es tut mir leid.", flüstere ich in den düsteren Raum. „Was tut dir leid?", fragt Luca etwas verwirrt. „Ich bin schuld", entgegne ich ehe mir noch eine Träne über die Wange kullert. „Nein bist du nicht. Wir standen beide hundertprozentig hinter der Choreo. Für mich war das eben ein magischer Moment.", spricht Luca mir zu. Seine Worte beruhigen mich und lassen mich wieder etwas runterkommen. „Das ist schön.", füge ich immer noch etwas bedrückt hinzu. Doch ich mache mir trotzdem Sorgen, dass die Reise bei Let's Dance heute vorbei sein könnte. Doch das Wichtigste für mich ist, Luca nicht enttäuscht zu haben.
Irgendwie schaffe ich es dann, mich zusammenzureißen und mich fertig für unser Tanzduell zu machen. Jetzt stehe ich alleine im Flur vor der Bühne und warte auf Luca. Moritz und Renata sind noch in der Maske. Ich bin extrem nervös, da wir jetzt echt liefern müssen. Plötzlich spüre ich, wie von der Seite jemand nach meiner Hand greift. Ich drehe mich zur Seite und sehe Luca, der mir ein wunderschönes Lächeln schenkt. Sofort vergesse ich meine ganze Anspannung und muss auch lächeln. Luca nimmt auch meine andere Hand und verschränkt seine Finger liebevoll mit meinen. „Auch wenn unser Tanz eben ganz schön von der Jury kritisiert wurde, bleibt es für mich ein unvergesslicher Moment. Jeder Moment den ich mit dir teilen darf, ist unvergesslich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich einen Menschen so schnell hingeben kann. Christina Charlotte Luft, ich liebe dich".
Womit habe ich nur diesen Mann verdient? Bei seinen Worten fährt mir ein Kribbeln durch den Bauch. „Das hast du zuvor noch nie zu mir gesagt.", kommt es aus mir raus. „Ich wollte das für einen besonderen Moment aufheben", fügt Luca hinzu. „Und der ist jetzt". Ehe Luca weiterreden kann, drücke ich sanft meine Lippen auf seine. „Ich liebe dich auch.", flüstere ich in unseren Kuss. Luca macht mich gerade echt zur glücklichsten Frau der Welt.