KAPITEL 24 | AUDEN

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Es ist seltsam, wie verliebt und wütend zugleich man sein kann, wenn es um dasselbe Mädchen geht. Maya macht mich manchmal rasend, wenn es so eindeutig ist, dass sie keine Ahnung hat, was sie möchte. Gleichzeitig weiß ich, dass sie keine bösen Absichten hegt und ihr diese ganze Situation selbst nicht gefällt.

Hätte ich gewusst, dass das alles so ausarten würde, dann hätte ich auf Porters Willkommensparty schnell wieder den Blick von ihr abgewendet. Ich frage mich sowieso, wie es sein kann, dass sie mir in der Millbrook nie sonderlich ins Auge gefallen ist. Weder Porter noch mir.

Nachdenklich tippe ich mir mit dem Bleistift gegen die Unterlippe, während sich der Schreibkurs immer mehr mit Schülern füllt. Maya ist nicht dabei. Ich kann kaum glauben, dass sie zu spät kommt, wobei es auch sein könnte, dass sie überhaupt nicht mehr kommen möchte. Ich würde nicht sagen, dass wir vorgestern nach dem Abendessen mit ihrer Mom im Schlechten auseinandergegangen sind. Eher glaube ich, Maya hat sich eingestehen müssen, dass sie eine Entscheidung treffen muss.

Ich bin ehrlich überrascht, als sie viel zu spät in den Klassenraum hereinplatzt und sich höflich entschuldigt. Vielleicht starre ich sie ein bisschen zu sehr an, während sie sich hinsetzt, ihre Jacke auszieht und sich Stift und Zettel schnappt.

Die Aufgabe lautet etwas zu schreiben, was uns in diesem Schuljahr geprägt hat.

Meine Aufmerksamkeit gilt jedoch nur Maya, die heute irgendwie anders wirkt. Sind es vielleicht ihre Haare? War sie beim Friseur? Die roten Wellen sehen kürzer aus, aber es steht ihr definitiv.

Langsam dreht sie den Kopf zu mir und hebt fragend die Augenbrauen. »Ist irgendetwas?«

»Nein, du siehst heute nur besonders hübsch aus«, antworte ich, was eine ziemlich Porter-mäßige Antwort ist, die ich sofort zurücknehmen will. Räuspernd merke ich, wie meine Wangen ein wenig heiß werden. »Ich meine, ich mag deine Haare.«

Dieses Kompliment ist tatsächlich noch schlimmer als das erste.

Wieso fällt es mir manchmal so schwer, mich in ihrer Nähe normal zu benehmen? Porter verzichtet generell auf das Wort ›normal‹, aber wenigstens steht er dazu.

Maya scheint es trotzdem zu gefallen, denn sie lacht leise und sieht mich aus ihren strahlend blauen Augen glücklich an. »Danke, Auden.«

Ich nicke nur und hoffe, die Situation war nicht ganz so unangenehm, wie es mir vorkam. Porter wäre es jedenfalls nicht unangenehm. Er sagt und tut Dinge, die oft ein wenig unangebracht sind, bereut es aber nie. Was aber tatsächlich unangenehm ist, ist die Tatsache, dass ich gerade alles mit meinem besten Freund verbinde, während das Mädchen, in das wir ausnahmslos beide verliebt sind, neben mir sitzt.

Leise seufzend widme ich mich wieder meinem leeren Blatt Papier. Ganz leer ist es eigentlich nicht, weil mein Name und das Datum bereits Platz darauf gefunden haben. Es ist schwer sich zu entscheiden, was einen in diesem Schuljahr geprägt hat, wenn so viele Sachen passiert sind. Von Porters Kuss-Hotline würde ich sicherlich nicht schreiben, aber zum Beispiel habe ich das Gefühl, dass uns Roamers Drohungen und unsere Gefühle für Maya auf eine skurrile Weise noch enger zusammengeschweißt haben.

Was mich aber am meisten geprägt hat, ist Dads Tod und mein Umzug zu den Sinclairs.

Seltsamerweise spüre ich bei den Gedanken an Dad tatsächlich eine tief sitzende Trauer, obwohl ich ihn davor kaum gesehen habe. Auch dass ich Mom allein gelassen habe, setzt mir zu, aber ich hatte keine andere Wahl. Würde es Lyn und Auri nicht geben, wäre ich bei ihr geblieben, aber meine Geschwister verdienen Menschen wie Mr und Mrs Sinclair oder Porters Grandma oder Porter selbst. Ich habe meine Geschwister noch nie so glücklich gesehen wie in den letzten Wochen.

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