KAPITEL 16 | AUDEN

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Maya und Porter ziehen genau dieselben schuldbewussten Gesichter wie meine kleinen Geschwister, wenn Lyn oder Auri heimlich das letzte Stück Schokolade aufgegessen haben.

Kyler dagegen, der mit Maya und Porter ins Wohnzimmer kommt, grinst bis über beide Ohren. »Du hast echt etwas verpasst, Villeneuve.«

Das sehe ich. Maya kann mir nicht einmal in die Augen sehen und macht stattdessen den Eindruck, als würde sie mit der teuren Vase der Sinclairs neben ihr flirten. Porter dagegen blickt mir zwar ins Gesicht, aber sein Grinsen ist nicht so locker wie sonst. Die beiden wollen irgendetwas überspielen, das sieht jeder auf den ersten Blick.

»Porter wurde ans Bett gefesselt«, fügt Kyler hinzu und ich könnte schwören, dass Maya und Porter darauf erleichtert aufatmen.

Daniel, der mit Abraham irgendein Kartenspiel auf dem Tisch spielt, lacht. »Du meinst, er wurde von Brittany ans Bett gefesselt.«

»Warte, was?« Irritiert setze ich mich auf dem Sofa auf, aber die Wunde tut noch zu sehr weh, als dass ich aufstehen könnte. Dabei hätte ich Porter so gerne den Hals dafür umgedreht, dass er mir gegenüber bisher kein Wort davon erwähnt hat. Er und Brittany hassen sich und das Bild von den beiden in einem Bett ― plus Handschellen ― ruft ziemlich schräge Gedanken in meinem Kopf hervor.

Ich blicke verwirrt zu Daniel, Abraham und Kyler und traue mich erst dann Porter mit hochgezogenen Augenbrauen anzusehen. Doch der flirtet plötzlich auch mit der Vase, genau wie Maya.

»Okay, was ist hier los?«, will ich wissen.

»Geht's dir schon besser?«, fragt Maya betont beiläufig und streicht sich unbeholfen das lange T-Shirt glatt. »Lawrence meinte eigentlich, er hätte dich nach Hause gefahren.«

Versucht sie gerade wirklich, vom Thema abzulenken?

Porter räuspert sich hörbar. »Hat jemand Hunger?«

»Seit wann kannst du kochen?«, kommt es prompt von Daniel und Kyler gleichzeitig.

Ich verstehe überhaupt nicht mehr, was vor sich geht. Maya und Porter verschweigen etwas von mir, Kyler weiß ganz eindeutig auch davon ― das breite Grinsen wird ihm heute niemand aus dem Gesicht wischen können ― und sogar Abraham beäugt Maya ein wenig schief. Ich bin also nicht der Einzige, der denkt, dass außer der Sache mit Brittany hier etwas im Busch ist.

Sofort fällt mir wieder ein, worüber wir gerade geredet haben. »Du hast also mit ihr geschlafen?«, frage ich Porter, der bis gerade eben in Gedanken ganz beim Frühstück war.

»Nicht ganz«, gibt er zähneknirschend zu. »Ich erzähle es dir später. Immerhin erwarten dich meine Eltern beim Abendessen am Tisch, an dem auch Brittany und ihre reizende Familie sitzen wird.« Als ich nichts erwidere, legt er stöhnend den Kopf in den Nacken. »Jetzt sag nicht, dass du es vergessen hast, Auden.«

»Ich habe heute Basketballtraining«, entgegne ich, obwohl jeder im Wohnzimmer weiß, dass sonntags kein Training ist und ich mit dieser Wunde wohl fürs Erste überhaupt kein Sport machen sollte. Und das wiederum bedeutet, dass ich eine Menge Zeit zum Nachdenken habe. Ich weiß auch schon genau, worüber.

Roamer wird sein blaues Wunder erleben, sobald ich wieder gesund bin. In die Kampfhalle würde ich keinen Fuß mehr setzen, auch wenn das bedeutet, dass ich mehr Hilfe von Porter in Anspruch nehmen muss. Ich wäre aber auch ein Idiot, wenn ich erneut freiwillig für Porters Bruder arbeiten würde, der mich beinahe erstochen hätte.

Mein Blick fällt auf Maya, die im selben Moment zu mir sieht. Ihre blauen Augen sind jedoch nicht mehr von Sorge getränkt.

Sondern von Schuld.

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