KAPITEL 31 | AUDEN

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Es fällt mir oft schwer zu akzeptieren, dass es okay ist, wenn ich glücklich bin. Porter sagt, dass das meine einzige Schwäche ist, die ich schleunigst ablegen soll, weil sie mich immer von den besten Dingen im Leben abhalten wird. Er hat nicht unrecht, das weiß ich. Aber wie kann man eine schlechte Eigenschaft ablegen, die so tief in einem verankert ist wie bei mir? Wieso kann ich nicht akzeptieren, dass zwischen Maya und mir nichts stehen würde, wenn ich endlich über meinen Schatten springen könnte?

Dad hat immer gesagt, dass die Menschen, die mir guttun, nie für immer in meinem Leben bleiben werden. Früher oder später finden sie nämlich jemand Besseren, der wiederum ihnen guttut.

»Es ist wie ein Kreislauf, Auden«, hat er immer gesagt. »C'est un cercle vicieux.«

Ich habe mir stets vorgenommen nicht viel auf Dads Lebensweisheiten zu geben, weil sie meistens sehr deprimierend waren. Wohin haben sie ihn außerdem gebracht?

In den sicheren Tod.

Dad schleicht sich mittlerweile immer öfter in meinen Kopf, sogar während des Basketballtrainings. Dabei sollte ich mich eigentlich besser konzentrieren, weil ich sowieso ein wenig abgebaut habe. Als ich mir schnell die Schuhe binde und dann zu Paxton sehe, der gerade von Coach Ivers gelobt wird, bestätigt das meinen Gedanken.

Sogar Paxton, der Idiot, spielt heute besser als ich.

Die Wunde an meinem Bauch ist so gut wie verheilt, aber die Narbe, die nun zu sehen ist, zeige ich überhaupt nicht gern. Ich bin beinahe der Einzige auf dem Basketballfeld, der ein T-Shirt trägt, während alle andere Spieler oberkörperfrei sind, was den Cheerleaderinnen sehr zu gefallen scheint.

Maya ist glücklicherweise auch da.

Sie sitzt auf der Tribüne, hält ein aufgeschlagenes Buch in den Händen und sieht nur mich an. Immer wenn ich es merke, tut sie so, als wäre sie vollkommen in die Geschichte vertieft, aber ich weiß es besser und muss jedes Mal grinsen. Seit einer Stunde stelle ich mir vor, dass sie meinetwegen hier ist und nicht auf Stacey wartet, weil dieser Gedanke weitaus erfreulicher ist als die Gedanken von meinem Dad.

Als wir nach dem Training alle verschwitzt und erschöpft in die Umkleide gehen, ignoriere ich das leichte Stechen an meinem Bauch. Die Narbe ist zwar vollkommen verheilt, aber extrem empfindlich. Ich hoffe wirklich, sie wird jetzt nicht den ganzen Tag unangenehm schmerzen.

Ich bin der Letzte des Teams, der sich umzieht. Während ich mir die nassen Haare nach hinten streiche, werfe ich im Spiegel einen Blick auf die Narbe und seufze tief. Ich bin keineswegs eitel, eher stört es mich, dass ich jedes Mal an Roamer mit seinem Messer erinnert werde, wenn ich mich ansehe. Wäre ich damals klug gewesen, hätte ich die Wunde von einem Arzt und nicht von Abraham nähen lassen, aber ich wollte nicht, dass Porter für die Kosten aufkommt. Ich wünschte, ich würde mir manchmal mehr helfen lassen.

»Sie sieht nicht so schlimm aus, wie du denkst, weißt du?«, ertönt es auf einmal hinter mir.

Überrascht drehe ich mich zu Maya um, die an einem der Spinde lehnt und ihr Buch an ihre Brust gedrückt hat. Sie wird ein wenig rot, als sie mich ansieht, dabei trage ich bereits eine Hose und bin nicht vollkommen nackt.

Mich hat tatsächlich noch nie jemand so angesehen wie sie.

Meistens waren die Blicke der Mädchen nur gierig, aber Mayas Augen sind voller Liebe und Aufregung, wodurch auch mein Herz schneller schlägt. Ich muss dagegen ankämpfen, sie mir einfach zu schnappen, auf das Waschbecken zu setzen und sie zu küssen. Es ist wirklich schwer in ihrer Nähe zu sein, aber das ist allein meine Schuld. Ich bin derjenige, der es verkompliziert, aber ich kann nicht anders, als gleichzeitig an Porter und Dads Ratschläge zu denken, wenn ich sie anschaue.

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