KAPITEL 06 | MAYA

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Ein Grund, warum ich mir in den Sommerferien unbedingt einen Job holen wollte, war, um meine Schüchternheit loszuwerden. Ich bin gezwungen, hier jedes Wochenende mit fremden Menschen zu reden und übe dabei, ganze Sätze herauszubekommen und die Tomatenwangen loszuwerden.

Es klappt nicht immer.

Vor Brittany Grammer und ihrer Freundin zu stehen und die Bestellung aufzunehmen, fällt mir schwer. Sie besitzt diese einschüchternde Kraft, die durch ihre rot gefärbten Haare noch unterstrichen werden und mich stark an meine eigenen erinnern. Ihre Freundin kenne ich nicht, aber ich beschließe sie gedanklich als seltsam abzustempeln, weil sie mich schon dreimal gefragt hat, ob wir hier auch Käsebällchen verkaufen. Was hat sie bloß mit ihren Käsebällchen?

»Leider verkaufen wir die immer noch nicht«, entgegne ich sichtlich bemüht, nicht die Augen zu verdrehen. »Wollt ihr sonst noch irgendetwas?«

»Eine kompetentere Kellnerin wäre nächstes Mal nett.« Brittany betont das Wort ›Kellnerin‹, als wäre es ein Schimpfwort. Reiche Kinder wie sie müssen sich natürlich keine Sorgen deswegen machen, ob ihre Eltern die Miete zahlen können oder nicht, aber ich würde sie nicht zurechtweisen. Erstens will ich diesen Job behalten, um meiner Mom unter die Arme greifen zu können und zweitens will ich mich mit Brittany noch nicht in die Haare kriegen, bevor der erste Schultag überhaupt angefangen hat.

Also lächle ich die beiden an, drehe mich um und höre sofort auf zu lächeln. Ich weiß nicht, warum, aber meine erste Reaktion ist, wegzurennen. Solange ich eben noch kann.

Porter und Auden betreten nämlich das Café und sehen sich neugierig um. Ich stehe nach wie vor völlig perplex mit dem Stift und dem Bestellungszettel in meiner Hand da und komme erst jetzt in die Gänge. Schnellen Schrittes gehe ich auf die Theke zu, aber zwei große Hände fangen mich ab, legen sich auf meine Taille und drehen mich sanft zu der Person um.

Porter ist natürlich derjenige, der mich jetzt von oben bis unten mustert und dabei langsam seine Hände von mir nimmt. »Hübsche Uniform, Cherry.«

Weil ich so nahe vor ihm stehe, kann ich nicht anders, als seinen intensiven und frischen Geruch einzuatmen. Kurz bin ich versucht, meine Nase in seiner Brust zu vergraben, aber glücklicherweise halte ich mich selbst noch davon ab. Denn Porter und Auden tragen Basketballklamotten und sehen noch ein wenig verschwitzt vom Training aus. Wie schaffen sie es trotzdem nicht streng zu riechen?

Irgendwie kriege ich es in diesem Moment nicht hin, eins und eins zusammenzuzählen. Warum genau sind sie nach dem Training hierhergekommen? Um Kaffee zu trinken?

Wohl kaum.

Porters dunkelbraune Augen blicken beinahe vorfreudig in meine. Es irritiert mich ein wenig, wie gut er sogar verschwitzt und mit geröteten Wangen aussieht, aber ich schiebe den Gedanken beiseite, weil für Anziehung zwischen uns keinen Platz ist. Feindseligkeit dagegen klingt für mich schon besser.

Audens dunkelbraunes, kurzes Haar ist ein wenig feucht und seine grünen Augen sehen überall hin, nur nicht zu mir. Vielleicht kränkt es mich ein wenig, dass er mich gestern bei der Willkommensparty noch so angeblickt hat, als wäre ich das einzige Mädchen in Porters Haus gewesen, wohingegen er nun jeden sieht, nur mich nicht. Ich bin wieder unsichtbar für ihn geworden, aber das ist okay für mich. Schätze ich.

»AUDEN!«

Brittany und ihre nervige Freundin winken ihn zu sich herüber. Er geht sofort zu ihnen, was mich nicht wirklich überrascht, wenn ich ehrlich bin. Sie machen ihm sofort schöne Augen, berühren seine nackten Oberarme, die mich schon die ganze Zeit ein wenig ablenken, und lachen, bevor er auch nur den Mund öffnen kann, um etwas zu sagen. Dafür, dass Auden erst siebzehn Jahre alt ist, ist er wirklich erstaunlich gut gebaut. Man merkt ihm aber auch jedes Mal auf dem Basketballfeld an, dass er dafür geboren wurde, zu spielen.

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